Hannah Abrams hasst ihren Job. Und ihren Boss. Früher war sie bei der Metropolitan Police, heute schuftet sie in einem schmierigen Schnellimbiss – ihre Karriere bei der Polizei war beendet, als sie ihren Vorgesetzten in den Kanal geschubst hat. Wenn Hannah gerade keine Burger brät oder Frühstückssandwiches belegt, übernimmt sie als Privatdetektivin kleine Fälle: Entführte Hunde etwa oder abtrünnige Ehemänner.
Die Krimiautorin Liza Cody macht in „Die Schnellimbissdetektivin“ das, was sie am besten kann: Sie macht aus einem schnöden Kriminalroman „Literatur über Geknechtete, Gebeutelte und Loser“, so Verlegerin Else Laudan in ihrem Vorwort. Und von denen gibt es in „Die Schnellimbissdetektivin“ mehr als genug. Da ist zum Beispiel Hannahs Kollegin im „Sandwich Shack“, die so wenig Selbstbewusstsein und Zukunftschancen hat, dass sie sich mit dem blöden Chef Digby einlässt. Auch der ist eher ein armes Würstchen als der große Macker und Geschäftemacher, der er gerne wäre. Und da ist BZee, ein obdachloser Teenager, der Hannah bei ihren Ermittlungen zur Hand geht, solange dabei ein bisschen Geld und eine warme Mahlzeit rausspringt. Da sind auch die zahlreichen Klientinnen und Klienten der Schnellimbissdetektivin, von der betrogenen Ehefrau über den bestohlenen Kleingartenverein bis zum reichen Geschäftsmann, der seine junge Ehefrau sucht – sie alle sind so hervorragend gezeichnete Charaktere, dass ihre Fälle, die eigentlichen Krimihandlungen der Geschichte, fast in den Hintergrund treten. Und da sind ihre Gegenstücke im immer weiter gentrifizierten Londoner Süden: Hannahs Vermieterinnen, bei denen sie ein Zimmer hat und die Küche mitnutzen darf – außer um dort etwas Nichtveganes zuzubereiten. Und die reiche Nachbarschaft, die sich rund um die „Sandwich Shack“ einfindet, um beim „Großen Draußenschlaf“ einmal im Jahr Solidarität mit Obdachlosen zu demonstrieren, Wertmarken für ein Frühstück inklusive.
Und dann ist da Hannah Abrams selber: rau, zynisch und voller Galgenhumor. Im Kanal ist ihr Vorgesetzter gelandet, weil er sich auf die Seite ihres Ex gestellt hat, der heimlich aufgenommene Bilder von Hannah unter der Dusche verschickt hat. Dem Sexismus sei Dank blüht seine Karriere, während die Hannahs beendet ist. Hannah weiß um den Rassismus und Sexismus, der in den Ermittlungen der Metropolitan Police vorherrscht, und kann gleichzeitig nicht aus ihrer Haut: „Das triggert meine Fremdenfeindlichkeit“, stellt sie in einer ihrer Ermittlungen fest. „Ich bin Ex-Cop; Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind Krankheiten, für die Cops schrecklich anfällig sind.“ Hannah ist reflektiert über das, was sie als Polizistin gemacht, aber auch darüber, was das Dasein in diesem Beruf aus ihr gemacht hat. Sie weiß, dass für Arm und Reich unterschiedliche Gesetze gelten und dass man als Frau oft ganz unten in der Hackordnung steht: „Ich sag’s nicht zum ersten Mal, aber wiederhole es gern: Dasselbe, was einen Mann zum Hengst macht, macht eine Frau zur Schlampe.“ Das alles serviert Liza Cody vor der Kulisse des gentrifizierten Londons nach Pandemie und Brexit, immer an der Seite der Geknechteten und Loser, mit einer Sprache, die das Lesen zum großen Vergnügen macht.
Und so bugsiert sich Hannah Abrams durch den rauen Londoner Süden und versucht sich zwischen Miete verdienen und Menschen helfen über Wasser zu halten, streitet sich, mal aus Wonne, mal aus Prinzip, und kann doch das Leben einiger zum Positiven wenden. Ob ihr das mit ihrem eigenen Leben auch gelingt, bleibt fraglich. Wissen möchte man es aber unbedingt. Bleibt zu hoffen, dass wir die Schnellimbissdetektivin bald wiedersehen.
Liza Cody
Die Schnellimbissdetektivin
Ariadne, 351 Seiten, 18 Euro
Erhältlich im UZ-Shop