Seit Tagen berichteten die lokalen und regionalen Medien häppchenweise über die Rettung der Werft, während die Werft- und Gewerkschaftsvertreter sowie Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker hinter verschlossenen Türen über die Zukunft des Schiffbauers und das Schicksal von 3.000 Beschäftigten bei Meyer und weiteren 15.000 bei Zulieferfirmen berieten.
Zuerst drang an die Öffentlichkeit, dass die Meyer Holding ihren Sitz von Luxemburg in die BRD zurückverlegt und voraussichtlich ab dem 31. August ihren gesamten Werft- und Geschäftsbetrieb auf ihre Muttergesellschaft Meyer Neptun GmbH mit vorläufigem Sitz in Rostock übertragen wird. Der Sitz soll dann möglichst schnell nach Papenburg verlegt werden.
„Damit wird nun – wie mit dem Betriebsrat der Meyer Werft und der IG Metall vereinbart – die Mitbestimmung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt, indem die rechtliche Basis für einen Konzernbetriebsrat und einen mitbestimmten Aufsichtsrat geschaffen wird“, heißt es in einer Pressemitteilung der Werft. Meyer hatte 2015 unter anderem den Sitz nach Luxemburg verlegt, um einen Aufsichtsrat zu verhindern.
Bis zu diesem Zeitpunkt gab es ein „Stillhalteabkommen“ mit der IG Metall und dem Betriebsrat, das den Verzicht auf dieses Gremium implizierte, wie es der damalige Geschäftsführer Kruse gegenüber der Presse süffisant ausdrückte. Als Anfang 2015 der neu gewählte Betriebsratsvorsitzende Ibrahim Ergin und die IG Metall die Forderung nach einem Aufsichtsrat und besserer Mitbestimmung offensiv vertraten, reagierte Firmenchef Bernard Meyer mit harten Bandagen. Er verlegte den Hauptsitz der Meyer Holding nach Luxemburg und startete eine Kampagne gegen Ergin, dem man vorwarf, er habe Auszubildende zum Eintritt in die IGM genötigt. Dabei holte sich Meyer unter anderem juristische Hilfe bei dem berüchtigten „Betriebsrätefresser“ Helmut Naujoks, der mehrfach auf dem Werftgelände gesehen wurde.
Die Auseinandersetzung endete mit einem Vergleich, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsvorsitzenden beinhaltete. Der einst familiäre Ton zwischen Werftleitung und Betriebsrat ist seit diesem Zeitpunkt eher frostig geworden. Jetzt muss Meyer um des Überlebens willen eine 180-Grad-Wende machen, um das Familienunternehmen vor der drohenden Insolvenz zu retten und den Beschäftigten Mitbestimmungsrechte einräumen, von denen er vor neun Jahren nie geträumt hätte.
Am 11. August wurde bekanntgegeben, dass der Kreuzfahrtriese Disney Cruise Line den Bau von vier neuen Schiffen zur Erweiterung der eigenen Flotte in Auftrag gegeben habe. Diese sollen zwischen 2027 und 2031 fertiggestellt werden, so dass die Werft ab 2027 vollkommen ausgelastet sein wird. Für die Jahre 2025/26 sieht die Auslastung eher dünn aus und es wird vermutlich in einigen Bereichen zu Kurzarbeit kommen.
Am Donnerstag, den 22. August, nahmen Bundeskanzler Olaf Scholz und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil an einer Betriebsversammlung auf der Werft teil, um den Beschäftigten mitzuteilen, dass Bund und Land bereit seien, zur Rettung des Unternehmens beizutragen. Weil warnte allerdings vor vorschneller Euphorie, da das vorgesehene Rettungspaket noch sowohl von den Banken als auch den Haushaltsausschüssen von Bund und Land sowie der EU-Kommission genehmigt werden muss. Konkrete Details nannten weder Scholz noch Weil.
Aus internen Kreisen wurde bekannt, dass Bund und Land mit einer Bürgschaft in Höhe von jeweils 900 Millionen Euro eingreifen und für eine Erhöhung des Eigenkapitals um circa 400 Millionen Euro – und damit 80 bis 90 Prozent der Eigenanteile – sorgen würden. Die Meyer Werft solle bis 2027 ein Staatskonzern bleiben, danach werde der Familie Meyer ein Rückkaufsrecht gewährt. Außerdem erhalte diese einen Sitz im Aufsichtsrat.
Um zu verhindern, dass der Standort in Turku/Finnland, der weiterhin im Besitz der Unternehmerfamilie bleibt, in Konkurrenz zu den Standorten in Papenburg und Rostock tritt, sollen alle drei Standorte zu einer Holding verschmolzen werden.
Bis Mitte September muss die Finanzierung der Werft beschlossen sein, ansonsten ist die Werft zahlungsunfähig. Die Beschäftigten können erst einmal durchatmen, aber die Sorge um die Arbeitsplätze bleibt, da geplant ist, über ein sogenanntes Freiwilligenprogramm 240 Arbeitsplätze abzubauen. Wenn dies bis Ende März 2025 nicht den gewünschten Effekt zeigt, wird es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen.