Rückblick
Bevor ich auf wichtige vor uns liegende Klassenkämpfe im gewerkschaftlichen Bereich eingehe, würde ich gerne noch zu einigen Auseinandersetzungen im letzten Jahr sprechen.
Der Rückblick bezieht sich dabei auf die Tarifrunden im Öffentlichen Dienst, Bund und Kommunen, und im Öffentlichen Personennahverkehr.
Kennzeichnend für diese Tarifrunden war es, dass sie nicht nur viele Beschäftigte umfasst, so sind rund 5 Millionen Menschen direkt beziehungsweise indirekt von dieser Tarifrunde betroffen gewesen, sondern dass sie auch in Zeiten besonderer Bedingungen, hier die der Corona-Pandemie, stattfanden.
Öffentlicher Dienst
Bereits nach dem ersten Lockdown ab Mitte März letzten Jahres und vor der Sommerpause hat ver.di versucht, gegen Zahlung eines kleinen Obolus diese Tarifrunde in das nächste, also dieses Jahr zu verschieben. Dieses haben die Arbeitgeberverbände im Verband Kommunaler Arbeitgeberverbände (vka) brüsk abgelehnt. Sie spielten mit dem Kalkül, dass vor dem Hintergrund von Corona und den darauf basierenden Maßnahmen eine Streikbereitschaft gering sei. Ihr Kalkül ging nur zu einem gewissen Teil auf. Zunächst einmal ist festzustellen, dass rund eine Viertelmillion Beschäftigte aktiv in den Streikauseinandersetzungen für ihre Interessen eingegriffen haben. Aber hier ist eine gewisse Binnendifferenzierung notwendig. So gab es eine nicht kleine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen, die nicht aus eigenen Interessen, sondern aus Solidarität mit den Beschäftigten im Gesundheitswesen aktiv gewesen sind, weil sie selber einen Arbeitsplatzverlust durch Kurzarbeitergeld nicht zu befürchten hatten beziehungsweise im Home-Office arbeiten konnten. Festzustellen ist aber, dass die Beteiligung an dieser Tarifrunde wesentlich höher als in den Vorjahren war. Nicht zuletzt gelang es ver.di, in dieser Tarifrunde auch eine entsprechend hohe Anzahl von Mitgliedern zu gewinnen. Andererseits ging aber das Kalkül des vka auf: so war ver.di letztlich gezwungen, in der dritten Verhandlungsrunde, auch wenn diese vier Tage dauerte, einen Tarifvertrag abzuschließen. Corona war unsichtbar der dritte Verhandlungspartner am Tisch. Denn bei täglich neuen Höchstmeldungen über die Anzahl der Infektionen wäre es ein Leichtes für die Arbeitgeberseite gewesen, eine entsprechende mediale Stimmung zu platzieren und diejenigen, denen sie noch im ersten Halbjahr applaudiert haben, für die Wahrnehmung des Grundrechts auf Streik, auch in den Krankenhäusern und Kindertagesstätten, zu diskreditieren.
Der Tarifabschluss ist bekannt, wir hatten ihn in der UZ veröffentlicht. Im Kern steigen die Tabellenentgelte zum 1. April dieses Jahres um 1,4 Prozent, mindestens aber um 50 Euro, und zum 01. April 1922 um weitere 1,8 Prozent. Zugleich wurde eine ganze Reihe von Zulagen beziehungsweise dessen Erhöhung im Bereich des Gesundheitswesens vereinbart. Angriffe der Arbeitgeber in Richtung Verschlechterung von Eingruppierungsbedingungen konnten abgewehrt, die Kürzung der Sonderzahlung im Sparkassenbereich konnte durch Umwandlung in freie Tage abgeschwächt werden.
Es ist gut, dass ver.di in dieser Tarifrunde eine soziale Komponente, nämlich eine höhere Tarifsteigerung für die unteren und mittleren Tarifgruppen sowie bei der Sonderzahlung erreicht. Bei der Aufwertung des Berufsbildes Pflege ist ein erster Schritt gelungen. Zu kritisieren ist die lange Laufzeit mit 28 Monaten. Zum einen wird die Inflation in dieser langen Zeitspanne die Entgelterhöhungen auffressen, es wird zu einem Reallohnverlust führen. Zum anderen wird sich diese lange Laufzeit auch auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen in der Gewerkschaft negativ auswirken, denn Mitglieder werden im Wesentlichen in aktiven Tarifrunden gewonnen. Zu kritisieren ist ebenfalls, dass ver.di sich nicht konsequent dem Argument der knappen Kassen aufgrund wirtschaftlicher Entwicklung und Einkommensverlusten in den öffentlichen Haushalten durch Corona entgegengestellt hat, während gleichzeitig dieselben Arbeitgeber Milliarden für die Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.
