Unter Vermittlung Weißrusslands ist der Wagner-Aufstand, von westlichen Medien weithin als Putsch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin bezeichnet, innerhalb von etwa 24 Stunden beendet worden. Einige westliche Analysen betrachten diese „bewaffnete Rebellion“ als schweren Schlag für Putin, die die Schwäche seiner Führung zeige angesichts der Pattsituation im Ukraine-Russland-Krieg. Einige chinesische Experten bezeichnen das als „Wunschdenken“ des Westens in Bezug auf die russische Politik.
Einige chinesische Experten sind der Ansicht, der Rückzug der Wagner-Soldaten sei eine rationale Entscheidung, da Wagner-Chef Prigoschin in erster Linie mehr Aufmerksamkeit von Putin erlangen wollte, um seine Forderungen vorzubringen, statt eine echte Meuterei gegen die russische Führung zu starten.
Der Aufstand wurde in sehr kurzer Zeit niedergeschlagen, nachdem Putin am Samstagmorgen entschlossenes Handeln versprochen hatte. Das zeigt, dass der Kreml weiterhin über starke Abschreckungsfähigkeit verfügt, was seine Autorität stärken wird, so einige Experten.
Als Russlands befreundeter Nachbar und umfassender strategischer Partner für die Koordinierung in der neuen Ära unterstützte China Russland bei der Aufrechterhaltung der nationalen Stabilität und der Erreichung von Entwicklung und Wohlstand, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums.
Szenario der Kehrtwende
Als privater Militärkonzern ist Wagner in erster Linie auf Profit aus. Prigoschins Fehde mit dem russischen Verteidigungsministerium unter der Leitung von Sergej Schoigu hat eine lange Geschichte. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich der Konflikt verschärft.
„Prigoschin hat nicht wirklich einen Putsch gegen die russische Regierung angezettelt, sondern protestiert auf diese Weise, um seine Unzufriedenheit mit führenden russischen Verteidigungsbeamten auszudrücken und bessere Behandlung der Wagner-Gruppe zu fordern“, sagte Wang Yiwei, Professor für internationale Beziehungen an der chinesischen Renmin-Universität, der „Global Times“ am Sonntag.
Die Reibereien zwischen Prigoschin und dem Verteidigungsministerium haben sich mit zunehmender Dauer des Krieges verschärft und erreichten am Freitag einen Höhepunkt, als Prigoschin die Militärführung beschuldigte, Wagner-Lager angegriffen zu haben, berichtet „Moscow Times“.
Zuvor hatte sich Prigoschin besorgt über das langsame Vorankommen russischer Streitkräfte inmitten schwerer Kämpfe in den ostukrainischen Städten Artjomowsk und Soledar geäußert. Er beschuldigte das russische Militär, zu versuchen, Wagners Siege zu „stehlen“.
Trotz Wagners Rückzug veröffentlichten einige westliche Medien wie „CNN“ und „The New Yorker“ Analysen, in denen es hieß, dass „Putin Gefahr laufe, seinen eisernen Griff um die Macht zu verlieren“ und „Putins Schwäche entlarvt“. „CNN“ sagte: „Es ist nicht das erste Mal in diesem Frühjahr, dass Moskau schwach aussieht. Der Drohnenangriff auf den Kreml im Mai muss die Elite um Putin dazu veranlasst haben, sich zu fragen, wie um alles in der Welt die Verteidigung der Hauptstadt so schwach sein kann.“
Der Westen beobachte die Situation sehr aufmerksam und hoffe, antirussische Stimmung schüren zu können, was gängige Taktik und Teil seiner psychologischen Kriegsführung seit Beginn der Ukraine-Krise sei, sagte Cui Heng, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Russlandstudien der East China Normal University, „Global Times“ am Sonntag.
„Die Niederschlagung der Revolte in so kurzer Zeit hat jedoch die Autorität der Putin-Regierung gefestigt, was auf dem Schlachtfeld zwischen Russland und der Ukraine kaum Auswirkungen hat“, so Cui.
Wunschdenken des Westens
Während sich die Ereignisse abspielten, vermieden US-Vertreter direkte Kommentare über das, was einige als innere Angelegenheit Russlands bezeichneten. Sie wollten den Eindruck vermeiden, die USA versuchten, die Situation auszunutzen. Darstellungen des Kreml, die USA würden versuchen, die Sicherheit Russlands zu schwächen, sollte kein Vorschub geleistet werden.
US-Präsident Joseph Biden sprach mit den Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands und Britanniens und drückt seine Besorgnis aus, Putins Kontrolle über das Land könne ins Wanken geraten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vermied direkte Kommentare zu dem, was er als „interne“ Angelegenheit Russlands bezeichnete.
Am Sonntag traf der chinesische Außenminister Qin Gang mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Andrej Rudenko in Peking zusammen und tauschte sich nach Angaben des chinesischen Außenministeriums über die chinesisch-russischen Beziehungen sowie globale und regionale Themen aus.
Der stellvertretende chinesische Außenminister Ma Zhaoxu traf ebenfalls am Sonntag in Peking mit Rudenko zusammen und erklärte, dass es angesichts der komplexen und ernsten internationalen Lage notwendig sei, den von den beiden Staatschefs erzielten wichtigen Konsens zu befolgen, rechtzeitig zu kommunizieren, die stabilen und langfristigen Beziehungen zwischen China und Russland zu gewährleisten und die gemeinsamen Interessen beider Seiten zu schützen.
Die Diplomaten tauschten sich auch über die Ukraine-Krise und andere wichtige internationale und regionale Themen aus.
„Der Gedanke, dass sich diese Revolte gegen Putin richtet, ist Wunschdenken. Manche westliche Politiker sind es gewohnt, die russische Politik in ihrer Fantasie zu betrachten, was zeigt, dass sie die grundlegenden Bedingungen in Russland nicht verstehen“, sagte Wang Yiwei.
Einige westliche Politiker hofften, dass Putin die Kontrolle über das Land verliere und Russland ins Chaos stürze, damit sich die russischen Truppen aus der Ukraine zurückzögen. Einige hofften, Russland zu schwächen oder zu spalten. Das habe zu einer solchen Übertreibung des Wagner-Aufstands geführt, stellte er fest.
Obwohl der Aufstand innerhalb von 24 Stunden beendet wurde, lässt der Rückzug der Wagner-Soldaten einige Fragen offen. Darunter die, wie der seit langem bestehende Konflikt zwischen der paramilitärischen Gruppe und dem russischen Militär gelöst werden kann.
Dennoch wird sich der Aufstand negativ auf die politische Lage in Russland und die Stabilität des russischen Militärs auswirken. Die Frage, wie der äußere Eindruck einer schwächelnden Führung beseitigt und die Ordnung wiederhergestellt werden kann, könnte nach Ansicht von Experten in Zukunft zur Bewährungsprobe für Putin werden.
Ein solch dramatisches Ereignis werde Putin und den russischen Behörden noch deutlicher vor Augen führen, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nicht in die Länge gezogen werden dürfe. Je länger der Krieg andauere, desto mehr innenpolitische Probleme und Konflikte häuften sich an, so Wang.
„Diese Ereignisse könnten Putin dazu veranlassen, das Ende des russisch-ukrainischen Konflikts zu beschleunigen, um ähnliche Risiken zu vermeiden, und die Beziehungen zu Nachbarländern wie Belarus und Kasachstan weiter zu stärken“, sagte er.
Dieser Beitrag erschien am 25. Juni 2023 auf Global Times. Wir haben ihn ins Deutsche übersetzt, gekürzt und redaktionell bearbeitet.