Niemand sollte sich mehr wundern, wenn er aus den Medien erfährt, dass in einem fernen Ort ein „hoher“ Fußballfunktionär nach Hörensagen Millionen für seine Stimme verlangte und sie auch bekommen haben soll, weil er für einen Kandidaten einer demnächst stattfindenden Weltmeisterschaft votiert hat. Es wundert sich wohl auch niemand mehr darüber, weil sich der Fußballfan längst daran gewöhnt hat, wie die Weltmeisterschaften vergeben werden. Und sich – was nicht zu begrüßen ist – auch damit abgefunden hat.
Deswegen zu behaupten, dass im Fußball die Mafiosi das Regime übernommen haben, wäre sicher übertrieben. Denn schließlich herrscht auch im Fußball noch eine gewisse Ordnung. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes hatte das abgebrochene Erstrundenspiel im DFB-Pokal zwischen dem VfL Osnabrück und RB Leipzig mit 2:0 für Leipzig gewertet. Das teilte der DFB mit.
Zweitligist RB Leipzig war auf diese Weise am Grünen Tisch in die zweite Runde des DFB-Pokals eingezogen. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wertete die wegen eines Feuerzeugwurfs auf Schiedsrichter Martin Petersen in der 71. Minute abgebrochene Erstrundenpartie beim VfL Osnabrück erwartungsgemäß mit 2:0 für die Sachsen. Der DFB entschied: „Gemäß der für alle Vereine geltenden Rechts- und Verfahrensordnung des DFB ist das Spiel für den VfL Osnabrück mit 0:2 als verloren zu werten, da der Verein für seine Zuschauer verantwortlich ist und das Verschulden der Zuschauer dem Verein zuzurechnen ist“, erläuterte Hans E. Lorenz, Vorsitzender des DFB-Sportgerichts, das Urteil.
Man könnte einwenden, dass der Sachverhalt vielleicht juristisch gar nicht gründlich untersucht worden war, aber das Sportgericht verdient Beifall, weil es – in einer Zeit, in der viele Gemüter durch aktuelle Ereignisse beunruhigt sind – ein unmissverständliches Urteil gefällt hat.
Schwieriger dürfte es für dieses Sportgericht werden, ein Urteil im Fall des Spiels zwischen dem Drittligisten SV Wehen Wiesbaden und der zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach aus der Regionalliga (3:1) zu fällen. Würde ich die Konstellationen dieses simplen Freundschaftsspiels versuchen zu erklären, könnte ich die Zeitungsseite füllen, was mir niemand erlauben würde. Jedenfalls versicherten die Hessen dem „Wiesbadener Kurier“ dass der Schiedsrichter nicht tat, was er nach den Regeln tun sollte, sondern betrog. Wehen wurde von der Sportsradar AG, die im Auftrag des DFB und der DFL Spiele auf sportwettenbezogene Manipulationen überwacht, auf Unregelmäßigkeiten bei der Partie im Trainingslager im türkischen Side aufmerksam gemacht. Den Borussen wurde dies auf Nachfrage bestätigt. „Die Wetten sollen in Asien platziert worden sein“, meinte Sprecher Markus Aretz: „Dabei soll auf eine bestimmte Anzahl von Toren gewettet worden sein.“ Da es in dem Spiel „zwei sehr fragwürdige Elfmeter gab, ist das im Nachhinein nicht die riesengroße Überraschung.“ Die Entscheidungen waren offensichtlich so kurios, dass Wehens Trainer Sven Demandt schon direkt nach dem Spiel von einem „Elfmeter-Geschenk des Schiris“ gesprochen hatte. Mönchengladbachs Vizepräsident, der 1974er-Weltmeister Rainer Bonhof, hatte auf der Tribüne gesessen und „Bild“ erklärt: „Ich habe mich gefragt: ‚Was geht denn hier ab?‘“
Beide Vereine verwiesen darauf, dass Wehen das Spiel über eine Agentur organisiert habe, die offenbar auch den Schiedsrichter besorgt hat. Wehens Sportdirektor Christian Hock erklärte: „Wir haben das Spiel ordnungsgemäß beim DFB angemeldet. Mit der Agentur arbeiten wir schon immer zusammen. Wir wurden nach dem Spiel vom DFB informiert. Wir selbst müssen da jetzt nichts machen, wir sind ganz entspannt.“
Vor allem in der Türkei, wo zwischen Januar und März insgesamt mehrere hundert Profi-Teams aus allen Teilen Europas ihre Wintertrainingslager abhalten, geraten bereits seit Jahren immer wieder solche Partien unter Manipulationsverdacht.
Also: Hut ab und ein redlicher Händedruck allen Schiedsrichtern, die in den unteren Ligen ihre Pflicht tun. Wer ehrt sie schon?