Vor 20 Jahren erschien das Buch „Geheimdienst, Politik und Medien: Meinungsmache Undercover“ von Erich Schmidt-Eenboom. Der Friedensforscher und investigative Journalist mit einem Schwerpunkt auf der Arbeit zu Geheimdiensten hatte seine Rechercheergebnisse zur Zusammenarbeit von Journalisten, Medien und Geheimdiensten bereits 1998 veröffentlicht und musste sich deswegen gegen hochbezahlte Anwaltsfabriken, die herrschenden Medien, den BND und den Verfassungsschutz wehren. Gerichtsauflagen zwangen ihn zum Umschreiben, bevor er 2004 dann den Nachfolgeband unter obigem Titel neu publizierte. Trotz der Hürden und Zensurversuche wurden – gerade auch in den verlorenen Prozessen – namhafte Journalisten als Schreibagenten des BND geoutet. Diether Dehm nahm das 20-jährige Jubiläum zum Anlass, um mit Erich Schmidt-Eenboom zu sprechen.
UZ: Der für seinen Antikommunismus berüchtigte Gerhard Löwenthal, damals unter anderem Moderator des „ZDF-Magazins“, gehörte zu denjenigen, die Sie verklagt haben. Dabei war seine Zusammenarbeit mit dem BND doch durch seine eigene Aussage belegbar?
Erich Schmidt-Eenboom: Vor Gericht mit seinem Bekenntnis konfrontiert, verstieg sich der Fernsehmann zu der Aussage, dass er dies vor der Kamera einfach so dahingesagt hätte. In zweiter Instanz mit einem Streitwert von 240.000 DM kam das Münchener Gericht dann wenigstens zu der Auffassung, meine Vorwürfe hätten „nach den Gesamtumständen die einer Diffamierungsabsicht widersprechende Sachnähe (…). Die dieser Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen sind nicht unwahr; hierüber kritisch zu berichten ist ein legitimes Motiv.“ Allerdings ging ein Folgeverfahren dann ganz zu meinen Lasten.
Erst 2017, einige Jahre vor seinem Tod, gab Löwenthal dann den Fernsehjournalisten Peter F. Müller und Michael Mueller ein ausführliches Interview. In diesem gab er seine engen Beziehungen, die vom ZDF-Intendanten Karl Holzamer (Deckname „Hupperz“) persönlich eingefädelt worden waren, freimütig und detailreich zu.
UZ: Wie sah es mit der Vernetzung unter den rechtslastigen Journalisten aus? Löwenthal soll zahlreiche Kontakte zu anderen BND-Konfidenten unterhalten haben.
Erich Schmidt-Eenboom: Einer davon war Paul Limbach, Deckname „Limes“, mit reichlich Schmiergeld als Spürhund der Illustrierten „Quick“ im Bonner Geheimdienst- und Polit-Dschungel unterwegs. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt für den BND gearbeitet oder war sonst wie für den BND tätig“, begann die eidesstattliche Versicherung, mit der Limbach das Unschuldslamm spielte. Erst im Berufungsverfahren vom Januar 1999 musste er jedoch sechs Siebtel der Prozesskosten übernehmen.
Der Mitarbeiter der unabhängigen Historikerkommission des BND Jost Dülfer konnte 2018 aus einer BND-Akte vom April 1968 nachweisen, dass Limbach zu dem kleinen Kreis von Journalisten zählte, die bevorzugt mit Material aus dem BND versorgt wurden. Auch das MfS (Ministerium für Staatssicherheit der DDR) war 1973 in den Besitz von Limbachs Sammlung mit Visitenkarten und Kontaktdaten im Umfang von 160 Seiten gekommen. Darin fanden sich private und dienstliche Telefonnummern führender BND-Mitarbeiter sowie ein breites Spektrum von Zuträgern aus dem Bonner Raum: Mitarbeiter der Sicherungsgruppe Bonn des BKA und des Verfassungsschutzes, Barfrauen, Oberkellner und ein Informant aus Bebenhausen, der die Schlafzimmergeheimnisse von Kurt Georg Kiesinger an Limbach verkaufen wollte.
UZ: Was war damals der gravierendste Fall?
Erich Schmidt-Eenboom: Mit insgesamt sechs Prozessen das Verfahren, das der Chefredakteur der „Bild“-Zeitung Peter Boenisch, laut BND erstrangiger Verbindungsmann mit dem Decknamen „Bongert“, vor dem Landgericht Berlin gegen mich und meinen Verlag anstrengte.
