Mein Bauch sagt mir, dass wir 2025 im Krieg mit China sein werden“, wird der ranghohe US-Air Force-General Michael Minihan in einem Artikel der „Time“ zitiert. Minihans Bemerkungen seien nur die letzten in einem besorgniserregenden, sich herausbildenden Konsens, dass „die USA und China zu einem Waffengang über Taiwan bestimmt“ seien. Ein Krieg gegen China wegen Taiwan, das Washington offiziell als Teil Chinas anerkennt, bedeutet, dass die US-Regierung Krieg wegen interner Angelegenheiten der Volksrepublik zu führen gedenkt.
De facto ist die territoriale Souveränität Chinas für Washington natürlich kein Thema, wenn es darum geht, seinen globalen Vormachtanspruch zu verteidigen. Die „Nationale Sicherheitsstrategie“ des US-Präsidenten vom März 2021 charakterisiert China als den „einzigen Wettbewerber“, der potentiell dazu in der Lage sei, seine Kräfte zu „einer dauerhaften Herausforderung für ein stabiles und offenes internationales System“ zu bündeln. Der Begriff „stabiles und offenes internationales System“ ist ein Euphemismus für US-Vorherrschaft und „Wettbewerber“ darf mit „strategischer Gegner“ übersetzt werden. Und die „Herausforderung“ durch diesen „Wettbewerber“ passiv hinzunehmen ist Washington natürlich nicht gewillt.
Und so mehren sich die US-„Aktivitäten“ in und um Taiwan und China – von Nancy Pelosis Taiwan-Besuch bis zu den nunmehr inflationären wie absurden Wetterballonabschüssen. Die US-Führung ist sich im Klaren, dass sich das Zeitfenster rasch schließt, in dem eine – zumindest erfolgreich scheinende – Militäraktion gegen die Volksrepublik möglich ist. General Minihan hat als Datum 2025 genannt. Der Ukraine-Krieg hat vor allem die industriellen Schwächen der US- und NATO-Militärmaschine offengelegt. Will man gegen die industrielle Supermacht China kämpfen, muss man die militärindustriellen Kapazitäten des Westens drastisch ausweiten. Ob und inwieweit das dem deindustrialisierten Westen – vor allem dem angloamerikanischen Kern des NATO-„Bündnisses“ – möglich ist, ist eine andere Frage.
Aber was wird dann aus dem Ukraine-Krieg? Aus der Pentagon-Perspektive läuft die Sache ohnehin nicht rund. Der offiziell hochgehaltene Siegfrieden Kiews mit der Räumung der von Russland gehaltenen Gebiete einschließlich der Krim ist irreal. Aus Pentagon-Sicht wird es Zeit, die Sache zu beenden und sich dem letztendlich wichtigeren China-Problem zuzuwenden. Entsprechend hat sich der dem Militär nahestehende US-Thinktank „RAND Corporation“ positioniert: „Die Fähigkeiten der USA, sich auf ihre anderen globalen Prioritäten zu fokussieren – insbesondere auf den Wettbewerb mit China –, werden begrenzt bleiben, solange der Krieg (mit der Ukraine – K. W.) die Zeit der führenden Politiker und die US-amerikanischen militärischen Ressourcen absorbiert“, schreibt RAND in einer Studie mit dem Titel „Einen langen Krieg vermeiden – US-Politik und der Verlauf des Russland-Ukraine-Konflikts“. US-Generalstabschef Mark Milley hatte schon im November 2022 einen baldigen Sieg des ukrainischen Militärs für unwahrscheinlich gehalten und sich für eine Verhandlungslösung ausgesprochen. Im Gegensatz zu den neokonservativen Hardlinern des Außenministeriums und des Weißen Hauses will das Pentagon möglichst in absehbarer Zeit den Ausstieg aus dem Ukraine-Konflikt organisieren, um freie Hand gegen China zu haben. Der Ukraine-Konflikt hat die Militärarsenale des Westens deutlich entleert, die ukrainische Armee steht im strategisch wichtigen Raum bei Artjomowsk (im Zuge der ukrainischen „Entkommunisierungsgesetze“ 2016 in Bachmut umbenannt) vor dem Zusammenbruch. Auch wenn die Propaganda des Westens und dessen Kiewer Marionetten andere Töne anschlagen: Den kühler kalkulierenden Militärstrategen ist natürlich klar, dass hier nicht mehr viel zu holen ist.
Damit ist klar, dass die Pläne der US-Neocons, beide eurasische Hauptmächte gleichzeitig niederringen zu können, keine Basis haben. US-Präsident Joseph Biden hat die US-Bürger in seiner jährlichen Selbstbeweihräucherungsrede „zur Lage der Nation“ beschworen: „Den Wettbewerb mit China zu gewinnen, sollte uns alle vereinigen. Wir sehen uns mit ernsthaften Herausforderungen in der ganzen Welt konfrontiert.“ Den Krieg um die Halbleiterchips hat Biden ja schon begonnen. Das Pentagon baut seine Präsenz auf den Philippinen aus und rüstet Japan zu einer antichinesischen Interventionsmacht hoch. Das Ziel ist, die „Erste Inselkette“ um China zu schließen. Das Inselkettenkonzept stammt aus der Feder von John Forster Dulles aus den 1950er-Jahren – damit sollte die Volksrepublik isoliert werden. Die erste, es gibt drei, verläuft von Japan über Taiwan und die Philippinen bis Borneo.
Laut „Wall Street Journal“ hat der Chef des US-Strategic Command, General Anthony Cotton, vor dem US-Kongress zu Protokoll gegeben, dass die Anzahl der chinesischen Abschussbasen für atomare Interkontinentalraketen die der USA übersteige. China erreiche sehr schnell die Parität zu den USA, alarmierte der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses des Repräsentantenhauses, Mike Rogers: „Wir können nicht erlauben, dass das passiert. Die Zeit für uns, die Position unserer Streitkräfte neu zu justieren, ist jetzt.“ In der Realität ist das US-Arsenal an diesen Abschussbasen etwa 13 mal größer als das der Volksbefreiungsarmee. Aber Realitäten interessieren in den PR-Abteilungen des „Wertewestens“ ohnehin niemanden mehr.