Am 18. Juni fand auf dem Markt das „5. Leipziger FrauenFestival“ statt. Das Programm war so vielfältig wie die teilnehmenden Organisation: Poetry Slam, Angebote für Kinder, Perfomances und Musik. An Ständen konnte man sich über die feministische Arbeit vieler Vereine und Initiativen informieren. So gibt es zum Beispiel beim Landesfrauenrat Sachsen e.V. das Projekt „Frauenorte Sachsen“. Es informiert über die Biografien von Frauen und die Orte ihres Wirkens. Vorgestellt werden unter anderem Käthe Kollwitz und Clara Schumann. Mit dabei waren das „Nachbarinnencafé“ aus dem Leipziger Osten, die Flüchtlingshilfsorganisation „Seebrücke“ sowie der Dachverband der Migrantinnenorganisationen. Neben jeder Menge Broschüren konnte man vor allem auch Aufklebern mitnehmen: Mehr Lohn statt Applaus für systemrelevante Arbeit. Null Toleranz für Faschismus. Grenzenlose Solidarität statt beschränkter Nationalismus. Die DKP Leipzig hat ein Interview mit einer der Organisatorinnen geführt.
Martin: Wie kam es zu der Idee, ein Festival für Frauen zu organisieren?
Ella: Die Idee kam politisch engagierten Frauen, die mehr mit ihren Inhalten machen wollen, als sich nur untereinander auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Es sollte einen großen Treffpunkt feministischer Menschen geben, mit viel guter Musik und Mitmach-Angeboten für jedes Alter. Unsere Festivals finden bewusst auf dem Leipziger Marktplatz statt, um eine Zielgruppe anzusprechen, die bisher wenig bis gar keine Berührungspunkte mit feministischen Inhalten hatte. Zudem laden wir auch viele feministische und antifaschistische Gruppen und Künstler*innen ein, das Festival mit uns zu gestalten und zu beleben.
Martin: Wer organisiert das Festival? Wer unterstützt euch dabei?
Ella: Das Orga-Team ist nicht wirklich in eine Zahl zu quetschen, bei manchen Plena sind wir zu dritt, bei manchen zu fünft und bei manchen zu zehnt. Größtenteils wird das Festival von der Frauenkultur, der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft und einer engagierten Einzelperson inhaltlich und dem Werk 2 logistisch organisiert. Zudem haben wir Fördergelder von der Stadt Leipzig und der Leipziger Gruppe erhalten. Seit Dezember 2021 haben wir einmal im Monat ein offenes Plenum abgehalten, zu dem auch die Menschen, die sich auf der Bühne oder mit Ständen beteiligen, kamen.
Das Festival lebt natürlich auch um den eigentlichen Tag herum von sehr vielen ehrenamtlichen Unterstützer*innen, zum Beispiel bei Auf- und Abbau, Flyer verteilen, Awareness-Schichten und Kinderangeboten. Ein riesiges Dankeschön an dieser Stelle an alle Beteiligten! Ohne euch könnten wir unsere vielen Ideen überhaupt nicht umsetzen.
Ein Grußwort auf dem „5. Leipziger FrauenFestival“ kam von Gesine Märtens, seit 2019 Staatssekretärin im Sächsischen Staatsministerium der Justiz. Sie hat das erste Festival 2015 mitinitiiert – gemeinsam mit Katharina Krefft (Grüne), der Frauenkultur und Mrs. Peppstein von Radio Blau. Tatsächlich war das Stadtgründungs-Jubiläum zu „1000 Jahre Leipzig“ der Auslöser für das Festival, da in den öffentlichen Festivitäten damals Frauen/FLINTA (Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans, agender Personen) kaum bis gar nicht vorkamen. Daher lautete das erste Motto auch „Ohne UNS kein WIR“.
Martin: Gibt es auch in anderen Städten solche Festivals, die vielleicht als Vorbild dafür dienten?
Ella: Es gibt bereits deutschlandweit ein paar feministische Festivals. Wir haben Ende letzten Jahres noch nach anderen Festivals mit der gleichen Ausrichtung recherchiert, wodurch zum Beispiel verstärkt der Impuls entstand, ein Podium mit einzuplanen. Jedoch richten sich, meinem Verständnis nach, viele feministische Festivals eher an bereits feministisch engagierte Besucherinnen, was das FrauenFestival nicht hauptsächlich tut.
Martin: Wie war das Feedback zu den Festivals?
Ella: Das Festival kam die letzten Jahre immer sehr gut an, sowohl bei den Organisatorinnen und Künstlerinnen als auch den Besucher*innen. Viele Menschen sind jetzt schon mehrere Jahre, egal in welcher Position, mit dabei.