ÖPNV
In der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes waren auch die Beschäftigten des Öffentlichen Personennahverkehrs eingebunden. Gleichwohl lief daneben der Kampf um einen bundesweiten Rahmentarifvertrag im ÖPNV, der wesentliche Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel die Anzahl von Urlaubstagen, bundesweit einheitlich regelt. Damit sollte der Zersplitterung der Tariflandschaft in diesem Bereich etwas entgegengesetzt werden. Die Arbeitsbedingungen für die rund 90.000 Beschäftigten in rund 130 Unternehmen des ÖPNV sollten in Grundfragen, wie zum Beispiel des schon genannten Urlaubsumfangs, angepasst werden. Auch hier gab es eine hohe Streikbereitschaft. Ihr selber habt es erlebt, als Busse und Bahnen nicht mehr fuhren. Die Besonderheit in dieser Tarifauseinandersetzung war es, dass ver.di sehr geschickt andere zivilgesellschaftliche Organisationen, hier insbesondere die Umweltverbände sowie Fridays for Future, mit eingebunden hat. Hier fand eine Verknüpfung der notwendigen Umstellung des Individualverkehrs hin auf öffentlichen Personennahverkehr mit der Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen statt. Um diese beiden Ziele erreichen zu können und entsprechend Druck insbesondere auf den Bund hinsichtlich einer zusätzlichen Finanzierung ausüben zu können, war dieses Zusammengehen von Gewerkschafts- und Umweltbewegung notwendig. Es konnte gegenseitig das Bewusstsein über die Interessenlage des jeweils anderen Partners erweitert werden und es macht insbesondere für Gewerkschaften deutlich, dass sie eben auch gesellschaftspolitisch gefordert sind, und nicht nur im Bereich der Ökonomie hinsichtlich Gehaltssteigerungen und Arbeitsbedingungen.
So gut diese Entwicklung ist, so sehr ist das Ergebnis zu kritisieren. Ein bundesweiter Rahmentarifvertrag ist nicht zustande gekommen, das war aber das eigentliche Ziel von ver.di. Demzufolge hat es wiederum auf der Bundesländerebene Verhandlungen mit unterschiedlichen Tarifabschlüssen gegeben. Immerhin führte die bundesweite Auseinandersetzung dazu, zum Teil erhebliche Gehaltssteigerungen vor Ort, also in den Bundesländern, umzusetzen. Auch die Arbeitsbedingungen wurden hier und da real verbessert. Aber mit dem Abschluss im öffentlichen Dienst war auch die Tarifauseinandersetzung im ÖPNV de facto beendet. Immerhin konnte vereinbart werden, dass sich der Verkehrsausschuss des Bundestages mit dem Thema künftiger Modelle für Finanzierung und Organisation des ÖPNV auseinandersetzt. Zu bezweifeln ist, ob hier vor den Bundestagswahlen handfeste Ergebnisse erzielt werden.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, so lautet ein Spruch aus der Fußballwelt. Das gilt natürlich auch für Tarifauseinandersetzungen. Aus unserer Sicht gehört zu der wesentlichsten Forderung in einer kommenden Tarifrunde, dass die bereits privatisierten Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel Krankenhäuser, wieder rekommunalisiert werden. Nun werden Kritiker durchaus zu recht sagen, dass in einer Tarifrunde gesellschaftspolitische Dinge, insbesondere wenn es sich um Eigentumsverhältnisse handelt, nicht durch die Gewerkschaft als Ganzes und im Übrigen auch nicht durch die Beschäftigten in einer Branche allein erreicht und umgesetzt werden können. Das stimmt, aber nur insoweit, als dass dieser Blick die Gewerkschaft auf den Ökonomismus reduziert. Aber gerade das erwähnte Beispiel der Zusammenarbeit zwischen ver.di und den Umweltverbänden zeigt doch, dass auch aus einer Tarifrunde heraus Anstöße grundsätzlicher Art gegeben werden können. Die Frage nach Finanzierung durch Bundesmittel für die regional organisierten Verkehrsunternehmen stellt zwar noch nicht die Eigentumsfrage, aber doch immerhin die Frage, was mit wessen Geld wie umgesetzt wird. Mit anderen Worten ausgedrückt, dass eine bundesweite Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs letztendlich nur dann einen Sinn macht, wenn es sich bei den Bus- und Bahnunternehmen ebenfalls um Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge handelt, und nicht um Privateigentum. Für die Forderung nach Rekommunalisierung von Krankenhäusern gibt es zunächst in der Gesellschaft eine positive Grundlage. Natürlich hat Corona dieses befördert, weil in dieser Zeit insbesondere die Beschäftigten des Gesundheitswesens und die dort vorhandenen Mängel hinsichtlich fehlenden Personals besonders sichtbar waren. Es ist erkannt, dass Gesundheit keine Ware sein darf, dass das Gesundheitswesen nicht dem kapitalistischen Profitprinzip ausgesetzt sein darf. Wenn das aber allgemeine Bewusstseinslage ist, wieso sollte es die Gewerkschaft dann daran hindern, zusammen ebenfalls mit Partnern aus der Zivilgesellschaft, für eine solche Forderung einzutreten.
Im Kern einer kommenden Tarifauseinandersetzung muss es auch darum gehen, das Arbeitspensum pro Beschäftigten zu definieren und daraus Rückschlüsse für einen Personalbedarf zu ziehen. Es geht hier mindestens um eine Pflegepersonalregelung, die einen tatsächlichen Bedarf anhand des Kriteriums menschenwürdiger Umgang sowohl mit den Patientinnen als auch mit den im Gesundheitswesen Beschäftigten im Fokus hat. Das gleiche gilt im Übrigen auch für den ÖPNV und darüber hinaus für viele andere Branchen. Die Definition, durchaus in den Branchen unterschiedlich, eines Pensums, also welche Arbeit in einer bestimmten Zeit erledigt sein muss, kann zu einem Stopp der Intensivierung der Ausbeutung zulasten der Beschäftigten gehen. Darüber hinaus würde es zu einem Abbau der jedes Jahr in Millionenhöhe anfallenden und zum Teil unbezahlten Überstunden führen, die Arbeit auf mehr Schultern als bisher verteilen und damit das Lebensstandardniveau von viel mehr Menschen erhöhen. Damit könnte auch die Grundlage gelegt werden für den Wegfall von sozialversicherungsfreien Minijobs, für die Ausweitung von durch das Kapital bisher gewollter Teilzeit hin zu einer Arbeitszeit von mehr als nur 10, 15 oder 20 Stunden die Woche. Die Forderung nach einer Bemessung des Pensums pro Beschäftigten ist daher eine wesentliche.
