Das Land am Kap und der dramatische Wandel der internationalen Lage

Vor dem BRICS-Meeting in Südafrika

Der russische Präsident Wladimir Putin wird am diesjährigen Treffen der BRICS-Staaten vom 22. bis zum 24. August in Südafrika nicht teilnehmen. Die südafrikanische Führung unter Präsident Cyril Ramaphosa hätte sich dem Risiko massiver Sanktionen und möglicher Verluste von Exporteinnahmen ausgesetzt, wenn sie der Forderung des „Wertewestens“, das russische Staatsoberhaupt zu verhaften, nicht nachgekommen wäre.

Dieser außergewöhnliche Umstand macht die Schwäche und Angreifbarkeit einzelner BRICS-Staaten deutlich. Nur die Russische Föderation und die VR China verfügen über die Stärke und Entschlossenheit, den Kommandos aus Washington entschieden entgegenzutreten. Die strukturelle Stärke des US-amerikanischen Imperiums ist nicht zu unterschätzten, auch wenn seine Führung derzeit einen ziemlich desperaten Eindruck macht.

Südafrika ist hinsichtlich seiner ökonomischen, technologischen und militärischen Fähigkeiten sowie der Flächengröße und Einwohnerzahl das bei weitem schwächste Land der BRICS-Gruppe. Ebenso wie Brasiliens Präsident Lula da Silva ist auch Ramaphosa innenpolitisch mit starken Gegenkräften konfrontiert.

Nach Nigeria ist Südafrika der Staat mit der zweitstärksten Wirtschaftskraft des afrikanischen Kontinents. Das dürfte der entscheidende Grund gewesen sein, das Land 2010 in die – damalige – BRIC-Gruppe aufzunehmen.

Die Rauferei der imperialistischen Großmächte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um kolonialen Besitz, Transitwege und Einfluss – und letztlich um die Aufteilung des Kontinents – ist auf neue Weise entbrannt. Diesmal verfügt der Globale Süden allerdings über eine Alternative und wird vom Ausbeutungsopfer zum handelnden Akteur. Das wurde durch die Ukraine-Initiative der afrikanischen Staatschefs deutlich. Ein weiterer Hinweis ist das zweite russisch-afrikanische Meeting Ende Juli in St. Petersburg. Trotz westlicher Einflussnahme beteiligten sich Vertreter von 49 der 54 afrikanischen Staaten. Putin betonte die gemeinsame Tradition des antikolonialen Befreiungskampfes und erinnerte an die umfangreichen Hilfen Russlands. Dazu gehören die Streichung von Schulden in Höhe von 23 Milliarden US-Dollar, Ersatz für ukrainisches Getreide und die kostenlose Getreidelieferung an sechs besonders arme Staaten.

Beim BRICS-Treffen in Johannesburg werden wichtige Entscheidungen erwartet. Die Zuspitzung des US-amerikanischen hybriden Krieges um die Weltherrschaft – in der Ukraine sowie hinsichtlich Taiwans – schafft die Möglichkeit und Notwendigkeit für die Staaten des Globalen Südens, der Arabischen Halbinsel sowie Asiens, sich zu positionieren: Unterordnung unter die Interessen des imperialistischen Westens oder der schwierige Weg der nationalen Souveränität.

Die BRICS-Staaten stellen die Alternative dar. Sie haben hinsichtlich des Bruttoinlandsprodukts die G7-Länder überholt. Auch in Bezug auf die materielle Industrieproduktion – also das, was letztlich wirklich zählt – haben sie die weitgehend deindustrialisierten westlichen Staaten hinter sich gelassen.

Mehr als 40 Staaten sollen formell oder informell ihr Interesse an einer Aufnahme in die BRICS-Gruppe bekundet haben. Diese steht also vor gewaltigen Aufgaben: Sie muss die große Zahl sehr heterogener, zum Teil mit hohen Erwartungen in die BRICS-Strukturen drängender Staaten integrieren. Um sich von den repressiven und ausbeuterischen Bindungen an die imperialistischen Staaten zu lösen, müssen eigenständige Alternativstrukturen – vor allem Wirtschaftsbeziehungen und Finanzmechanismen als Alternative zum Dollarsystem – entwickelt werden. Der Aufbau der globalen Dollar-Hegemonie benötigte nahezu ein Jahrhundert, alle Beteiligten investierten massiv in dieses System und das US-Imperium verteidigt es mit Zähnen und Klauen – das macht die Dimension dieser Herkulesaufgabe zumindest ansatzweise deutlich.

Das realistische Ziel in Johannesburg dürfte lauten, R5 zum Laufen zu bringen. R ist der Anfangsbuchstabe aller bisherigen BRICS-Währungen (Real, Rubel, Rupie, Renminbi, Rand). Die Verwendung dieser Währungen für den internen BRICS-Austausch – und zunehmend auch für den Austausch mit anderen Staaten – dürfte ein wichtiger Schritt zur weiteren De-Dollarisierung sein. Die Etablierung eines eigenständigen, gold- und rohstoffbasierten internationalen Zahlungsvehikels als Alternative zum US-Dollar dürfte noch etliche Jahre in Anspruch nehmen, wenngleich der Bedarf nach dem Raub der russischen Auslandsreserven enorm gestiegen ist.

Die Aufgabe der BRICS-Staaten besteht in der Schaffung von Organisationsstrukturen und Organisationsprinzipien, welche die organische Integration einer großen Zahl von Interessenten ermöglicht. Die ökonomische, finanzpolitische, infrastrukturelle und technologische Integration muss vorangetrieben werden. Je mehr dies gelingt, desto größer wird die Möglichkeit, sich von der imperialistischen Vorherrschaft zu befreien. Das schafft die Voraussetzung zur nationalen und sozialen Befreiung der arbeitenden Klassen in den ehemaligen Kolonien. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.

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"Vor dem BRICS-Meeting in Südafrika", UZ vom 11. August 2023



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