Für Kasernenausbau soll geschützter Wald gerodet werden. Auch Wohnungen sind in Gefahr

Von Bäumen, Mietern und Soldaten

Rainer Keil ist Kreisvorsitzender der DKP Darmstadt-Dieburg. UZ sprach mit ihm über die sozialen und ökologischen Folgen der geplanten Erweiterung einer Kaserne in Pfungstadt – und über die Zusammenführung des Widerstands.

UZ: In Pfungstadt soll die Major-Plagge-Kaserne ausgebaut werden. Was ist geplant?

Rainer Keil: Geplant wird die Erweiterung vom Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen im Auftrag des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr. In einem Gutachten wird der Grund für die Erweiterung der Kaserne deutlich benannt: „Insbesondere auch wegen der sich verschärfenden geopolitischen und militärstrategischen Lage ist es erforderlich, die (…) zu entwickelnden Flächen uneingeschränkt für die Zwecke der Landesverteidigung nutzen zu können.“ Die Kaserne soll modernisiert und umgebaut werden in „eine funktionale, moderne, zukunftsorientierte und nachhaltige ‚ortsfeste logistische Lagereinrichtung‘, unter anderem in der Funktion als deutscher logistischer Knotenpunkt im Rahmen des Projekts ‚Network of LogHubs in Europe and Support to Operations‘“. Dieses Projekt sieht vor, Kräfte zeitgerecht gemäß den Vorgaben zu verlegen, die Unterstützung bereits verlegter Kräfte zu verbessern und Kräfte im Transit besser zu unterstützen.

UZ: Kritik kommt nicht nur von Friedensaktivisten, sondern unter anderem auch von Umweltschützern. Was sind die ökologischen Folgen des Ausbaus?

Rainer Keil: Für die Erweiterung ist beabsichtigt, circa 40 Hektar Wald aus der Bannwalderklärung zu entlassen. Als Bannwälder werden in Hessen Waldstücke bezeichnet, die aufgrund ihrer hohen ökologischen Bedeutung als Ganzes erhalten bleiben müssen. Kritik gab es von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und dem Ortsverein der Pfungstädter Linkspartei. In einer Nachbargemeinde Pfungstadts, Bickenbach, hat die dortige Fraktion KOMMA eine Resolution in die Sitzung des Gemeindeparlaments eingebracht. Es ging um die Frage, warum das vorhandene Kasernengelände nicht genutzt werden kann, ohne Bannwald zu zerstören. Im Dezember wurde die Resolution abgelehnt. Spannend war die Diskussion in der Gemeindevertretung. Vertreter von FDP, SPD und CDU erklärten ihre Ablehnung damit, man müsse als Bundesrepublik Deutschland verteidigungsfähig werden. Man habe die Sicherheitslage in Europa im Verhältnis zu „den paar Hektar Waldverlusten“ abzuwägen.

Die Bundeswehr sieht keine Alternative zur Rodung. Ganz nebenbei wird festgestellt, dass 14 Hektar Bannwald schon seit Jahrzehnten bebaut sind. Das ist ökologisch verantwortungslos. Immerhin gehören Pfungstadt und das Rhein-Main-Gebiet zu den wärmsten Regionen Hessens und sind Hotspots in Sachen Waldschäden.

UZ: Auch Menschen, die in der Nähe der Kaserne wohnen, sind betroffen. Wie stellt sich ihre Lage dar?