Aktivitäten Partei
Die Tarifauseinandersetzungen im ÖD und im ÖPNV haben wir zentral mit Artikeln in der UZ und eigenen Tarifinformationen begleitet. Den Fokus auf den ÖPNV haben wir bereits wesentlich vorher, nämlich auf dem letzten Parteitag, gesetzt. Wir sind damals davon ausgegangen, dass es sich hier ebenfalls um eine zentrale Frage der öffentlichen Daseinsvorsorge handelt, die wir mit unserer aktiven Unterstützung begleiten können. Unser Ziel war es, dass möglichst viele Genossinnen und Genossen mit ihren Parteigruppen die Tarifauseinandersetzungen aktiv begleiten, unsere Solidarität gegenüber den Streikenden persönlich zum Ausdruck bringen und die DKP als Angebot damit erfahrbar machen. Im Ergebnis können wir aber feststellen, dass, wenn es überhaupt Aktivitäten der vorbeschriebenen Art gegeben hat, diese bestenfalls im Bereich Gesundheitswesen/Krankenhäuser stattgefunden hat. Nur vereinzelt wurden auf zentralen Streikkundgebungen unsere Tarifinformationen verteilt. Kritisch müssen wir daher fragen, warum unsererseits, natürlich immer mit der Ausnahme von Einzelbeispielen, nicht mehr drin gewesen ist, weshalb wir die vor Ort vorhandenen Möglichkeiten – denn immerhin haben die Beschäftigten gestreikt, fuhren zeitweise Busse und Bahnen nicht – nicht genutzt haben. Allein Corona kann nicht der Grund dafür sein, denn einen Lockdown, wenn man ihn denn so bezeichnen will, gab es erst nach Ende der Tarifauseinandersetzung. Aus meiner Sicht tritt hier ein Widerspruch zwischen dem Erkennen von Notwendigkeiten, nämlich heran an die Arbeiterklasse zu gehen, und der daran anschließenden, mehr als unzureichenden Umsetzung zu Tage. Ich bin gespannt auf die Diskussion heute insbesondere zu diesem Punkt. Als Ergebnis können wir aber heute schon festhalten, dass wir das Ziel der Bildung eines Branchentreffens ÖPNV nicht erreichen werden.
Pharmaindustrie
Lasst mich ergänzend zu Patriks Referat zum Thema Corona noch auf Folgendes hinweisen. Es betrifft hier die Pharmaindustrie. Wer hätte im März letzten Jahres geglaubt, dass wir bis Oktober letzten Jahres einen Impfstoff haben, welcher durch die zuständigen Aufsichtsbehörden im Dezember freigegeben wurde? Hier zeigt sich das unglaubliche Potenzial und die Leistungsfähigkeit der in der Pharmaindustrie Beschäftigten. Und das liegt nicht nur daran, dass sich die Bundesregierung als Teileigentümer und mit Forschungsmitteln als auch durch die Garantie einer großen Abnahmemenge positiv eingebracht hat. Es zeigt, dass wir in der Lage sind, unter kompliziertesten Bedingungen Medikamente und Impfstoffe herzustellen, auch für seltenere Krankheiten, die nur einen kleinen Teil der Menschen betreffen. Dass es nicht gemacht wird, liegt am System des Kapitalismus. Es wird nur dann und intensiv an Medikamenten und Impfstoffen geforscht und diese entwickelt, wenn ein Profit in Aussicht ist. Unterbleibt das, wird eben nicht geforscht und entwickelt und produziert. Wie unter einem Brennglas wird eines deutlich: wenn wir wollen, dass diese Leistungsfähigkeit, dass diese Innovationskraft der Beschäftigten in der Pharmaindustrie auch für Krankheiten und Einschränkungen, die nur wenige Menschen betreffen, gelten, dann muss eines geschehen: die Pharmaindustrie muss in öffentliche Daseinsvorsorge, muss enteignet und vergesellschaftet werden. Ich glaube, es ist wichtig, diesen Zusammenhang auch jetzt verstärkt in die Diskussion zu bringen. Vielleicht können wir ja schon auf dem nächsten Parteitag, ähnlich wie bei den Krankenhäusern, entsprechende Positionen entwickeln und beschließen.
