Vorwärts mit der CDU

Arnold Schölzel über die Landtagswahl in Thüringen

Mit 31 Prozent gewann die Partei „Die Linke“ die Landtagswahl in Thüringen. Auf den zweiten Platz kam mit 23,4 Prozent die AfD, die in dem Bundesland vom Faschisten Björn Höcke geführt wird. Der warnt vor „Volkstod“ durch Migration, will dem durch „wohltemperierte Grausamkeiten“ begegnen und kündigte eine „Abschiebeinitiative 2020“ an. Wer ihn wählte, wusste das.

Die CDU stürzte von 33,5 Prozent auf 21,8 Prozent ab. Die Koalitionspartner der Linkspartei, SPD (8,2 Prozent) und Grüne (5,2 Prozent), verloren ebenfalls und das Dreierbündnis so seine Mehrheit. Die FDP erreichte knapp 5 Prozent und muss das amtliche Endergebnis am 7. November abwarten.

Der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow will bleiben. Am Montag erklärte er auf einer Pressekonferenz in Berlin: „Wir brauchen keine neuen Konstellationen, sondern neue Mehrheiten.“ Er strebe „eine zügige Wahl im Landtag“ an und behauptete: „Es gibt einen Verfassungsauftrag für Rot-Rot-Grün. Paragraph 51 der Landesverfassung begründet meine Kompetenzen ohne Beschränkung.“ Gemeint ist: Er kann ohne Befristung amtieren und strebt eine Minderheitsregierung an.

Sein „Gehirn“, Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff, lieferte in der Dienstagausgabe der „FAZ“ dazu Schriftliches. Dort wurde aus einem Papier von ihm zitiert: „Das Wahlergebnis biete ‚keine andere Handhabe’ als eine Minderheitsregierung. Linke, SPD und Grüne müssten über die Fortsetzung der Regierungsarbeit verhandeln und parallel ‚Gespräche mit CDU und FDP über die Duldung einer rot-rot-grünen Koalition’ führen.“

Kein Problem. CDU und FDP zieren sich noch, signalisieren aber durch häufigen Hinweis auf „Verantwortung“, dass sie bereit sind, das Parteiwohl über alles bislang Gesagte zu stellen. Der Thüringer CDU-Vorsitzende Mike Mohring erfand die Formel, er werde sich mit Ramelow, aber nicht mit der Linkspartei treffen.

Diese Innovation im parlamentarischen Balzverhalten hat nichts mit einem „historischen Kompromiss“ wie in den 70er Jahren in Italien oder gar einer antifaschistischen Volksfront zu tun, sondern allein mit Ramelow. Der westdeutsche Gewerkschafter hatte in den vergangenen fünf Jahren nach dem Vorbild des grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, Wert darauf gelegt, wenig bis nichts mit seiner Partei zu tun zu haben. Er vermarktete vielmehr seine Frömmigkeit als Christ, machte Hetze gegen die DDR analog zu der Höckes gegen Migranten unter dem Logo „Unrechtsstaat“ zum festen Bestandteil des Regierungshandelns und ließ öffentlichkeitswirksam wenige Wochen vor der Wahl verkünden, dass ein Forschungsvorhaben der Uni Jena zur „Christenverfolgung in der DDR“ mit 600 000 Euro gefördert werde. Bei einem Landesetat 2019 in Höhe von 10,6 Milliarden Euro eine beachtliche Summe. Sein oberstes Prinzip war, die Vorgaben des Kapitals zu erfüllen. Stolz verkündeten die Koalitionäre im Wahlkampf, sie hätten eine Milliarde Euro „Schulden“ abgebaut. Das war offensichtlich wichtiger als zum Beispiel ausreichend Lehrer einzustellen. Das selbstgestellte Ziel dabei wurde verfehlt, 2018 fielen eine Million Unterrichtsstunden aus.

Vor allem aber: In Thüringen sind die Löhne noch einmal deutlich niedriger als in anderen ostdeutschen Ländern, nur jeder fünfte Betrieb zahlt nach Tarif. Die „FAZ“ stellte zufrieden fest: „Dass Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels alles tun, um ihre Mitarbeiter bei Laune zu halten – in Thüringen ist dieses Phänomen noch nicht zu beobachten.“ Es ist, anders gesagt, ein Eldorado der Ausbeutung und der Armutsrenten.

Landesvater Ramelow, über dessen Menschelei mit Unternehmern die Bürgermedien wohlwollend berichteten, kümmert’s wenig. Drei von vier Regionen Thüringens gelten als wirtschaftlich und sozial abgehängt. Daran soll sich nichts ändern, das Kapital schätzt Niedriglohnländer. Im Land von „Thüringer Heimatschutz“ und NSU wird die Nachfolgeorganisation AfD weiter gezüchtet.

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"Vorwärts mit der CDU", UZ vom 1. November 2019



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