Profitiert die AfD bei den kommenden Landtagswahlen vom Brexit?

Von Skepsis bis Jubel

Von nh

Wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern fühlt sich die AfD durch die Brexit-Entscheidung der Briten gestärkt. Davon zeugen auch Wahlumfragen. Ihre führenden Politiker sind sich aber in ihrer Einschätzung (noch) nicht einig. Während die einen ein ähnliches Referendum in Deutschland fordern, ist der AfD-Vize Alexander Gauland vorsichtiger.

Er bedauere den Austritt Großbritanniens, erklärte Gauland bei einer Pressekonferenz des Parteivorstands in Berlin. Denn die Briten seien Pragmatiker, die bislang geholfen hätten, in der EU zumindest das Schlimmste zu verhindern. Doch jetzt ließen die Briten die anderen allein. „Ich glaube, Frau Merkel hat mit ihren offenen Grenzen die Briten aus Europa vertrieben.“ Die offenen Grenzen und die ungeregelte Zuwanderung hätten die Neinsager zuletzt stark genug für den Sieg gemacht. Gauland lobte, dass in Großbritannien das Volk in einer existenziellen Frage selbst entschieden habe und forderte, eine solche Möglichkeit solle es grundsätzlich auch in Deutschland geben. Doch im Moment sei das nicht das Thema. Jetzt müsse es vielmehr darum gehen, dass die EU sich reformiere, dass Brüssel aufhöre, sich in den einzelnen Ländern immer und überall einzumischen.

Die Parteivorsitzende Frauke Petry, die zur Pressekonferenz gar nicht eingeladen war, beglückwünschte die Briten in E-Mails zu ihrer Entscheidung: „Die Zeit ist reif für ein neues Europa, für ein Europa der Vaterländer, in dem wir friedlich miteinander Handel treiben, partnerschaftliche Beziehungen pflegen und der Wille des nationalen Souveräns geachtet wird.“ Auch ihr Co-Parteichef Jörg Meuthen vermied eine klare Festlegung. Georg Pazderski, Spitzenkandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September, erklärte gar: „Die AfD ist nicht für den Austritt aus der EU.“

Sie habe „geweint vor Freude“, triumphierte dagegen AfD-Vizechefin Beatrix von Storch. Das europäische Projekt sei gescheitert.

Der thüringische AfD-Fraktionschef Björn Höcke sprach von einem „Freudentag für Europa“ und forderte einen Volksentscheid über den Verbleib Deutschlands in der EU: „Ich weiß, auch das deutsche Volk will mehrheitlich raus aus der EU-Sklaverei.“ Die Briten hätten mit ihrem Votum „den Weg des kollektiven Wahnsinns“ verlassen.

Obgleich seit Monaten im Parteivorstand der AfD ein Machtkampf tobt und Frauke Petry massiv in der Kritik steht, scheint das der Rechtsaußenpartei nicht zu schaden: Bereits vor dem britischen Mehrheitsvotum für einen Brexit wies vieles daraufhin, dass die AfD in Mecklenburg-Vorpommern viele Wählerinnen und Wähler erreichen kann. In Umfragen wächst die Zustimmung für die Rechtsaußenpartei seit Monaten – Ende April lag die AfD mit 18 Prozent nicht mehr weit hinter CDU (24 Prozent) und SPD (22 Prozent). In Sachsen-Anhalt wurde die AfD bei der Landtagswahl im März bereits zweitstärkste Kraft. In Berlin lag die Partei Mitte Juni bei einer Umfrage immerhin bei 15 Prozent. Es wird sich zeigen, ob der Trend anhält.

Hinzu kommt: Im Nordosten wird die NPD in den insgesamt 36 Wahlkreisen Mecklenburg-Vorpommerns diesmal keine Direktkandidaten aufstellen. Das bestätigte ein Sprecher der Partei dem NDR (NDR, 22.6.). Damit verzichtet die NPD auf sämtliche Erststimmen, weil sie keine Chance sieht, mit Direktkandidaten in den Landtag einzuziehen. Vize-NPD-Landeschef David Petereit erklärte, wichtig für den Wahlerfolg sei allein die Zweitstimme. Auch davon könnte die AfD profitieren. Bei der letzten Landtagswahl holte die NPD in Mecklenburg-Vorpommern knapp 40 000 Erststimmen (5,8 Prozent). Gerade in den östlichen Landesteilen könnten diese Stimmen die Chancen der AfD auf Direktmandate erhöhen. Dort hatte die NPD 2011 bei den Erststimmen teilweise zweistellige Ergebnisse erreicht.

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"Von Skepsis bis Jubel", UZ vom 1. Juli 2016



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