Unternehmensfusion Auto
Ein anderer Aspekt von Corona ist eine Beschleunigungswirkung im ökonomischen Bereich durch Corona. Von einigen Insidern lange erwartet, und in den letzten Tagen jetzt auch der Öffentlichkeit bekannt, findet ein klassischer Prozess der Monopolisierung, der Zentralisation im Kapitalismus statt. Wenn es um Markt und Marktbeherrschung geht, dann führt häufig kein Weg daran vorbei, Konkurrenten klein zu machen, und da, wo es nicht geht, sie aufzukaufen, zu fusionieren. Das ist erneut geschehen im Bereich der Automobilindustrie. Dort hat Peugeot (PSA) mit Fiat Chrysler, welche vorher Opel vereinnahmt haben, fusioniert. Schon jetzt ist absehbar, was die Folge sein wird. Es wird der Abbau von Arbeitsplätzen, die Reduzierung und/oder Verlagerung von Produktionskapazitäten in andere Länder sowie eine weitere Verschärfung des Kampfes um Marktanteile im Automobilsektor sein. Dieses wiederum wird Druck auf die Arbeitsbedingungen und Entgelte der Beschäftigten ausüben. Schon jetzt ist absehbar, dass das Kapital hier versuchen wird, Standorte und Belegschaften gegeneinander auszuspielen. Die Gegenwehr der betrieblichen Interessenvertretungen, hier der Betriebsräte, kann naturgemäß nur schwach sein, da sie ja direkt von den Beschäftigten gewählt werden, die um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze fürchten müssen. Und es gibt nur wenige Betriebsräte, die ihre Solidarität gegenüber den Belegschaften anderer Standorte oder anderer Konzerne aussprechen. Hier ist das Bewusstsein um Klassensolidarität am höchsten entwickelt. Weil dieses aber Einzelbeispiele sind, hat hier die Gewerkschaft eine wichtige Funktion. Die Gewerkschaft ist eben nicht nur in einem Betrieb oder in einem Konzern präsent, sondern in der gesamten Branche. Und für die Gewerkschaft kann es nur heißen, die Angriffe der Kapitalseite soweit es geht zu minimieren, im Kern ein gegeneinander Ausspielen der Beschäftigten, ihrer eigenen Mitglieder und der Standorte nicht zuzulassen. Und das, was für den nationalen Rahmen gilt, gilt erst recht für den internationalen Rahmen. Für die in Gewerkschaften organisierte Arbeiterbewegung ist das eine der größten Schwierigkeiten. Denn es kommt ja nicht nur auf eine Organisation der Beschäftigten in der Gewerkschaft im jeweiligen Land an, sondern auch, um das Bewusstsein, dass sich die nationalen Abteilungen der Arbeiterbewegung nicht gegeneinander ausspielen lassen. Und als weitere Herausforderung ist dann auch noch die Aktionsfähigkeit zu berücksichtigen.
Nun können wir hier wirksame Lösungsansätze im internationalen Rahmen bisher nicht geben. Doch das, was wir können, ist festzuhalten, dass die Automobilproduktion aus der Konkurrenz um Markt und Marktanteile herausgeholt, das Profitstreben beerdigt und stattdessen in eine gesamtgesellschaftliche Planung zumindest auf nationaler Ebene überführt werden muss. Letztendlich sichert dieses nicht nur Arbeitsplätze, im Übrigen durchaus über Einsatz von Arbeitszeitverkürzung mit Lohn und Personalausgleich, sondern kann auch Überproduktion vermeiden. Ja, ich höre schon die Stimmen, wenn ich in meinem Bekanntenkreis genau über diesen Punkt rede. Ihr Kommunisten wollt doch immer alles verstaatlichen. Und ich finde, da können wir durchaus selbstbewusst sagen: das stimmt, denn dadurch nehmen wir Ängste um die Zukunft ernst, weil wir dieses Geschacher um Höchstprofite mit all den negativen Folgen zu Lasten der Arbeitenden und Werktätigen nicht mehr zulassen wollen.
Mangel an Halbleitern
Bevor ich auf die anstehende Tarifrunde der IG Metall komme, lasst mich bitte auf einen Punkt hinweisen, der die Auseinandersetzungen nicht gerade erleichtern wird. Als Folge des tiefen Lockdowns im März letzten Jahres konnte der Logistikbereich, aber auch der internetbasierte Einzelhandel enorme Gewinnzuwächse verzeichnen. Die Kontaktbeschränkungen führten letztlich dazu, dass insbesondere auch im Bereich der Unterhaltungselektronik spürbare Zuwächse zu verzeichnen waren. Wenn denn schon zu Hause sein, dann doch die Zeit vertreiben. Also wurden Fernseher und Spielekonsolen gekauft. Daraus folgt ein zunächst kurios anmutender Zustand. Im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Groß- und Einzelhandel wurde mir dargestellt, dass die Produktion von Unterhaltungselektronik, aber generell auch für Haushaltselektronik, wie zum Beispiel Waschmaschinen, Gefahr läuft, zum Stillstand zu kommen. Hintergrund ist hier, dass es auf dem Sektor der Halbleiterproduktion weltweit zu einer grundsätzlichen Verknappung bei bestimmten Bauteilen gekommen ist. Einerseits sind die Aufträge an die Hersteller der Halbleiter zum Beispiel durch die Unterhaltungsindustrie gestiegen, damit wurden entsprechende Produktionskapazitäten umgewidmet. Hinzu kommen auch bei den Halbleiterherstellern Produktionsausfälle aufgrund von Corona. Meine Befürchtung ist, dass vor dem Hintergrund des inzwischen stark angewachsenen Anteils von Elektronik an der Automobilproduktion, dieses auch Auswirkungen auf die Automobilindustrie gesamt haben wird. Denn wenn benötigte Halbleiter nicht zur Verfügung stehen, dann können auch Autos nicht gebaut werden. Wenn dieser Umstand richtig ist, dann ist weiterer Stellenabbau, zumindest aber Kurzarbeit zu befürchten. Und wie der Presse zu entnehmen war, hat sich dieser Umstand bestätigt. Derzeit sind einige zehntausend Kolleginnen und Kollegen deshalb in Kurzarbeit. Ja, selbst ein kompletter Produktionsstillstand kann nicht ausgeschlossen werden. Die Kampfbereitschaft der um ihren Arbeitsplatz fürchtenden beziehungsweise sich in Kurzarbeit befindlichen Kolleginnen und Kollegen wird es nicht stärken.
