Abseits der hübschen Nachmittage mit Bier, Borussia, der schönen M. und U., dem Mann ohne Zähne, zeichnet sich beim BVB gerade wieder ein Bild ab, das man seit den Zeiten der Borussenfront in den achtziger Jahren als erledigt angesehen hatte: Nazisschläger auf der Südtribüne. In Wirklichkeit waren die Nazis aber nie weg, weder aus der Stadt noch aus dem Stadion.
Eine kleine Auswahl der jüngeren Vergangenheit: Anfang 2013 wurden zwei Fanbeauftragte des BVB-Fanprojekts und bekennende Antirassisten beim Champions-League-Auswärtsspiel in Donezk von Dortmunder Nazis brutal angegriffen. 2016 keimte das Nazihool-Problem wieder einmal auf, eine rechte Gruppe namens „0231 Riot“ verbreitete Angst und Schrecken. Jetzt – 2018 – gehen die Nazis und rechten Hools wieder gezielt in die „gelbe Wand“, dem Heiligtum aller Borussenfans, um die „Süd“ für sich zu beanspruchen.
Es sind nicht irgendwelche Nazis, die da vorgehen: Unter ihnen sind unter anderen Timo K. und der Dortmunder Totschläger Sven Kahlin, der am 28. März 2005 in Dortmund den 17-jährigen Punk Thomas Schulz, genannt „Schmuddel, erstach. Er ist Kampfsportler und Käfigkämpfer. Das sind keine Nazi-Kinder, denen man mal kurz den richtigen Weg weisen kann, sondern mehrfach vorbestrafte brutale Schläger, die seit Jahren trainieren, sich an Hooligan-Überfällen beteiligen und – wie Sven Kahlin – direkt nach der Haftentlassung aus heiterem Himmel ausländische Jugendliche angreifen und zusammenschlagen. Und es sind Nazis. Timo K., ebenfalls Kampfsportler, wurde beispielsweise vom BVB 2012 mit einem Stadionverbot belegt (welches nach fünf Jahren ausgelaufen ist), nachdem er sich auf einem Plakat mit der verbotenen Neonazi-Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ solidarisiert hatte. Wenn 25 von solchen Gestalten plötzlich in Block 13 stehen, halten 500 Umstehende schon mal den Mund. Reiner Selbstschutz.
Wie solche Leute überhaupt ins Stadion kommen? Davon abgesehen, dass über 80 000 BesucherInnen bei Heimspielen schwer zu überschauen sind, hat der BVB wohl auch ein Ordner-Problem. Mehrere Zeitungen berichteten darüber, dass Leute aus dem Umfeld der Gruppierung „northside“, ebenfalls eine rechte Hooligan Gruppe, als Ordner beim BVB angestellt sind. Und wiederum andere Ordner unter Druck setzen.
Und trotzdem. Per Videoüberwachung kann im Dortmunder Stadion jede/r rausgefiltert werden. Ordner müssten konsequent und immer wieder neu auf ihre „Gesinnung“ geprüft werden. Was anscheinend beim BVB ebenso wie bei der Dortmunder Polizei einfach fehlt, ist der Wille zu einer entschiedenen Verfolgung der Nazis. Vor wenigen Wochen konnten diese beispielsweise durch verschiedene Dortmunder Vororte ziehen und – begleitet von der Polizei – widerliche Parolen wie „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“ grölen. Eingeschritten ist die Polizei nicht. Über die Rolle von Gerichten, die jemanden wie Sven Kahlin für einen Mord beziehungsweise Totschlag sieben Jahre geben, um ihn dann „vorzeitig“ zu entlassen, muss wohl auch nicht viel gesagt werden.
Ja, Dortmund hat ein spezielles Naziproblem. Und ja, der BVB setzt sich gegen Nazis zur Wehr mit Aktionen und Flyern, Ausschwitz-Fahrten für junge Fans, Transparenten, Diskussionsrunden. Aber das reicht bei weitem nicht. „Borussia verbindet Generationen, Männer und Frauen, alle Nationen“ heißt es bei uns. Das Nazi-Problem kann Borussia nicht alleine lösen. Aber sie könnte viel mehr tun: Konsequentes Einschreiten bei rassistischen, antisemitischen, homophoben Vorfällen, egal welcher Art wäre ein Anfang. Der endlich gemacht werden muss.
Update (20.11.18): „Nach dem Auftritt von Sven Kahlin und Timo K. auf der Südtribüne will Borussia Dortmund gegen beide Stadionbesucher ein Stadionverbot aussprechen. Kahlin und K. erhalten in diesen Tagen Post und damit die Aufforderung, sich binnen zwei Wochen schriftlich zu äußern.“ (Ruhrnachrichten)