Profite gegen Klimaschutz – Konzern drängt auf höhere Rendite

VW-Beschäftigte in Geiselhaft

Von Werner Hensel

„Die Transformation in dieser Geschwindigkeit und mit den Auswirkungen ist kaum zu managen, da dann in gut zehn Jahren etwa ein Viertel der Jobs in unseren Werken wegfallen müsste – insgesamt rund 100000 Stellen.“ Das prophezeite VW-Chef Diess im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ), wenn die EU die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent beschließen sollte.

Das „klingt nach politischer Erpressung“, meinte dazu die SZ. Man könnte es auch Geiselnahme nennen. Diess spekuliert darauf, dass die VW-Beschäftigten, Landes- und Bundespolitiker, Betriebsräte und Gewerkschaften zusammenzucken, den Kopf einziehen und auf „Brüssel“ schimpfen. Bei der Bundesregierung hat es gefruchtet. Auf ihren Druck wurde die Reduzierung um 35 Prozent beschlossen. Die Autolobby hat sich gegenüber den Klimaschützern einmal wieder durchgesetzt.

Diess stellt die Auto-Industrie als Opfer einer verfehlten Klimapolitik dar. Aber: Wie viel Zeit und Ingenieurskompetenz wurde für Mogel-Software verschwendet, anstatt tatsächlich saubere Motoren zu entwickeln? Wie viel Phantasie und Kreativität wurde in systematischen Betrug investiert anstatt Mobilitätskonzepte ohne immer mehr Autos zu planen? Und jetzt beschweren sich die Verantwortlichen dieser Verschwendung, dass zu wenig Zeit für CO2-Reduzierung bleibt?

Ein Blick auf die unterschiedlichen Interessen kann klärend wirken. Auf der einen Seite der Piech-Clan und Katar als Mehrheitsaktionäre. Auf der anderen Seite die hunderttausende Beschäftigte. Auftrag des Managements ist es, die Profite für den Piech-Clan und Katar zu sichern – jedes Jahr hunderte Millionen Dividende. Dafür müssen möglichst viele Autos gebaut werden – egal mit welchem Antrieb. Dafür will Diess die Erhöhung der Rendite auf 6 Prozent statt 4 Prozent vom Umsatz schon 2021 erreichen. Jeder Arbeitsplatz weniger erhöht die Profite.

Für diese Interessen wird gemogelt, betrogen, erpresst. Wegen Höchstprofiten und Weltmarktführerschaft setzten Diess‘ Vorgänger alles aufs Spiel. Die Folgen tragen nicht nur die VW-Beschäftigten, sondern alle, die Schadstoffe einatmen müssen, welche angeblich herausgefiltert wurden.

Die hunderttausende Automobil-Beschäftigten sind nicht nur Autobauer. Sie atmen dieselbe belastete Luft wie die Verkäuferin von nebenan. Sie sind auf Parkplatzsuche wie ihre Nachbarn. Sie stehen neben dem Lehrer im Stau, weil es zu viele Autos und zu wenig attraktiven ÖPNV gibt. Sie bekommen die Folgen des Klimawandels genauso zu spüren wie der Landwirt. Auch Autobauer machen sich ihre Gedanken, wenn der Weltklimarat zu sofortigem Handeln gegen die Erderwärmung rät – jedes Zehntel Grad Erwärmung weniger ist wichtig, sagen die Klimaforscher.

Die Auto-Beschäftigten sollten ihre eigenen Interessen formulieren:

• Sichere Arbeitsplätze, auch für kommende Generationen

• saubere Luft, lebenswerte Umwelt

• Mobilität mit weniger Umweltbelastung

Mobilität ist auch ohne immer mehr Autos möglich. Autobauer, Ingenieure könnten genauso gute alternative Verkehrssysteme bauen wie tolle Autos. Das ist nicht nur angesichts des Klimawandels nötig, sondern auch wegen der absehbaren weiteren Probleme der viel gepriesenen E-Mobilität. Alternativen zur Mobilität mit dem Auto sind möglich und müssen keine Arbeitsplätze kosten.

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"VW-Beschäftigte in Geiselhaft", UZ vom 2. November 2018



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