Die AfD nutzt die Pandemie, um ihre soziale Demagogie zu verstärken

Von fleißigen Deutschen

Die AfD hat eine „Kommunikationsoffensive“ gestartet, mit der sie Kritik an den Corona-Maßnahmen in rassistische Bahnen lenken will. Dabei greift sie die sozialen Probleme der arbeitenden Menschen auf und deutet sie nach dem Muster eines nationalen Klassenfriedens. Der offen faschistische AfD-Flügel setzt sich dabei gegen konservativ-neoliberale Kräfte in der Partei durch.

Es könne der AfD „die Tür zu breiteren gesellschaftlichen Schichten öffnen“, wenn sie berechtigte Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung aufgreife, wünscht sich die Strategieabteilung der AfD-Bundestagsfraktion in einem Papier, das sie Anfang November vorgelegt hat. Dabei geht es ihr nicht nur darum, im Spektrum der „Querdenker“ Unterstützer zu gewinnen, die sich von irrationalen Theorien und diffusem Nationalismus leiten lassen. In einer „Kommunikationsoffensive“ greift sie verstärkt soziale Fragen auf und knüpft an die materiellen Probleme von Beschäftigten, Selbstständigen und kleinen Unternehmern an.

Bereits im September veröffentlichte die AfD-Fraktion im Bundestag ein einstündiges Video, das die neuen Akzente erkennen lässt. Das Video bietet die üblichen Sprüche gegen Migranten und Muslime: „Weltoffenheit zählt mehr als der Schutz der eigenen Bevölkerung“, „Der Muezzin ruft zum Corona-Stelldichein“. Gleichzeitig lässt sie Krankenpfleger auftreten, die den Applaus für Pflegekräfte als Heuchelei bezeichnen, die einen Nebenjob brauchen, um über die Runden zu kommen und daran erinnern, dass der Personalmangel in den Krankenhäusern auch damit zusammenhängt, dass sozialdemokratisch geführte Landesregierungen Tarifverträge im Öffentlichen Dienst ausgehebelt haben – eine für die AfD ungewöhnliche Positionierung. Umso deutlicher macht das Video, dass es der AfD nicht um Klassenkampf geht. Im Mittelpunkt stehen kleine Selbstständige und Unternehmer, vor allem aus der Gastronomie – sie sind das Muster des fleißigen Deutschen, der von der willkürlichen Corona-Politik der Regierung in seiner Initiative behindert werde. Der Chef eines großen Hotels berichtet, dass ihn nicht nur die Verluste durch den Lockdown schmerzen, sondern auch, seine Mitarbeiter auf Kosten der Sozialversicherung in Kurzarbeit zu schicken: „Das ist nicht nur für die Unternehmer dramatisch und existenzgefährdend, sondern das ist auch für jeden einzelnen Mitarbeiter eine erhebliche Einschränkung.“

Ähnliche Blüten produzieren die AfD-Abgeordneten in ihren Reden und Pressemitteilungen. Als die Bundesregierung Mietern die Möglichkeit einräumte, ihre Miete stunden zu lassen, warnte der AfD-Mann Udo Hemmelgarn im Bundestag: „Mieter und Vermieter sollen in Verteilungskämpfen gegeneinander ausgespielt werden!“

Seit langem streiten der gemäßigte, konservativ-neoliberale Teil der AfD und der offen faschistische Teil um die Sozialpolitik. Schon 2019, vor den Landtagswahlen in einigen ostdeutschen Ländern, hatte die AfD einen „Sozialparteitag“ geplant, um sich zu in der Partei hart umkämpften Fragen wie der Rentenpolitik zu positionieren. Die Initiative für einen solchen Parteitag war von Björn Höcke ausgegangen. Damals hatte die AfD den Parteitag wegen des innerparteilichen Kampfes verschoben, nun ist er für Ende November angekündigt, muss aber wegen der Corona-Maßnahmen voraussichtlich ein weiteres Mal verschoben werden.

Höcke setzt darauf, seine besonders aggressive Politik sozial zu verkleiden. 2018 hatte die Thüringer AfD ein Rentenkonzept vorgelegt, mit dem sie sich von neoliberalen Positionen der Parteiführung abgegrenzt hatte. Auf Facebook ließ Höcke vor drei Wochen wissen, was er für eines der wichtigsten Bücher dieses Jahres hält: „Solidarischer Patriotismus: Die soziale Frage von rechts“ von Benedikt Kaiser. Kaiser will erklären, warum eine wirklich soziale Politik bedeute, den Ausgleich zwischen den Klassen auf völkischer Grundlage zu suchen: „Konservative jeder Couleur müssen unweigerlich kapitalismuskritisch handeln und denken“, „Deutschland hat sich den Sozialstaat aufgebaut und für Deutschlands Volk wurde er konzipiert – nicht hingegen als zusätzlicher Pull-Faktor für multikulturalistische Experimente.“ Von den konservativ-neoliberalen Kräften in der AfD grenzt Kaiser sich scharf ab. Die AfD geht dazu über, ihre asoziale Politik stärker mit scheinbar sozialen Forderungen zu bewerben.

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"Von fleißigen Deutschen", UZ vom 20. November 2020



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