Martin: Gibt es bestimmte Themen, die ihr besonders ansprechen wollt?
Ella: Dieses Jahr konzentrieren wir uns unter dem Titel „Wir fordern faires Teilen“ vor allem auf gegenseitige Unterstützung und darauf, Hoffnung und Mut nicht zu verlieren. Zudem wird das Festival, wie die Gesellschaft und feministische Bewegungen auch, immer intersektionaler. Wir haben viele Gruppen und Initiativen eingeladen, die auf dem Festival den Raum haben sollen, sich vorzustellen und zu vernetzen. Wir freuen uns über viele Beratungsangebote für FLINTAs, die in etablierten Räume keine Beratung in Anspruch nehmen wollen oder können. So wird zum Beispiel der DGB mit einem Stand zu Verträgen, Rechten und auch Altersarmut aufklären und beraten. Wir organisieren auch Sprachmittlerinnen, die Übersetzungsarbeit für nicht Erstsprachler*innen anbieten werden.
Martin: Welche Möglichkeiten seht ihr, bereits jetzt patriarchale Strukturen zu überwinden?
Ella: Wir sehen großes Potential darin, dass wir einander kennenlernen, uns vernetzen, Barrieren abbauen und unser Wissen an die Menschen ran tragen, die wählen gehen, die Politik machen und auf der Straße eingreifen sollten, wenn Ungerechtigkeiten passieren. Der Sinn von Feminismus, und auch des Festivals, ist unserer Meinung nach, politische Bildung öffentlich zugänglich zu machen und Menschen zu erreichen, die sich nicht in den gleichen Räumen bewegen wie wir.
Martin: Wie schätzt ihr den aktuellen Rechtsruck ein? Vor allem in Bezug auf die derzeitigen „Erfolge“ von Abtreibungsgegnern zum Beispiel in den USA oder Polen?
Ella: Wir positionieren uns klar feministisch und antifaschistisch. Die aktuellen Entwicklungen sind Schockierend, aber auch nicht überraschend. In der Frauenkultur greifen wir diese Themen nochmal intensiver auf, als es auf dem Festival möglich sein wird. Doch gemeinsam mit allen Artists, Gruppen und Ständen vor Ort wollen wir ein Zeichen setzen, ein Zeichen für Vernetzung, Hoffnung, faire Behandlung und ein dickes „Wir sind mehr!“ Wir müssen nicht mal in die USA oder nach Polen schauen, um schaurige Entwicklungen zu sehen. Auch in Deutschland gibt es viele frauenfeindliche Gesetze. Wir freuen uns zum Beispiel sehr, dass „Keine Mehr“ aus Leipzig mit einer eigenen Ausstellung dabei war, mit der sie über Femizide Aufgeklärt hat. Auch die Seebrücke, oder viele Initiativen von und für Menschen mit Migrationsgeschichte, wie Abya Yala Libre, DaMigra, LatinX, Internationale Frauen e.V. waren dabei. Ebenso Vereine hinter all den Frauenschutzhäusern und kritische Student*innengruppen der Uni. Zusammen wollen wir einander aufklären und unsere Kämpfe vereinen.
Martin: Wie hoch ist der Frauenanteil unter den Organisator*innen?
Ella: Die Organisatorinnen bestehen ausschließlich aus FLINTAs. Eigentlich gab es von keiner Seite wirklich Beschränkungen, dass sich Männer nicht beteiligen können. Nur sind Männer generell weniger feministisch vernetzt und organisiert, weshalb sie auch allgemein seltener die Räumlichkeiten beispielsweise der Frauenkultur besuchen, wo die Plena meistens stattfanden und -finden. Ich finde das Arbeiten mit FLINTA*s sehr gut, möchte aber an dieser Stelle nochmal betonen, dass das Festival offen für alle Menschen ist!
Martin: In vielen linken Organisationen ist der Frauenanteil sehr gering. Habt ihr einen Tipp, wie mehr Frauen für linke Projekte begeistert werden können?
Ella: Ich denke nicht, dass das Problem ist, dass sich Frauen nicht für linke Projekte begeistern. Die Begeisterung ist da. Das Problem ist eher, wie sie in den Projekten aufgenommen werden. Linke Blasen können sich Feminismus so viel sie wollen auf die Fahnen schreiben, wenn sie ihr Verhalten nicht reflektieren, werden sie immer nur über Frauen reden und nicht mit ihnen. FLINTA*s schaffen sich so viele eigene Räume ja nicht, weil sie Männer ausschließen wollen, sondern weil sie sich dort gehört, verstanden und wertgeschätzt fühlen.