Der lange Kampf um Falludscha

Vom Widerstand zum Dschihad

Von Manfred Ziegler

Im Januar 2014 hatte der IS die irakische Stadt Falludscha erobert, einige Monate später eroberte er in einem „Blitzkrieg“ große Teile des Irak, vor allem die Provinz Anbar.

Nun haben irakische Streitkräfte nach eigenen Angaben die gesamte Stadt Falludscha vom IS zurückerobert. Es war nicht das erste Mal, dass diese Stadt erobert, belagert und rückerobert wurde.

Nach der Besetzung des Irak durch die USA war die irakische Provinz Anbar und insbesondere Falludscha ein Zentrum des Widerstandes gegen die Besatzung. Vier getötete Blackwater-Söldner wurden 2004 verbrannt und ihre Leichen öffentlich zur Schau gestellt. Dies erregte großen Abscheu und Protest der US-amerikanischen und globalen veröffentlichten Meinung und war der Vorwand für die damalige Belagerung Falludschas. Schließlich eroberten im November 2004 US-Truppen die Stadt.

Aus dem Widerstand gegen die US-Besatzung wurde ein sektiererischer Krieg. Dies war die Geburtsstunde der bewaffneten dschihadistischen Organisationen im Irak, der Vorläufer von IS und al-Nusra. Dazu gehörte die Bewegung „Einigkeit und Heiliger Krieg“, die sich später als El Kaida im Irak bezeichnete.

Jahre später und im Krieg gegen Syrien war IS zur mächtigsten der dschihadistischen Organisationen geworden und eroberte im Januar 2014 Falludscha und später die gesamte Provinz Anbar. Viele irakische Sunniten begrüßten diesen Vormarsch. Und zugleich flohen viele Tausend andere vor der Herrschaft der sunnitischen Extremisten.

Die Unterstützung von Teilen der Bevölkerung Falludschas und der Provinz Anbar für den IS hatte nicht so sehr religiöse Ursachen, sondern kulturelle, soziale und politische Hintergründe. Eine konservative Gesellschaft mit eigenen Machtzentren, Arbeitslosigkeit, Stammesstrukturen und Ausgrenzung und Verfolgung durch die Regierung bildeten den Nährboden für den Erfolg des IS.

Zugleich waren schnelle militärische Erfolge des IS – nicht nur im Irak, sondern auch in Syrien – eine Voraussetzung für weiteren Zulauf und Unterstützung. Diese Erfolge blieben aus. Die syrische Armee verhinderte den weiteren Vormarsch des IS in Syrien, kurdische Streitkräfte wurden massiv aufgerüstet und die irakische Armee, Milizen und Stämme überließen IS nicht mehr einfach das Feld. Die russischen Luftangriffe auf Öltransporte des IS in Syrien erschwerten die Finanzierung der Organisation. IS wurde geschwächt und verlor die Kontrolle über weite Gebiete. Der jetzige militärische Erfolg in Falludscha schwächt den IS weiter.

Die zugrundeliegenden Probleme werden dadurch nicht gelöst.

Der Irak unterliegt nach wie vor dem Einfluss des Iran und der USA mit ihren unterschiedlichen Interessen. Seit dem offiziellen Ende der US-Besetzung herrschen Korruption und eine Regierung, in der die Aufteilung von Regierungsposten an religiöse oder ethnische Zugehörigkeit geknüpft ist. Die Elektrizitäts- und Wasserversorgung reicht nicht aus, den Bedarf zu decken. Dringende Investitionen werden nicht umgesetzt, der niedrige Ölpreis erschwert die Situation zusätzlich. Und die religiöse Spaltung des Irak wird weiterhin als Herrschaftsinstrument eingesetzt.

Militärische Aktionen alleine reichen nicht aus, um die Ideologie der Takfiris, der sunnitischen Extremisten, zu bekämpfen. Und auch militärisch wird es nicht ausreichen, den IS im Irak weiter zurück zu drängen und womöglich auch in Mosul anzugreifen – solange NATO und die Golfstaaten weiter gegen die Regierung in Damaskus arbeiten und die USA militärische Aktionen gegen den IS in Syrien blockieren. Angeblich aus Rücksicht auf sogenannte gemäßigte Kräfte; tatsächlich aber, um die syrische Regierung zu schwächen.

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"Vom Widerstand zum Dschihad", UZ vom 8. Juli 2016



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