070802 Interview Portrait - Von Bäumen, Mietern und Soldaten - DKP Darmstadt, Militarisierung, Waldrodung, Wohnungspolitik, Zeitenwende - Kommunalpolitik
Rainer Keil

Rainer Keil: Die Auseinandersetzung um die Wohnungen „An der neuen Bergstraße“ ist nicht Bestandteil der Planung – zumindest offiziell. Leidtragende sind die Mieterinnen und Mieter, deren Wohnungen direkt an das Kasernengelände grenzen. Sie sollen wegen angeblich illegaler Nutzung ausziehen. Die Bauaufsicht des Landkreises Darmstadt-Dieburg hat den Mieterinnen und Mietern schon im Jahr 2020 mitgeteilt, dass die am 19. September 1961 erteilte Baugenehmigung nur im Zusammenhang mit der Kaserne gelte. Die Menschen wurden aufgefordert auszuziehen. Interessanterweise hat die Eigentümerin der Wohnungen, das private Wohnungsbauunternehmen Vonovia, dagegen geklagt. Wie lange dieser Rechtsstreit dauern wird, ist nicht absehbar. Das könnte sich über Jahre hinziehen. Der Vorteil ist: So lange können die Mieterinnen und Mieter dort bleiben.

UZ: Wie verhält sich die Kommune?

Rainer Keil: Die Stadt Pfungstadt hat keine Einwände gegen die Erweiterung der Kaserne angemeldet. Wahrscheinlich hofft man auf lukrative Arbeitsplätze. Zuletzt hat die Verwaltung eine Entscheidung zur Umweltverträglichkeitsprüfung vorgelegt, die den Ausbau erlaubt. Was das betroffene Wohngebiet angeht, erklärt man sich für nicht zuständig und verweist auf die Zuständigkeit des Landkreises. Hier fehlt es eindeutig am politischen Willen. Die Stadt Pfungstadt könnte eine neue Bauleitplanung aufstellen und das Areal in ein allgemeines Wohngebiet umwandeln. So könnte die Voraussetzung für die nachträgliche Legalisierung der Wohnungen geschaffen werden. Die Stadt Pfungstadt hat aber erklärt, eine Bauleitplanung sei derzeit nicht geplant. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

UZ: Regt sich denn weiterer Widerstand vor Ort?

Rainer Keil: Aktuell leider nur entlang der Frage, ob Bannwald gerodet werden soll. Sowohl der Aspekt der Militarisierung als auch die Wohnungsfrage spielen keine Rolle. In einigen Zusammenhängen beginnt gerade die Diskussion. Wir werden versuchen, uns einzubringen.

UZ: Derzeit werden viele Kasernen und Militärobjekt ausgebaut oder „modernisiert“. Wie fügt sich der Ausbau der Major-Plagge-Kaserne da ein und wie geht ihr als Kommunistinnen und Kommunisten damit um?

Rainer Keil: Die Erweiterung der Major-Plagge-Kaserne ist Bestandteil der sogenannten „Zeitenwende“ und der weiteren Militarisierung der Gesellschaft. Sie reiht sich ein in die NATO-Osterweiterung – Kriegstüchtigkeit wird zum Maßstab deutscher Außen- und Innenpolitik. Wir sehen in der geplanten Erweiterung außerdem einen Bestandteil des von der Bundeswehr entwickelten „Operationsplans Deutschland“. Dieser Operationsplan ist ein geheimes Dokument, an dem kontinuierlich gearbeitet und der stetig aktualisiert wird. Die Ziele werden offen formuliert: Er soll „den Aufmarsch der alliierten Streitkräfte über und durch Deutschland an die NATO-Ostflanke sicherstellen“.

Das ist brandgefährlich und macht uns in Deutschland zu einem Ziel von Raketenangriffen. Dies gilt auch für die Major-Plagge-Kaserne in Pfungstadt. Als DKP wollen wir versuchen, Militarisierung und Wohnungsfrage mit dem Thema Bannwaldrodung zu verbinden. Da die Auseinandersetzungen drei Kommunen (Darmstadt, Pfungstadt und Bickenbach) betreffen, wird das nicht gerade einfach werden. Die Mieterinnen und Mieter der „illegal“ errichteten Wohnungen müssten aus unserer Sicht ein direktes Interesse an einer öffentlichen Diskussion über den Ausbau der Kaserne haben.

Die Fragen stellte Vincent Cziesla

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"Von Bäumen, Mietern und Soldaten", UZ vom 14. Februar 2025



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