Tarifrunde IG Metall
Kommen wir nun zu den anstehenden Tarifauseinandersetzungen im Bereich der IG Metall. Fast alle durch die IG Metall vertretenen Teilbranchen werden in diesem Jahr Tarifrunden führen. Das betrifft zum einen die Metall- und Elektroindustrie, hier ist auch die Automobilindustrie enthalten, mit rund 4 Millionen Beschäftigten, die Eisen-und Stahlindustrie mit rund 105.000 Beschäftigten, die Textil- und Bekleidungsindustrie mit zusammen rund 77.000 Beschäftigten sowie die Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie mit rund 230.000 Beschäftigten. Im Folgenden werde ich mich im Wesentlichen auf die Metall-und Elektroindustrie, und hier zudem auf den Automobilsektor, konzentrieren.
Zunächst jedoch ein paar Rahmendaten. Das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal 2020 um über 11 Prozent eingebrochen. Das gesamte Jahr 2020 hinterlässt ein Minus von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ähnliches gilt für den Export. Dort haben wir zwar zu jedem Zeitpunkt einen Handelsbilanzüberschuss, der jedoch stark schwankt. So hatten wir im März 2020 einen Überschuss mit etwas über 20 Milliarden Euro, im April mit lediglich 1,6 Milliarden und danach eine stetige Erholung auf 17,8 Milliarden im September 2020. Die Arbeitslosenzahl stieg von März 2020 bis in den September 2020 um rund 600.000 Erwerbslose auf rund 2,9 Millionen. Die Kurzarbeit hatte ihren Höchststand im Mai bei 7,3 Millionen und stand im September immer noch auf gut 3,7 Millionen. An dieser Stelle will ich auf eine gemeinsame Aktion von ver.di und NGG hinweisen. Sie haben eine Petition gestartet für ein Mindestkurzarbeitsgeld in Höhe von 1.200 Euro, denn viele Beschäftigte verdienen schon im Normalfall nur wenig mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Vor allem betroffen sind hier Friseurinnen und Friseure, Beschäftigte in Kulturbereich, Hotellerie und Gastronomie. Wir unterstützen diese Petition.
Metall- und Elektroindustrie
In der Metall- und Elektroindustrie (lasst mich kurz einfügen, was es umfasst: neben dem größten Bereich der Automobilindustrie betrifft es die Metallerzeugung ohne Stahl, Metallerzeugnisse, elektronische Ausrüstungen sowie Maschinenbau und Optik) haben wir es im Zeitraum Januar bis August 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit einen Produktionsrückgang um rund 18 Prozent zu tun. Aber bereits im dritten Quartal können wir eine kräftige Erholung feststellen, hier stieg die Produktion um rund 18 Prozent. Deutliche Auswirkungen gibt es auf die Belegschaften. Als erstes fallen die sogenannten Nicht-Stammbelegschaften unter die Räder: so ist in über 51 Prozent der Betriebe Leiharbeit abgebaut worden, in über 30 Prozent der Betriebe sind Werkverträge reduziert worden und in 45 Prozent der Betriebe sind Befristungen schlicht und ergreifend ausgelaufen. Doch das konnte die Stammbelegschaften insgesamt nicht schützen. So gab es in rund 16 Prozent aller Betriebe den Abbau von Personal. Darüber hinaus wurde vom Kapital ein weiterer Stellenabbau von rund 220.000 Stellen angekündigt.
Automobil
Nun einige wenige Daten zum Automobilbereich, hier ebenfalls im Zeitraum Januar bis August 2020 gegenüber dem Vorjahr. Hier gab es einen Einbruch beim Export und bei der Produktion um jeweils rund 36 Prozent, bei Zulassungen um rund 29 Prozent. Die Beschäftigtenentwicklung ist seit 2018 rückläufig, es gab jedoch Corona-bedingt einen großen Sprung in 2020. Von März bis Juli wurden die Stellen um rund 20.000 reduziert. Hinsichtlich der Produktion ist eine Steigerung im dritten Quartal gegenüber dem zweiten Quartal um rund 70 Prozent erkennbar. Wir haben es also mit einer zum Teil kräftigen Erholung zu tun.
