Zum Besuch der EU-Kommissionspräsidentin beim Systemkonkurrenten in Peking

Von der Leyens Kampfansage

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der französische Präsident Emmanuel Macron sind zu einem gemeinsamen Besuch nach Peking aufgebrochen. Am Donnerstag nach Redaktionsschluss von UZ soll ein Meeting mit Chinas Präsident Xi Jinping stattfinden. China ist Europas wichtigster und größter Handelspartner. Im vergangenen Jahr exportierte die EU Waren im Wert von 230 Milliarden Euro in die Volksrepublik. Im Gegenzug musste sie 626 Milliarden Euro für Warenimporte aus China aufwenden. Das entspricht einem satten Handelsbilanzdefizit von 395,7 Milliarden Euro. In der letzten Dekade hat sich dieses Handelsbilanzdefizit von 104,2 Milliarden Euro in 2013 nahezu vervierfacht. Ein klarer Hinweis auf die unterschiedlichen Wachstumsdynamiken der europäischen und chinesischen Ökonomien.

In ökonomischer Hinsicht liegen die Motive für den Macron/von der Leyen-Besuch eigentlich auf der Hand. Die beiden müssten in Peking gute Stimmung für den Kauf europäischer Produkte machen. Allerdings haben die geopolitischen Veränderungen der letzten Jahre die Grundkoordinaten des EU-China-Verhältnisses deutlich verändert. Frau von der Leyen hatte schon 2021 mit Sanktionen gegen China begonnen. Dazu war, wie im „Werte-Westen“ üblich, ordentlich moralische Entrüstung inszeniert worden und die armen Uiguren waren als Opfer chinesischer Unterdrückung in die politische Arena eingeführt worden.

Seit Februar 2022 sind es die armen Ukrainer und spätestens seit dem Besuch von Nancy Pelosi in Taipeh sind es die armen Taiwanesen. Nun stehen die EU-Beziehungen zu China unter Beschuss. Washington hat entdeckt, dass die Volksrepublik die Welt hemmungslos durch 5G und TikTok ausspioniert und einen umfassenden Halbleiterkrieg gestartet. Dies ist allerdings nur der Vorgeschmack auf den militärischen Krieg, der, wie Washington offen erklärt, in den nächsten Jahren gestartet werden soll, um China in die Schranken zu weisen. Frau von der Leyen, die noch jede Wendung der US-Neokonservativen nachvollzogen hat, steht nun vor dem Problem, die von Washington gewünschten und in der EU extrem unpopulären China-Sanktionen durchsetzen zu müssen. Washington ist bei seinem Zweifrontenkrieg gegen Russland und China dringend auf die Unterstützung der Europäer angewiesen. Zumal der Globale Süden mit diesem Harakiri-Unternehmen nichts zu tun haben will.

Von der Leyen hat daher relativ vorsichtig begonnen und in einer Grundsatzrede im Mercator Institute for China Studies (MERICS) nicht von „Decoupling“, sondern von „De-Risking“ gesprochen. Man müsse „für einige kritische Sektoren neue Verteidigungsinstrumente entwickeln“. China sei immerhin ein „Systemkonkurrent“. Doch derlei semantische Winkelzüge ändern an der Sache wenig. Es geht um Investitionskontrolle und -verbote. Es ist interessant, dass ausgerechnet die Neoliberalen als erste bereit sind, ihre „hohen Ideale“ von Freihandel und freiem Kapitalverkehr über Bord zu werfen, wenn ihnen die Ergebnisse nicht passen. Die Kommissionschefin hob drei Sanktionsschwerpunkte hervor: Quantencomputer, Robotertechnik und Künstliche Intelligenz. Dual-use-Güter, also Waren, die auch militärisch genutzt werden können, unterliegen schon jetzt der Genehmigungspflicht. Die von der FDP geforderte Änderung des Auslandsinvestitionsrechts ist der nächste Schritt. Ursula von der Leyen dürfte ihre China-Rede nicht ohne Grund im MERICS-Institut gehalten haben. Das Institut steht auf Pekings Sanktionsliste. Ihr Besuch ist eine Kampfansage. Von der Leyen wird nicht ohne Grund als nächste NATO-Generalsekretärin gehandelt.

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"Von der Leyens Kampfansage", UZ vom 7. April 2023



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