Gespräche zwischen Syrien, der Türkei und Russland werden vorbereitet – humanitäre Situation katastrophal

Vorsichtige Annäherung

Neue Gespräche zwischen den Verteidigungsministern der Türkei, Syriens und Russlands, die von technischen Beratern vorbereitet werden, sind weitere Anzeichen für die Annäherung zwischen Ankara und Damaskus. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gibt sich derweil als Friedensbote. Im Rahmen eines Treffens mit Jugendlichen in der Stadt Bilecik lud er Vertreter des Iran ein, sich an den Gesprächen zu beteiligen – damit „Friede in der Region“ werde.

Die mögliche Annäherung zwischen der türkischen und der syrischen Regierung trifft auf den Widerstand der dschihadistischen Organisationen vor allem in Idlib. Sie sind auf die türkische Hilfe angewiesen und versuchen mit allen Mitteln, eine türkisch-syrische Entspannung zu verhindern. Sie organisieren Proteste – aber vor allem auch immer mehr Angriffe auf das syrische Militär. Auch die Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) und türkischen Einheiten nehmen zu.

Vom Frieden ist die Region also weit entfernt. Immerhin scheint Erdoğan sich von dem Ziel verabschiedet zu haben, eine umfassende, 30 Kilometer tiefe türkische Besatzungszone in Syrien zu errichten. In einer Fernsehansprache beschrieb er die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland als von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet – „obwohl wir nicht in der Lage waren, unsere Ziele im Hinblick auf den Norden Syriens zu erreichen“.

Die Türkei verfügt nicht nur über ihr Militär, um Druck auszuüben. Der Oberlauf des Euphrat verläuft durch ihr Staatsgebiet, so dass sie mit ihrem System von Stauanlagen die nach Syrien und in den Irak gelangenden Wassermengen bestimmen kann. Zwar gibt es vertragliche Verpflichtungen über die Mindestmengen, die die Türkei liefern muss, aber offenbar wurden sie seit 2021 missachtet und das Wasser zunehmend in der Türkei zurückgehalten. So zumindest sehen es Vertreter der kurdischen Selbstverwaltung. Landwirtschaft und Energieerzeugung würden dadurch massiv bedroht.

Die Versorgungslage in Syrien ist ohnedies aufgrund der Sanktionen der EU und der USA katastrophal. Nahrungsmittel, Medikamente, Strom und Kraftstoff werden teurer und knapper. Die Währung verfällt weiter. Schul­material und selbst die Fahrt zur Schule oder Universität ist für viele nicht mehr zu finanzieren. Die UN-Organisation „World Food Programme“ warnt, dass nie zuvor in den letzten zwölf Jahren – trotz des Krieges – die Ernährungslage so schlecht gewesen sei wie jetzt.

Luftangriffe – vor allem durch Israel – verschlimmern die Situation. Zuletzt wurden bei einem solchen Angriff beim Grenzübergang in den Irak bei Bukamal drei Lkw eines Konvois zerstört, der humanitäre Hilfe aus dem Iran liefern sollte. Videoaufnahmen zeigen eindeutig, dass die Lkw Lebensmittel und Medikamente transportierten.

Währenddessen wurde im Sicherheitsrat der UN erneut über Hilfslieferungen an Syrien gestritten. Der Westen verlangt nach wie vor, dass Hilfsgüter an der syrischen Regierung vorbei durch einen Grenzübergang nach Idlib – das unter Kontrolle der Dschihadisten steht – geliefert werden sollen, und das auf unabsehbare Zeit. Weil Russland dazu nicht bereit war und verlangte, dass die Lieferung über den Grenzübergang bei Bab al-Hawa nach sechs Monaten überprüft werden soll, enthielten sich Britannien, Frankreich und die USA bei der Abstimmung. Sie waren dabei vollständig isoliert.

In einem Interview erklärte der Ständige Vertreter Syriens bei den UN, solange die Sanktionen nicht aufgehoben werden, würden die Sitzungen des Sicherheitsrats überhaupt nichts erreichen.

So bleibt die zynische Politik des Westens, Syrien mittels der Sanktionen wirtschaftlich zu ruinieren, das größte Hindernis für „Friede in der Region“.

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"Vorsichtige Annäherung", UZ vom 10. Februar 2023



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