Die VR China im Fadenkreuz der US-Zollpolitik

Vor dem Handelskrieg

Von Klaus Wagener

Trump verhängt Milliardenzölle gegen China“, meldet die „FAZ“, „Trump lässt von Europa ab – und stürzt sich auf China“, jubelt die „Welt“. Und „Trumps Strafzölle könnten das weltweite Handelssystem zerstören“, sah die „Süddeutsche Zeitung“ schon den Untergang des Abendlandes.

Die ökonomische Auseinandersetzung nimmt konkretere Formen an. Die allgemeinen Zollforderungen des US-Präsidenten auf Stahl und Aluminium, auch von Zöllen auf Mercedes und BMW war schon die Rede, waren von der EU, insbesondere von Deutschland als klare Kampfansage aufgefasst worden. Allmählich kristallisiert sich der politökonomische Kern des anhaltenden Trump-Bashing heraus. Trump ist den strategischen Zirkeln, auch Deutschlands, als Protektionist ein Ärgernis, seine Politik gegen Minderheiten oder Frauen spielt dabei kaum eine Rolle. Nun hat Deutschland bzw. die EU einen zumindest temporären Erfolg gelandet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte an EU-Handelskommisarin Cecilia Malmström vorbei in Washington verhandelt und dabei offenbar deutsch-europäische Zugeständnisse bei den Pkw-Zöllen in Aussicht gestellt. Die US-Amerikaner verlangen Zölle von 2,5 Prozent, die EU 10 Prozent auf Automobile. Dafür, so sieht es aus, ist die EU zunächst von Trumps Zollforderungen ausgenommen worden. Zunächst. Klar ist, dass auch der EU-Protektionismus Zugeständnisse machen muss, um in Washington zu dauerhaften Ausnahme-Lösungen kommen zu können.

Damit fokussiert sich Trumps Stoßrichtung klar in Richtung Asien. Vor allem gegen Taiwan, Japan und die Türkei, und natürlich in Richtung der üblichen Verdächtigen Russland und VR China. Trumps Zoll-Offensive stimmt hier mit der geostrategischen „Logik“ des „freien Westens“ überein. Entgegen dem öffentlich so leidenschaftlich mobilisierten Freihandelsenthusiasmus ist die EU und insbesondere die Bundesrepublik ein beinharter Protektionist, wenn es um die Interessen hiesiger Konzerne geht, mit Zöllen auf chinesische Stahlprodukte, Solarpanels, Fahrräder, Haushaltsgeräte, Lebensmittel und vieles mehr. Allein 2017 betrieben die ach so handelsliberalen Europäer über 100 „Anti-Dumping-Verfahren“ gegen chinesische Produzenten. Faktisch gibt es EU-Zölle für 53 chinesische Produkte. Mit im Schnitt 45, im Maximum 126 Prozent Zoll. Wenn die US-Regierung nun ihrerseits gegen die chinesischen Importe vorgeht, so übt sie sich eher im Schulterschluss mit dem, was in der Propaganda so gern „Freier Westen“ genannt wird. Ausgenommen sind bislang Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, die EU, Mexiko, Neuseeland und Südkorea. Diese Staaten stehen für zwei Drittel der US-Stahlimporte, womit der geostrategische Aspekt der Zollforderungen mehr als deutlich wird.

„Trump schlägt China mit den Zöllen, auf die wir alle gewartet haben“, titelt denn auch der geostrategische Think-Tank „Stratfor“: „Es werden nicht die letzten sein (…), Peking ist in Washingtons Fadenkreuz.“ Das werde China nötigen, in irgendeiner Form zu antworten, wodurch die USA den Prozess weitertreiben könnten. Immerhin geht es um etwa 1 300 Warenkategorien, vorwiegend im strategischen und Hightech-Bereich. IT-Technologie, Robotics, High-tech-Schiffs- und -Eisenbahnprodukte, E-Fahrzeuge, High-tech-Medizinausrüstungen beispielsweise. Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer wird in den nächsten 15 Tagen eine genaue Liste dieser Güter präsentieren. Ziel ist ein Volumen von 50 bis 60 Mrd. US-Dollar.