Dies bestätigen auch Wirtschaftsinstitute für die Gesamtwirtschaft. So wird für das gesamte Jahr 2020 ein Minus von 5,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes prognostiziert, hingegen in 2021 ein Plus von 4,7 Prozent. Frühestens um die Jahreswende 2021/22 wird damit gerechnet, dass das Niveau wie vor der Corona-Pandemie wieder erreicht wird. Das setzt eine Normalisierung des Wirtschaftslebens voraus, bei dem es zum Beispiel zu keinem weiteren tiefen Lockdown mehr kommt. Hinsichtlich der Entwicklung der Verbraucherpreise (Inflation) lag diese geschätzt im Jahr 2020 bei zwischen 0,5 und 0,6 Prozent, in 2021 wird sie zwischen 1,4 und 2,6 Prozent angenommen. Hinsichtlich des Produktivitätsfortschritts wird hier ein Trend angenommen auf der Basis der Daten von 1996 bis 2020 beziehungsweise von 2000 bis 2019. Die Institute gehen davon aus, dass wir es mit einer Steigerung der Produktivität um 1 Prozent zu tun haben werden.
Zuletzt würde ich gern noch mit wenigen Zahlen auf mögliche Gewinne eingehen. In 2019 konnte beispielsweise Toyota über 22 Milliarden, VW 12 Milliarden, Peugeot/Fiat zusammen 7,3 Milliarden und BMW 5,5 Milliarden Gewinn verbuchen. Für das Jahr 2020 sah es zunächst schlecht aus. Doch gemäß FOCUS-online hat sich im dritten Quartal 2020 die Situation wesentlich verbessert. Die online-Zeitschrift geht davon aus, dass VW, BMW und Daimler für 2020 an die Vorjahresgewinne anknüpfen können, sofern sich die Situation im vierten Quartal nicht grundlegend ändert. Aber, so FOCUS-online, sollten diese Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich alle drei Konzerne immer noch in einer Krise befinden. Der Gewinn wird nicht erreicht etwa durch den Verkauf von mehr Autos. Im Gegenteil, die Absatzzahlen sanken. Der Grund für den Gewinn liegt in der Ausgabenstruktur. So hat beispielsweise Daimler weltweit rund 13.000 Stellen, davon allein 10.000 in Deutschland, gestrichen.
Aber auch andere Themen bestimmen den Rahmen. So die weitere Digitalisierung durch Automatik und Robotik und Anforderungen des Klimaschutzes in Richtung alternativer Antriebsmodelle, hier derzeitig die e-Mobilität. Diesen Strukturwandel, diese Transformation will die IG Metall zum Schutz vor Arbeitsplatzverlust der Beschäftigten begleiten.
Tarifforderungen IG Metall
Vor diesen Hintergründen hat die IG Metall durch Einbeziehung der Beschäftigten mittels online-Befragung Forderungen entwickelt. Bevor ich darauf eingehe nur ein kurzer Rückblick. Die letzte Entgelterhöhung gab es in der Metall- und Elektroindustrie zum Juli 2019 mit dem tariflichen Zusatzentgelt (T-ZUG). Die letzte tabellenwirksame Entgelterhöhung erfolgte im April 2018 mit 4,3 Prozent. In 2020 hatte die IG Metall aufgrund der akuten Corona-Situation darauf verzichtet, die Tabellenentgelte zu erhöhen. Das vorausgeschickt, geht es bei den Forderungen der IG Metall im Wesentlichen um Arbeitsplatzerhalt durch Beschäftigungssicherung.
Sie geht davon aus, dass auch im Zuge von Corona und im Zusammenwirken mit der von ihr sogenannten Transformation Arbeitsplätze massiv gefährdet sind. Sie wollen dem durch eine Verbesserung der Tarifregelungen zur Beschäftigungssicherung durch Modelle der Arbeitszeitabsenkung begegnen. Ihr Vorschlag ist eine optionale Viertagewoche mit Teillohnausgleich. Und bei dieser Forderung handelt es sich nicht nur um ein Gedankenspiel auf Hauptvorstandsebene der IG Metall, sondern Basis waren Ergebnisse aus der Beschäftigtenbefragung 2020. Rund zwei Drittel der Befragten fanden eine solche Option sehr wichtig beziehungsweise wichtig. Dabei wird diese Viertagewoche auch als offensives Instrument verstanden: die Zustimmung der Beschäftigten, die sich grundsätzlich mehr Freizeit wünschen, ist deshalb so hoch. Die IG Metall knüpft mit ihrer Forderung an die seit 1994 vereinbarten Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung an. Danach können Arbeitgeber und Betriebsrat vorübergehend die Arbeitszeit auf 29 Stunden/Woche absenken, wenn Aufträge nicht vorhanden sind und Kurzarbeit nicht mehr möglich ist.
Daneben will die IG Metall einen tariflichen Rahmen für betriebliche Zukunftstarifverträge schließen. Dieser Rahmen soll beispielhaft Standortsicherung, Qualifizierung, Personalentwicklung, Strukturwandel durch Digitalisierung und neue Arten der Mobilität beinhalten. Hier sollen insbesondere die Beschäftigten mit einbezogen werden.
Beim Entgelt fordert die IG Metall eine Erhöhung von 4 Prozent. Begründet wird diese Zahl mit der Zielinflationsrate der EZB von 2 Prozent, die bereits vorher erwähnte Produktivitätssteigerung im Trend von 1 Prozent plus einem Nachholeffekt aus 2020. Bei dieser Forderung handelt es sich nicht um eine reine Entgeltforderung, sondern um eine Volumenforderung. Denn das Volumen soll auch zur Beschäftigungssicherung, wie zum Beispiel für einen Teillohnausgleich bei Arbeitszeitabsenkung, zur Verfügung stehen.
