27. Mai 2019. Der 1. FC Union Berlin steigt in die Bundesliga auf. Nach dem 2:2 im Relegations-Hinspiel gegen den VfB Stuttgart reicht den Eisernen ein 0:0 im Rückspiel zu Hause.
Wirklich jeder Unioner weiß, wo er an diesem Tag war. Mir war es leider nicht vergönnt, vor Ort dabei zu sein, und ich war auf den Fernseher angewiesen. Vom Spiel ist mir so gut wie nichts in Erinnerung. Zu groß die Anspannung, zu sehr zitterten Nerven und Hände. Als der Abpfiff kam, saß ich wie benommen da. Wir hatten es geschafft. Nur langsam kehrte mein Körper in die Realität zurück. Es war der blanke Wahnsinn! Bundesliga, zieh dich warm an, wir sind da! Der Unioner meines Herzens schrieb mir damals aus dem Stadion: „Es ist der Wahnsinn, was hier abgeht!“ – ja, das war es und ist es bis heute geblieben!
Die Zeit war nun gekommen. Wir spielten in der Ersten Fußball-Bundesliga. Das erste Spiel verloren wir gegen den Plastikverein aus Leipzig. Vier Tore schenkten sie uns ein. Das war noch übler als ihr ekelhaftes Gesöff. Doch wie es dann immer so schön heißt: Mund abputzen, weitermachen. Und unsere Jungs machten weiter, feierten gegen Augsburg den ersten Punkt und holten gegen den BVB den ersten Heimsieg der Bundesliga (3:1). Das Stadion brannte!
Am Ende wurde die Klasse gehalten und wir schlossen eine erfolgreiche Saison mit 41 Zählern auf Platz 11 ab. Das war die Torte.
In der darauffolgenden Saison sollten wir noch eins drauflegen. Mit dem 4:0 gegen Mainz schafften wir unseren höchsten Bundesliga-Sieg und trotzten Vereinen wie Bayern oder Frankfurt wie selbstverständlich einen Punkt ab. Es galt, gegen uns zu spielen sei anstrengend. Denn wir waren eklig. Liefen mehr als alle. Und belohnten uns mit Toren. In der Rückrunde fehlte, was die Alte Försterei besonders macht: die Fans. Corona versagte es uns, unseren Fußballgöttern den Rücken zu stärken. Es waren harte Zeiten. „Warten auf Union“ hieß das Motto, mit dem der Verein uns zu trösten suchte. Online konnten virtuelle Stadionwürste und Bier gekauft werden, um so all jene zu unterstützen, die von dem Lockdown am Härtesten getroffen wurden: die Bäckerei, die die Brötchen liefert, der Fleischer, die Bierverkäufer … Die Spieler und Verantwortlichen verzichteten in Teilen auf ihre Gehälter – die eiserne Familie hielt einmal mehr fest zusammen.
Trotz der äußeren Umstände sicherten wir souverän den Klassenerhalt (50 Zähler) und schafften durch Platz 7 noch den Sprung in den neuen europäischen Wettbewerb: die European Conference League. Das war die Kirsche auf der Sahnetorte, wie unser Präsi Dirk Zingler so schön sagte.
Es folgte die dritte Saison im Oberhaus des deutschen Fußballs. Die Belastung für die Mannschaft war enorm hoch, denn es galt neben dem Bundesligageschäft den internationalen Wettbewerb und den DFB-Pokal zu bestreiten. Trotzdem rissen sie alles runter, holten 110 Prozent aus sich heraus und blieben dennoch mit den Füßen auf dem Rasen. Unioner vergessen nie, wo sie herkommen.
Die Spiele der ECL mussten im Olympiastadion ausgetragen werden, weil unsere Alte Försterei den Regularien nicht Genüge tat. Die Spiele waren durchmischt, ebenso das Gefühl. Die Akustik ist dort genauso mies wie das Bier und die Stadionwurst, uns fehlte unser Stadion, und das schien sich auf den Platz zu übertragen. Im ersten Spiel gegen die Finnen von Kuopion holten wir ein Unentschieden, im zweiten feierten wir einen Sieg gegen Haifa, um im dritten eine völlig unverdiente Niederlage gegen Feyenoord Rotterdam (samt seinen miesen Fans) einzufahren. Das Unentschieden gegen Prag reichte nicht für den weiteren Verbleib im internationalen Wettbewerb, da wir bereits auswärts zu wenig Punkte geholt hatten (1 Sieg, 2 Niederlagen, 1 Unentschieden).
Nebenbei mischten wir im DFB-Pokal ordentlich mit. Scheiterten im Halbfinale an den Leipziger Kapitalisten und ihrem Schiri und verpassten so den Einzug ins Finale.
In der Rückrunde der Bundesliga durften die Fans endlich wieder ins Wohnzimmer – welch eine Wohltat! Was hatten mir der Geruch vom Grill, das Summen der Stimmen und die Bierduschen gefehlt! Vom Kartenglück gesegnet, konnte ich Union gegen Köln siegen sehen, bejubelte den Sieg gegen die Eintracht, verfolgte (Corona-bedingt vor dem Fernseher) ein grottiges Flutlichtspiel gegen Fürth (1:1) und genoss das letzte Heimspiel der Saison bei voller Hütte gegen den VfL.
Der VfL Bochum, dessen Weg ich seit meiner ersten Stecktabelle 2000/2001 gerne verfolge, lieferte uns einen ordentlichen Kampf. Den wohlverdienten Klassenerhalt hatte das Team von Thomas Reis in der Tasche. Aber das ist kein Argument, nicht alles auf den Platz zu werfen. Denn so kennt man sie ja, die Jungs von der Castroper Straße: bissig, zäh und immer kampfbereit. Nach einer 2:0 Führung zur Pause erkämpfte der VfL sich ein verdientes Unentschieden in der 79., ehe unser Taiwo die Unioner Fanherzen vor dem Infarkt rettete und in der 88. zum 3:2-Endstand einnetzte. Denn viele spürten bis dahin schon das sich anbahnende Déjà-vu. So war es 2019 der letzte Spieltag in und gegen Bochum, in welchem Union den Sieg und damit den direkten Aufstieg in einem hart umkämpften 2:2 vergab. Doch zum Glück schafften wir damals die Relegation und diesmal das Siegtor! Und so freue ich mich nun sehr auf eine weitere Saison Bundesliga mit europäischem Wettbewerb. Denn mit 57 Punkten schlossen wir auf Platz 5 ab – was dem Fan Tränen des Glücks und der Ungläubigkeit in die Augen trieb und für unsere Fußballgötter bedeutet, in der Europa-League aufzulaufen.
Und es ist schön, in der nächsten Saison wieder auf den VfL Bochum zu treffen, gemeinsam in einer Liga zu spielen und den großen, millionenschweren Klubs zu zeigen, wo der Hammer (und die Sichel) hängt! Eisern!