Der etwas exotische Ökonom Peter Navarro („Death by China“, 2011), einer der einflussreichen Wirtschaftsberater Trumps, brachte in einem CNN-Interview noch zusätzliche Kontigentierungen ins Spiel: „Jedes Land, welches nicht mit Zöllen konfrontiert ist, wird Quoten zu beachten haben, so dass wir unsere Aluminium- und Stahl-Industrie schützen.“ Völlig aus dem Schneider ist die EU und mit ihr Deutschland also noch nicht. Auch Trump hat den EU-Protektionismus schon als „ökonomische Aggression“ bezeichnet, die EU habe hohe Zölle und Handelshemmnisse, welche ihr erlaubten, mit den USA Handel zu treiben, den USA aber nicht mit der EU.

Die USA haben 2017 Waren für 130 Mrd. Dollar nach China exportiert. Peking hat umgehend reagiert und eine Antwort auf die US-Zollpolitik angekündigt, welche die republikanische Basis in Kansas, Texas, Iowa, Nebraska, Indiana und Missouri übel treffen könnte. Die Frage ist, ob sich die Volksrepublik auf dieses Rennen in den Abgrund einlässt. Immerhin exportiert die chinesische Wirtschaft Waren im Wert von 2,1 Billionen Dollar (2016). 25 Prozent Zoll auf 60 Mrd. Dollar entspricht überschaubaren 3 Prozent des Exportvolumens. Andererseits steht der chinesische Staatspräsident Xi Jinping für ein selbstbewusstes Auftreten der chinesischen Führung. Ob dieses Selbstbewusstsein sich damit verträgt, untätig von Trump „mit Zöllen geschlagen“ zu werden, ist eine andere Frage.

Gut 10 Jahre hat es gedauert. Nun ist es soweit. Die schöne Globalisierungsfassade ist gefallen. Der Handelskrieg steht vor der Tür. Solange alle gut verdienten, fiel das Bekenntnis zu freiem Handel und freiem Unternehmertum ziemlich leicht. Dummerweise ist der Kapitalismus eine krisenhafte Veranstaltung. 2007 war es wieder soweit. Es fehlte damals nicht an hehren Schwüren, diesmal sei alles anders, man habe aus der Krise in den 1930er Jahren gelernt. Kein Protektionismus, weiter Freihandel und gegen den Nachfrageausfall half unendlich verfügbares Geld der Zentralbank.

Mittlerweile steht das Imperium mit 20 Billionen Dollar in der Kreide. 19 Prozent seiner Auslandsanleihen werden von Peking gehalten. Die Infrastruktur des Landes liegt darnieder, große Teile der Industrie sind nach Asien verlagert worden. Mit Donald Trump im Weißen Haus scheint die „Friede-Freude-Eierkuchen“-Politik vorbei zu sein. Es spricht einiges dafür, dass Trump den Deal aufkündigt, nachdem die USA als Konsument der letzten Instanz – gegen chinesischen Kredit – die überschüssige Warenproduktion der halben Welt aufkauft.

Seit der chinesischen Wende Anfang der 1970er Jahre stand die Volksrepublik mehr oder weniger unter US-amerikanischer Protektion. Zunächst als strategischer Partner gegen die SU, dann als Boomtown im Globalisierungsrausch, der für höchste Profite stand. Nun, zum strategischen Herausforderer des schwächelnden Imperiums aufgestiegen, gerät sie, wie die Atommacht Russland, ins Fadenkreuz. Mit der Initiative eine „Neuen Seidenstraße“ hat Peking ein Konzept zur infrastrukturellen Durchdringung  der gewaltigen Landmasse Eurasien und Teilen Afrikas vorgelegt. Eine gewaltige Herausforderung für das Imperium, die offenkundig nicht ohne Antwort bleibt.

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"Vor dem Handelskrieg", UZ vom 29. März 2018



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