Last but not least fordert die IG Metall die unbefristete Übernahme nach der Ausbildung sowie den Einbezug von dual Studierenden in den Tarifvertrag und eine Angleichung Ost, meint hier Anpassungsschritte zur Beseitigung der Schlechterstellung der Beschäftigten bei Arbeitszeiten und Stundenentgelten.
Bewertung Forderungen
Soweit die Kernforderungen der IG Metall für die Automobilindustrie. Doch wie bewerten wir diese? Hier will ich einen ersten Aufschlag machen und freue mich auf die anschließende Diskussion im Parteivorstand.
Grundsätzlich gilt das, was ich bereits eingangs gesagt habe, nämlich, dass die Automobilproduktion aus der Konkurrenz um Markt und Marktanteile herausgeholt, das Profitstreben beerdigt und stattdessen in eine gesamtgesellschaftliche Planung zumindest auf nationaler Ebene überführt werden muss. Aber die Einsicht in die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderung hin zu einem gesellschaftlichen Eigentümer ist, wenn überhaupt nur bei sehr wenigen IG Metallern, aber in der Breite der Beschäftigten in der Automobilindustrie, gar in der Arbeiterklasse nicht vorhanden. Darüber hinaus gibt es weder bei der IG Metall noch bei anderen Gewerkschaften, ganz zu schweigen vom DGB, allein den Versuch, über alternative Wirtschaftsmodelle zum Kapitalismus nachzudenken und über Diskussionen darüber ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen. Daher bleibt übrig, soweit es geht, die Folgen der kapitalistischen Krise für die Betroffenen zu minimieren. Im Bewusstsein derjenigen, deren Arbeitsplätze dadurch gesichert werden, ist dieses ein Erfolg. Die Notwendigkeit eines Systemwechsels wird dadurch eher verschleiert. Und diejenigen, die aus dem Produktionsprozess herausfallen, resignieren und werden ihre Kraft eher auf den Erhalt ihres Lebensstandards richten als für einen Systemwechsel aktiv zu werden. Um ein altes Bild zu zitieren, hier sind die Gewerkschaften Pfleger am Krankenbett des Kapitalismus. Und aus ihrem Selbstverständnis heraus kritisieren sie ihn zwar, versuchen ihn im Interesse ihrer Mitglieder zu verbessern, aber aktiv für die Abschaffung dieses Systems werden sie nicht.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir nun alles unkommentiert lassen, was Gewerkschaften so fordern. So ist die Idee der Viertagewoche zu begrüßen, gleichzeitig ist die damit zusammenhängende Teilentlohnung abzulehnen. Denn hier zahlen die Beschäftigten durch Verzicht für den Erhalt ihres Arbeitsplatzes, anstatt die bestehenden Gewinne dafür zu nutzen, und nicht an die Aktionäre in Form von Dividenden zu zahlen. Vor dem Hintergrund Gewinnsituation können die Unternehmen durchaus die Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn-und Personalausgleich finanzieren. Selbst für den Strukturwandel beziehungsweise den Transformationsprozess bliebe noch genügend Geld vorhanden.
Darüber hinaus steht zu befürchten, dass Gewerkschaften ihre Gestaltungspflicht auf die Ebene der Interessenvertretungen, hier Betriebsräte, abgeben. Betriebsräte ohne gewerkschaftliche Kampfmöglichkeiten bleiben dabei, Bittsteller zu sein, wenn auch kluge. Diese Verbetrieblichung von Gestaltungsmöglichkeiten durch den Tarifvertrag kann dazu führen, dass in einem Betrieb mit guter Auftragslage das Entgelt insgesamt höher ist als in einen anderen Betrieb mit weniger guter Auftragslage, in der die Arbeitszeitverkürzung und insbesondere der Teillohnausgleich zu einem letztlich niedrigeren Einkommen führt. Ja, sogar innerhalb eines Betriebs kann es dazu kommen, wenn bestimmte Abteilungen schlechter dastehen als andere Abteilungen. Ganz zu schweigen von der Erpressbarkeit der Interessenvertretungen, hier sozialpartnerschaftlich zum „Wohle des Unternehmens“ zu reagieren. Auf längere Sicht bedeutet dieses auch eine Schwächung des Flächentarifvertrags mit einheitlichen Entgelt- und einheitlichen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten einer gesamten Branche. In einem solchen Flickenteppich werden bei zukünftigen Auseinandersetzungen die Belegschaften schwerer zu organisieren sein. Daher sollte mindestens geregelt werden, dass die Inanspruchnahme von Arbeitszeitverkürzung bei Teillohnausgleich nicht losgelöst von der Zustimmung der zuständigen gewerkschaftlichen Vertretung sein darf.
Aktivitäten Partei
Aus den Ausführungen wird deutlich, dass wir auf verschiedenen Feldern der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit Handlungsbedarf haben. Bezogen auf die IG-Metall-Tarifrunde heißt das, dass wir natürlich auch diese Tarifrunde begleiten werden, auch wenn wir hier mitgliedermäßig schwach aufgestellt sind. Eine regelmäßige Berichterstattung in der UZ, mit unterschiedlichen differenzierten Berichten – ähnlich wie die Berichterstattung zur Tarifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst – wäre wünschenswert. Ebenso – wenn gewünscht – eine Tarifinformation, die durch die Parteigruppen vor Metallbetrieben verteilt werden kann. Darüber hinaus werden wir, wenn die Bezirke endlich entsprechende Ansprechpartner melden, uns eine Position zur Automobilindustrie erarbeiten. Bisher hat der Bezirk Ruhr jemanden genannt, Baden-Württemberg hat bereits auf der letzten PV Tagung erwähnt, dass sie an einem ähnlichen Papier arbeiten.
