Quentin Le Matt (25) ist Sekretär der Region Nord der Kommunistischen Jugend Frankreichs (Mouvement Jeunes Communistes de France, MJCF).
UZ: Die französische Regierung plant eine Reform der Mittelschulen. Die Bildungsministerin Najat Vallaud-Balkacem sagt, dass diese Reform darauf abzielt, dass Bildungssystem demokratischer und weniger elitär zu machen.
Quentin Le Matt: Das ist falsch. Sie wollen die Gelder für die öffentlichen Mittelschulen reduzieren. Die Privatschulen sollen dagegen besser ausgestattet werden – die Privatschulen bekommen proportional schon heute mehr Geld als öffentliche Schulen. Das wird zu mehr Ungleichheit führen. Sie wollen, dass die Schüler nur Lesen, Schreiben und Rechnen lernen – aber das ist nicht gut, das ist aus unserer Sicht nicht demokratischer.
UZ: Hier berichten die Medien vor allem darüber, dass der Deutschunterricht weniger stark gefördert werden soll. Die bürgerliche Presse sieht die Reform vor allem als Gefahr für das deutsch-französische Verhältnis.
Quentin Le Matt: Ich habe in der Schule auch Deutsch gelernt – wir waren nur 15 Schülerinnen und Schüler in der Klasse. Die Klassen für Englisch und auch die, in denen Spanisch gelernt wird, sind natürlich voll, an meiner Schule waren da vielleicht 33 oder 35 Schüler drin. Bei den anderen Sprachen – Deutsch, Niederländisch usw. – ist das natürlich anders, und das kostet mehr Geld. Gerade deshalb sind die Klassen, in denen Deutsch gelernt wird, besser zum Lernen. Und nun will die Regierung das verändern, um Gelder zu sparen und durchgängig größere Klassen zu ermöglichen.
UZ: Nun haben ja auch die Lehrerinnen und Lehrer gegen die Reform protestiert und gestreikt. Was macht ihr als MGCF?
Quentin Le Matt: Die Mittelschulen gehen ja nur bis zur 9. Klasse, wir haben deshalb nur sehr wenige Mitglieder, die dort als Schüler sind. Aber wir haben viele Genossen, die arbeiten als Lehrer oder als Schulassistenten – das heißt, sie betreuen die Schüler und passen auf. Und diese Mitglieder haben sich natürlich an dem Streik der CGT beteiligt.
UZ: Was sind eure Vorstellungen von einem demokratischeren Bildungssystem?
Quentin Le Matt: Das Entscheidende ist, dass es mehr Geld für die Schulen gibt. Gerade für Jugendliche aus ärmeren Familien ist es doch besonders schwer, in Klassen mit 35 Schülern zu lernen. Reiche Familien können ihren Kindern auch eine Privatschule bezahlen. In ärmeren Familien gibt es natürlich auch mehr Probleme, die das Lernen schwieriger machen, gerade für diese Schüler müsste es doch eine angemessene Förderung geben. Es gab vor kurzem eine Studie, die gezeigt hat, dass die Fähigkeiten beim Lesen und Rechnen unter französischen Mittelschülern abgenommen haben. Das liegt doch auch daran, dass die Schüler mehr Probleme haben als früher.
Wir wollen, dass es mehr Geld für die Bildung gibt und kein Geld für Rüstungsvorhaben und Kriegseinsätze. Wir wollen eine einheitliche Mittelschule, eine Mittelschule für alle und nicht zwei oder drei verschiedene Schulformen, nicht wie in Deutschland. Und dazu braucht man mehr Geld, sonst kann das nicht funktionieren.
UZ: Als Teil dieser Reform will die Regierung auch den Schulen mehr Spielräume für eigene Entscheidungen geben, z. B. über den Lehrplan. Wie steht ihr dazu?
Quentin Le Matt: In der Universität oder in den Gymnasien hat die Regierung eine solche Autonomie schon verwirklicht. Das fördert die Ungleichheit: Wenn z. B. an einer Schule viele Eltern Abitur haben und die Schüler unterstützen können, dann kann diese Autonomie dazu führen, dass die Schüler gut sind. Aber was ist in Gegenden, in denen die meisten Eltern kein Abitur haben? Durch diese Autonomie für die Schulen entstehen neue Unterschiede, das ist doch nicht gut. Das bringt nur neue Trennungen zwischen den Schülern. Aber wir wollen eine Mittelschule, in der alle zusammen lernen und in der es alle schaffen können.
Diese Autonomie für die Schulen hat nichts mit Demokratie zu tun. Ich war im Gymnasium in der Schülervertretung, aber wirkliche Mitspracherechte hatten wir nicht. Mehr Demokratie an der Schule wird es nicht geben, wenn nicht auch mehr Geld ins Bildungssystem fließt, um den Schülern zu helfen und, um eine gute Bildung zu garantieren. Die Regierung behauptet, mit dieser Reform würde sie sozialistische Politik machen – aber mit Sozialismus hat das nichts zu tun.
UZ: Heute gibt es in den Mittelschulen viele Schülerinnen und Schüler, die ganz ohne Abschluss abgehen.
Quentin Le Matt: Der Abschluss selbst hat keine große Bedeutung. Aber viele Schüler haben keine Chance, auf ein Gymnasium zu kommen oder in eine Berufsausbildung. Viele von ihnen sind arbeitslos, auch mit Drogen gibt es viele Probleme. Aber das ist Kapitalismus.
Quentin Le Matt (25) ist Sekretär der Region Nord der Kommunistischen Jugend Frankreichs (Mouvement Jeunes Communistes de France, MJCF).