Deutsche Unternehmenslenker dringen auf Aufhebung der Russland-Sanktionen

Von Lissabon bis Wladiwostok

Von German-Foreign-Policy.com

Mehr als zwei Drittel der Deutschen sprächen sich dafür aus, die Sanktionen zu beenden, berichtet die Hamburger Körber-Stiftung unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage; mehr als vier Fünftel wünschten zudem eine engere Kooperation mit Russland, 95 Prozent hielten eine Annäherung in den nächsten Jahren für „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Die Körber-Stiftung, eine auf dem Feld der Außenpolitik einflussreiche Organisation, bemüht sich seit Jahren um den Ausbau der Kooperation zwischen Deutschland und Russland.

Die Forderungen nach einer Abkehr von der Sanktionspolitik gegenüber Moskau werden seit geraumer Zeit in mehreren EU-Staaten lauter – etwa in Italien, das Russland zu seinen wichtigsten Wirtschaftspartnern zählt. Wachsender Widerstand kommt nicht zuletzt aus Kreisen der deutschen Unternehmensspitzen, die sich von einem baldigen Ende der Sanktionen einen neuen Aufschwung ihres Ostgeschäfts erhoffen: Seit 2012 sind allein die Exporte nach Russland von einem Jahresvolumen von 38 Mrd. Euro auf weniger als 22 Mrd. Euro eingebrochen.

Entsprechende Stellungnahmen waren zuletzt beispielsweise auf dem „east forum Berlin“ zu vernehmen, das der „Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“ Mitte April gemeinsam mit der Metro Group und der italienischen UniCredit zum vierten Mal in der deutschen Hauptstadt durchführte. Mehr als 400 Personen, darunter die kürzlich entlassene Finanzministerin der Ukraine, Natalie Jaresko, und Alexej Lichatschew, Russlands Erster Vize-Minister für wirtschaftliche Entwicklung, diskutierten dort über den Aufbau eines „Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok“. Bei einer Umfrage unter rund 180 Teilnehmern der hochkarätig besetzten Veranstaltung sprachen sich mehr als 80 Prozent klar für Verhandlungen zwischen der EU und der von Moskau geführten Eurasischen Wirtschaftsunion über die Gründung eines gemeinsamen „Wirtschaftsraums“ aus. Sie fanden Gehör: In einer Rede zur Eröffnung des „east forums“ bekräftigte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Stephan Steinlein, die Bundesregierung trete „für Kontakte zwischen EU und Eurasischer Wirtschaftsunion“ ein. Auch die Russland-Sanktionen waren auf dem „east forum“ ein wichtiges Thema. 35 Prozent der Befragten sagten, sie rechneten mit einem Ende der Strafmaßnahmen noch in diesem Jahr, während 27 Prozent dies für 2017 annahmen.

Ein erster Schritt in Richtung Annäherung war am 20. April zu verzeichnen – mit dem ersten Treffen des NATO-Russland-Rats seit rund zwei Jahren. Für die Zusammenkunft hatte sich vor allem die Bundesregierung stark gemacht. Zwar sprach NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem Treffen von „tiefreichenden und andauernden Differenzen“; doch war anschließend von einer Fortsetzung des Dialogs die Rede. Damit ist es Berlin gelungen, die Gespräche zwischen Moskau und dem westlichen Kriegsbündnis wieder in Gang zu bringen. Dies erfolgt zu einer Zeit, zu der die Bundeskanzlerin eine faktisch dauerhafte Stationierung deutscher Soldaten im Rahmen eines NATO-Bataillons in Litauen in Aussicht stellt; dies liefe auf einen Bruch der NATO-Russland-Grundakte und damit eine weitere Eskalation im Konflikt zwischen Russland und dem Westen hinaus.

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"Von Lissabon bis Wladiwostok", UZ vom 6. Mai 2016



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