Unabhängig von dieser konkreten Tarifrunde, aber sehr wohl notwendig, werden wir in der BuG-Kommission unsere allgemeinen Standpunkte zur Tarifpolitik festhalten. Ähnlich also wie die bisher herausgegebene Handlungshilfe zur BuG-Arbeit wollen wir hier eine allgemeine Orientierung für Tarifkämpfe geben, Aktionsmöglichkeiten aufzeigen, aber auch einige Grundlagen beispielsweise für eine aktive Lohnpolitik vermitteln, damit Grundorganisationen handlungsfähig sind und nicht immer das „Rad neu erfinden müssen“.
Wir sollten überlegen, inwieweit wir noch mehr als bisher die Krisenauswirkungen auf die Arbeiterklasse verdeutlichen können. Hierzu sind stärkere Analysen der Lage notwendig, damit unsere Gruppen auf genügend Argumentationshilfe zurückgreifen können. Das kann über die UZ gewährleistet werden, aber auch über die Marxistischen Blätter. Letztere haben in der zweiten Ausgabe in diesem Jahr den Schwerpunkt „Brennglas Corona – Wer zahlt für die Krise“, die für die Arbeit vor Ort genutzt und vertrieben werden sollten.
In Auswertung unserer Diskussion auf der 3. PV-Tagung und unserer Bilanz der eigenen Arbeit sollen die Themen in der BuG-Kommission begleitet werden und die Kommission selbst nicht nur auf die Bezirksverantwortlichen beschränkt werden, sondern auch wieder die in BuG aktiven Genossinnen und Genossen – die die es wollen – einbezogen werden. Künftig müssen die behandelten Themen so konkret dargestellt werden, dass sie Umsetzungsmöglichkeiten aufzeigen.
Betriebsrätestärkungsgesetz
In einigen, im Wesentlichen größeren Betrieben, gibt es jetzt schon Planungen für dieses Jahr, um erfolgreich die regulär in 2022 stattfindenden Betriebsratswahlen durchzuführen. Eine Sorge muss uns die geringer werdende Anzahl von Betriebsräten bereiten. Ja, es stimmt, Betriebsräte können aufgrund Gesetzes nicht die Stellung von Gewerkschaften im Betrieb einnehmen, und vielleicht ist das auch ganz gut so. Aber zu ihren Aufgaben gehört es, die Einhaltung bestehender Schutzgesetze sowie Tarifverträge zu überwachen und aktiv in die betriebliche Arbeitsgestaltung einzugreifen. Generell kann gesagt werden, dass die Belegschaften ohne Betriebsräte schlechter dastehen als in Betrieben mit einer Interessenvertretung.
Zahlen aus 2019 belegen, dass in den betriebsratsfähigen Betrieben in Westdeutschland nur noch 9 Prozent und in Ostdeutschland nur noch 10 Prozent einen Betriebsrat haben. Damit werden lediglich im Westen 41 Prozent und im Osten 36 Prozent der dort beschäftigten Kolleginnen und Kollegen von Betriebsräten vertreten. Die Anzahl der Betriebsräte ist seit längerer Zeit rückläufig, sie entsteht unter anderem auch durch Insolvenzen, Stilllegungen und Fusionen von Unternehmen. Signifikant ist, dass im Wesentlichen Betriebe mit weniger als 200 Beschäftigten davon betroffen sind.
Ende Dezember des letzten Jahres hat Hubertus Heil einen Referentenentwurf für ein Betriebsrätestärkungsgesetz zur Diskussion gestellt.
Danach soll im Betriebsverfassungsgesetz unter anderem verändert werden:
- Änderung bei der Aufstellung von Wahlvorschlägen sowie ein besserer Kündigungsschutz für diejenigen, die in einem Betrieb zum ersten Mal die Wahl zum Betriebsrat veranlassen.
- Formalien für Beschlussfassungen in Video- beziehungsweise Telefonkonferenzen, die erleichterte Hinzuziehung eines Sachverständigen für den Betriebsrat für den Bereich Informations- und Kommunikationstechnik, die Ausweitung zwingender Mitbestimmung bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit sowie eine stärkere Stellung der Betriebsräte bei Maßnahmen der Berufsbildung.
Das soll nur ein kurzer Überblick gewesen sein, ausführlicher werden wir in der UZ darüber berichten.
Lasst mich zum Abschluss und am Rande nur noch feststellen zu diesem Thema, dass eine Ausweitung der zwingenden Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, also das Was und das Wie der Produktion, nicht vorgesehen ist. Im Übrigen war es auch nicht zu erwarten.
Auch dieses Thema macht deutlich, dass wir uns grundsätzlich mit der Arbeit von Betriebsräten, dem Betriebsverfassungsrecht und unseren Reformforderungen sowie generell mit unserem Verhältnis zur Mitbestimmung auseinandersetzen müssen. Dies vor dem Hintergrund, dass unsere Mitglieder zu einem immer größer werdenden Teil unsere früheren Diskussionen und Beschlüsse dazu nicht mehr kennen. Diese aber auch auf die heutigen Verhältnisse angepasst werden müssen.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit, und ich freue mich auf die Diskussion.