Kolumbien: Präsident Petro entlässt sein Kabinett

Von allen Seiten Druck

Kolumbien ist seit einigen Wochen mit einem bewaffneten Konflikt zwischen einer aus den ehemaligen FARC, den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens, entstandenen Neugründung namens „Frente 33 Mariscal Sucre“ und dem Heer der Nationalen Befreiung (ELN) konfrontiert. Es gab mehrere Dutzend Tote bei beiden Guerillas, aber auch in der Zivilbevölkerung im Department Catatumbo an der Grenze zu Venezuela. Auch Mitglieder der Kolumbianischen Kommunistischen Partei (PCC), die vom ELN der Unterstützung der „Frente 33“ verdächtigt werden, sind unter den Opfern.

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen FARC und ELN sind nicht neu, sondern waren in der Geschichte seit deren Gründung 1964 beziehungsweise 1965 dann und wann aufgetreten. Ende Dezember 2006 gab es dabei einen Tiefpunkt in den Regionen Arauca, Cauca und Antioquia. Solange die FARC als die wesentlich stärkere und in allen Landesteilen präsente Guerilla bis 2016 aktiv waren, wurden diese Streitigkeiten in der Regel über die Obersten Kommandos angesprochen und relativ schnell beendet. Zudem hatte es anderenorts parallel auch immer gemeinsame Aktionen gegen das kolumbianische Heer oder gegen paramilitärische Gruppen gegeben, weil die Auseinandersetzungen nicht selten mit lokalen Strukturen und Ansichten zu tun hatten.

Mit dem Friedensschluss zwischen FARC und Regierung und dem folgenden organisierten Töten ehemaliger Kämpferinnen und Kämpfer gingen Hunderte FARC-Guerilleros zurück in den Untergrund, schlossen sich dem ELN aber nicht an. Es entstanden diverse sich auf die ehemaligen FARC beziehende Gruppen, von denen die linksgerichtete Regierung, zu der auch die Kommunistische Partei gehört, einige heute zum organisierten Verbrechen zählt.

In einem Kommuniqué ruft die PCC in ihrer Zeitung „Voz“ zu einem Ende der Kämpfe, zur Schonung der Bevölkerung und ihrer lokalen Anführer und zur Zulassung humanitärer Hilfe seitens der Regierung auf. Insbesondere das ELN wird von den Kommunisten zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch mit der Regierung aufgerufen.

Die Regierung unter Präsident Gustavo Petro hat nun zwei größere Probleme; von einem ist indirekt auch Kuba betroffen. Mit dem ELN schert ausgerechnet der wichtigste Gesprächspartner für Petros „Totalen Frieden“, den er mit Amtsübernahme vor zweieinhalb Jahren angestrebt hat, aus den Verhandlungen aus. Das dürfte die Erwartungen an die kleinteiligen Gespräche mit rechtsextremen oder aus dem Drogenmilieu her agierenden Gruppen dämpfen; dadurch wird der Druck aus dem rechten Lager größer. Außerdem gibt es verschärfte Auseinandersetzungen mit den USA, die sich um Migrationsfragen drehen. Dass Trumps Kabinett auf einen Wechsel in Kolumbien, dem geostrategisch wichtigsten Staat Südamerikas, hinarbeitet, ist keine Frage, und ein vorzeitiger Sturz Petros über juristische Machenschaften ist nicht ausgeschlossen.

Die USA sind es auch, die sich zur Begründung für die Einreihung ausgerechnet Kubas auf ihre „Do it yourself“-Liste der „Terror unterstützenden Staaten“ die damaligen Friedensgespräche zwischen kolumbianischer Regierung und ELN in Havanna ausgesucht hatten. Die Anwesenheit von ELN-Unterhändlern in Havanna, wie es bei allen Friedensgesprächen auf der Welt normal ist, nahmen sie als Beweis dafür, dass Kuba mit Terroristen kooperiere. Unabhängig von dieser Absurdität hat die Terrorliste für Kuba über die damit einhergehenden Handelsbeschränkungen durch Sanktionsmaßnahmen dramatische Auswirkungen. Das Verhalten des ELN trägt derzeit nicht dazu bei, in den USA Verbündete gegen die Argumentation der damaligen Biden- und jetzigen Trump-Regierung zu finden. Andererseits würde wohlfeiles Verhalten selbst mit einem ausgehandelten Frieden nicht zu einer Herausnahme Kubas aus einer Liste führen, für deren Wahrheitsgehalt in der Tat niemand besser garantieren könnte als die US-Regierung – würde sie nur die politischen und militärischen Kontakte von CIA, USAID, NSA, FBI, DEA und Konsorten durchforsten.

Zum Zweiten führte zu allem Überfluss eine am 4. Februar nach harscher Kritik des Präsidenten an seinen Ministerinnen und Ministern aus dem Ruder gelaufene Kabinettssitzung, die live im Fernsehen übertragen wurde, zu einer Regierungskrise. Präsident Petro forderte sein Kabinett in Gesamtheit zum Rücktritt auf, dem unter anderem die kommunistische Arbeitsministerin Gloria Inés Ramírez nachkam. Petro hatte in seiner Ansprache sich selbst als Revolutionär, das Kabinett aber undifferenziert als nicht-revolutionär bezeichnet. Dass allerdings zwei seiner erst kürzlich berufenen Minister aus der politischen Rechten kommen, da­runter die Außenministerin Laura Sarabia, geht auf Petros Konto. Ende offen.

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"Von allen Seiten Druck", UZ vom 14. Februar 2025



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