Vom 5. bis 7. November findet in Nürnberg die 26. Linke Literaturmesse statt. UZ sprach mit Raphael Fleischer vom Linke-Literaturmesse-Kollektiv darüber, was diese Messe so besonders macht und was die Besucherinnen und Besucher in diesem Jahr erwartet.
UZ: Die Linke Literaturmesse findet zum 26. Mal statt. Für alle, die davon zum ersten Mal hören: Was ist die Linke Literaturmesse?
Raphael Fleischer: Das 1996 gestartete Experiment, linke Literatur samt ihren Autorinnen und Autoren und Verlagen nach Nürnberg zu holen, ist zu einer überregionalen Institution geworden. Ein Wochenende lang stellen hier rund 50 linke Verlage und Zeitschriftenredaktionen gesellschaftskritische Literatur vor. Lesungen, Diskussionen bei den Vorträgen und anschließend an den Bücherständen prägen diese enorm kommunikative Messe. Sie ist die größte politische Literaturmesse im deutschsprachigen Raum, weil sie spektrenübergreifend ist. Hier können linke Strömungen miteinander statt übereinander sprechen. Das gibt es leider noch viel zu wenig, bei uns immerhin nun schon eine ganze Weile, was wir großartig finden und die Verlage sehr schätzen.
UZ: Im letzten Jahr gab es die Linke Literaturmesse – ohne Messe, sondern mit zwei Podiumsdiskussionen im Livestream. Wie wirkt sich Corona auf diese Messe aus?
Raphael Fleischer: Wir sind froh, dass es in diesem Jahr wieder eine Messe mit Publikumsbesuch gibt. Aktuell sieht es so aus, dass wir uns mit Maske in der Messe bewegen können. Für Geimpfte und Genesene wird es am Eingang eine Kontrolle des Status geben. Ende Oktober wird es eine neue Hygieneschutz-Verordnung geben, die uns final darüber informieren wird, ob es eine Messe mit 3G oder 3G+ sein wird. Also ob ein Schnelltest oder ein PCR-Test für alle Nichtgenesenen oder Nichtgeimpften notwendig sein wird. Ehrlich gesagt ist die Planung einer solchen Messe mit dieser Unklarheit nicht einfach gewesen und führt immer noch zu manch schlafloser Nacht.
UZ: Euer Programm ist seit wenigen Wochen online zu sehen, was sind die Highlights?
Raphael Fleischer: Nun, das kommt natürlich ganz auf den Geschmack an. Für alle UZ-Leserinnen und -Leser werden die Veranstaltungen der UZ beziehungsweise des Compress Verlags interessant sein. Am Sonntagmittag wird es eine Liveschalte nach Graz geben, wo die KPÖ sagenhaft als stärkste Partei die Kommunalwahlen gewonnen hat. Hier wird nach erfolgreichen Wegen eines kommunistischen Wahlkampfs gesucht. Bereits am Samstag wird das neue Buch von Friedrich-Martin Balzer zum KPD-Funktionär Erwin Eckert vorgestellt. Die UZ hatte dazu ja auch kürzlich einen längeren Artikel.
Daneben ist das Spektrum weit. Von Diego Maradona über China, jugoslawische Selbstverwaltung, Corona, die Wohnungsfrage und den Rechtsruck ist die Spanne riesig. Am besten, jeder wirft selbst einen Blick auf die Homepage der Linken Literaturmesse und sucht sich sein persönliches Programm aus. Das Highlight liegt ja immer im Auge des Betrachters. Für alle Kurzentschlossenen sei noch darauf hingewiesen, dass es eine Schlafbörse gibt. Per Mail oder am Messetag gibt es am Infopoint die Gelegenheit, kostenlos eine freie Couch in linken fränkischen Wohnungen zu bekommen.
UZ: Am Freitag startet die Messe traditionell mit einer Podiumsdiskussion. Was ist in diesem Jahr geboten?
Raphael Fleischer: Unsere Auftaktveranstaltung dreht sich in diesem Jahr um die Gegenwart und Zukunft des Konservatismus. Denn der moderne Kapitalismus gerät auch in der BRD mehr und mehr ins Stolpern und um sein traditionelles, politisches Führungspersonal ist es nicht besser bestellt. Nach der heruntergewirtschafteten, einstigen Volkspartei SPD zeigen nun die konservativen Dauerregierungsparteien CDU/CSU Abnutzungserscheinungen, Anzeichen von Perspektivlosigkeit und Überforderung. Während die visionslose Sozialdemokratie ein bescheidenes Zwischenhoch als großen Sieg verkauft, haben CDU und CSU den eigenen Abstieg mit einer Erdrutsch-Niederlage bei den Wahlen eingeleitet. Vor dem Hintergrund der Bundestagswahlen wollen wir uns im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung zur „26. Linken Literaturmesse“ mit der Gegenwart und Zukunft des Konservatismus beschäftigen, was einen bilanzierenden Blick in die Vergangenheit desselben einschließt.
Zu diesem Zweck haben wir Peter Wahl, Attac-Aktivist und einer der Autoren des Buches „Die extreme Mitte“, eingeladen. Daneben wird Aert van Riel – Journalist Politikressort „Neues Deutschland“ und Autor von „Die schwarze Internationale“ – aufzeigen, wie CDU und CSU Weltpolitik machen. Als drittes wird Volkmar Wölk, Mitglied der Partei „Die Linke“, der als Autor unter anderem in „Der Rechte Rand“ veröffentlicht, die fließenden personellen wie strategischen und inhaltlichen Übergänge und Verknüpfungen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus darstellen.
UZ: Welche Verlage sind auf der Messe anzutreffen?
Raphael Fleischer: Wer die UZ regelmäßig liest, wird einige gut kennen, natürlich die UZ selbst und auch der Compress Verlag und die „Marxistischen Blätter“, aber auch das „ND“, die „junge Welt“ oder „Graswurzelrevolution“. Zahlreiche Antiquariate neben etablierten linken Verlagen wie Papyrossa, Mandelbaum und Edition AV – aber auch hier gilt: einen Verlag wegzulassen macht das Bild schon wieder schräg. Es sind rund 50 Ausstellende dabei und einige, die sich neu in der Branche bewegen beziehungsweise zum ersten Mal dabei sind. Diese Mischung macht diese Messe besonders kontrovers, interessant und immer wieder inspirierend. Dass es dabei gelungen ist, den Umgang miteinander fast durchgängig respektvoll und größtenteils herzlich zu gestalten, sehen wir als besonders hohes Gut.
UZ: Und nun nochmal Tacheles – woher kommt das Geld dafür?
Raphael Fleischer: Da wagen wir es immer wieder, was zu riskieren. Die eine Hälfte kommt von den Standbetreibenden als Gebühr, die aber ziemlich moderat ausfällt. Die andere Hälfte zur Deckung der Kosten kommt über freiwillige Spenden der Besucherinnen und Besucher. Damit können wir zwar nicht rechnen, aber in unserer langen Messe-Erfahrung hat sich gezeigt: Sie schätzen den kostenfreien Zugang zur Messe und die Organisation und beteiligen sich im ausreichenden Umfang, dass es immer für eine nächste Messe gereicht hat. Wir sind zuversichtlich, dass es auch in diesem Jahr wieder ausreichend Genossinnen und Genossen geben wird, die diese Messe so wichtig finden, dass sie diese auch finanziell unterstützen. Die Linke Literaturmesse bleibt also ganz selbstgemacht, von linken Leuten, linken Verlagen und linkem Geld – ganz ohne Förderungen oder Zuschüsse.