Sein Prominentenanwalt Matthias Prinz legte den Richtern eine eidesstattliche Versicherung seines Mandanten vor: „Während meiner fast 50-jährigen Tätigkeit als Journalist, inklusive meiner Zeit als Chefredakteur der ‚Bild‘, der ‚Welt‘ und meiner Zeit als Staatssekretär, hatte ich gelegentlich journalistisch veranlasste Kontakte zu dem jeweiligen BND-Chef. (…) Meine Kontakte beschränkten sich immer auf das in meiner jeweiligen Position gerade noch vertretbare Minimum. Ich habe insbesondere niemals irgendwelche Tätigkeiten für den BND ausgeübt“, versicherte der ehemalige Regierungssprecher Helmut Kohls. Er räumte aber ein, dreimal mit BND-Präsident Gerhard Wessel in Pullach gespeist zu haben.
Gegen Boenisch verlor ich auf der ganzen Linie – mit dem seltsamen Urteil, ich dürfe nicht durch die Verbreitung von internen BND-Aufstellungen den Eindruck erwecken, Boenisch sei eine Pressesonderverbindung der Kategorie I und Tischgast von BND-Präsident Wessel gewesen. Der Beschluss wurde gegen den Verlag „wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung“ am 10. September 1998 gefasst. In der anschließenden Hauptverhandlung in Berlin unterlag ich auch, weil das Gericht dem geheimen BND-Dokument aus Pullach, das ja auch dem Kanzleramt vorlag, jede Beweiskraft absprach. Aber damit waren einige Fakten aus dem Dokument wenigstens in der Welt.
UZ: Wie sah dann die allgemeine Medienresonanz 1998 aus? Günter Wallraff hatte ja ein Erdbeben erhofft.
Erich Schmidt-Eenboom: Zunächst war es eher ein Sturm im Wasserglas, weil nahezu alle großen Zeitungen und Sendeanstalten von den Enthüllungen betroffen waren. Als dann der Publizist Dietmar Henke bei seiner Analyse der Inlandsaufklärung des BND in Akten die „Zeit“-Chefin Marion Gräfin Dönhoff unter dem Decknamen „Dorothea“ als erstrangige BND-Sonderverbindung fand, wendete sich das Blatt. Sie musste öffentlich Rede und Antwort stehen.
UZ: Trotz deiner Rückschläge und einiger Schwärzungen in der Auflage von 2004: Die Kooperationsformen zwischen Geheimdiensten und Medien waren kein bloßer Verdacht mehr! Auch das MfS war ja dabei hilfreich. Und mit Geheimdokumenten aus Pullach gab es jetzt endlich Namen und Hausnummern.
Erich Schmidt-Eenboom: Sogar der ARD-Korrespondent Joachim Wagner war betroffen, der dann mit mir im „ARD-Morgenmagazin“ sitzen und streiten musste! Aus Abhörmaßnahmen des MfS war hervorgegangen, dass er bestimmte Beiträge seines NDR-Magazins „Panorama“ dem BND zur Abstimmung vorgelegt hatte. Er redete sich damit heraus, seine Kontakte zum Dienst hätten nur dazu gedient, Sicherheitsrisiken zu vermeiden. Er machte dabei eine denkbar schlechte Figur. In der Folge rief Kuno Haberbusch vom NDR bei den Redaktionsleitern der politischen Magazine der ARD an und schlug vor, auf der nächsten Schaltkonferenz den Beschluss zu fassen, dass der Nestbeschmutzer Schmidt-Eenboom von keinem Magazin mehr als Rechercheur oder Interviewpartner beschäftigt werden solle. Bei Klaus Bednarz, dem Chef des WDR-Magazins „Monitor“, handelte er sich eine harsche Abfuhr ein. Der unbestechliche Bednarz, für den ich einige Beiträge realisiert hatte, rief mich umgehend an, um mich über den Boykottaufruf aus Hamburg zu unterrichten.
UZ: Ich danke dir für dieses Gespräch. Nicht ohne die Anregung an streitlustige Verleger, dein Buch von 2004, das es leider nur noch antiquarisch gibt, neu und aktualisiert erscheinen zu lassen – um deine Recherchefäden über den „nachrichtendienstlich-medialen Komplex“ bis in die Jetztzeit weiterzuspinnen.
Das Gespräch führte Diether Dehm