Die „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“ (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) wurden am 27. Mai 1964 gegründet. Die Gründung einer marxistischen Organisation, die sich militärisch gegen die Angriffe der Großgrundbesitzer zur Wehr setzen konnte, war nicht voluntaristisch. Sie ergab sich aus dem nach der Landreform 1936 lodernden Bürgerkrieg der in der Rechten organisierten Großgrundbesitzer, der nach der Ermordung von Jorge Eliécer Gaitán, einem linksgerichteten Rechtsanwalt und Präsidentschaftskandidaten der Liberalen Partei, am 9. April 1948 mit dem so genannten „Bogotazo“ von der Konservativen Partei vollends entfacht wurde. Die Konservative Partei suchte ihre Vorherrschaft in einer Epoche, die in Kolumbien kurz und treffend als „Violencia“ (Gewalt) bezeichnet wird und der in den folgenden fünfzehn Jahren bis zu 200 000 Menschen zum Opfer fielen.
In jener Zeit liegt der Ursprung der paramilitärischen Todesschwadronen, die von den Großgrundbesitzern als Privatarmee zur Vertreibung der Bäuerinnen und Bauern von deren Land eingesetzt wurden und verantwortlich für zahlreiche Massaker unter den Landarbeitern sind. Und hier liegt auch der Ursprung des organisierten und infolgedessen letztlich auch bewaffneten Widerstands auf dem Land, nachdem Teile der Liberalen sowie die Kolumbianische Kommunistische Partei (PCC) 1949 zur Organisierung der Volksverteidigung aufgerufen hatten.
Die These der PCC war, dass gegen die terroristische „Blut und Feuer“-Politik der Regierung die organisierte Selbstverteidigung der Massen stehen müsse. Es bildeten sich bewaffnete Gruppen aus der Basis der Liberalen und aus der PCC, d. h. liberale und kommunistische Guerillas. Der Bauer Pedro Antonio Marín, der zunächst zu den liberalen Einheiten gehörte, bildete mit Gleichgesinnten 1955 in Marquetalia, Riochiquito und Guayabero vom Staat unabhängige Gebiete, die von der Regierung als „Unabhängige Republiken“ bekämpft wurden. Im Rahmen der USA-geführten „Operation LASO“ (Latin American Security Operation) bombardierte das Militär 1964 Marquetalia; die überlebenden 48 Bauern gründeten die FARC, die ein umfassendes Agrarprogramm zu ihrer politischen Grundlage machten und deren Oberster Kommandant Pedro Antonio Marín unter dem Decknamen „Manuel Marulanda“ wurde. Der Gewerkschafter und Mitbegründer der PCC Manuel Marulanda war 1953 vom Geheimdienst getötet worden; Pedro Antonio Marín, der seinen Namen übernahm, starb unbesiegt am 26. März 2008 an einem Herzanfall. Nach seinem Tod übernahm Alfonso Cano den Generalstab der FARC; nach dessen Ermordung durch Regierungstruppen wurde Timoleón Jiménez Oberster Kommandierender der Guerilla.
Die FARC verschrieben sich als Guerilla dem lang andauernden Volkskampf der Landbevölkerung – im Gegensatz zum Volksbefreiungsheer (ELN, 1965 gegründet), das der guevaristischen Fokustheorie anhing. Die FARC standen immer der Kolumbianischen KP nah, aus deren Mitgliedschaft sie sich ursprünglich gebildet hatten. Der 1966 stattgefundene 10. Parteitag der PCC analysierte die neue Situation in Kolumbien, die nicht mehr nur von der Selbstverteidigung und der Rückkehr der Vertriebenen auf ihr Land geprägt war, sondern von der Erkenntnis vieler, dass der Kampf gegen Großgrundbesitzer und Regierung aufgrund von deren Intoleranz prinzipiell antiimperialistischer und antilatifundistischer Natur sein musste. Gegen die Ungerechtigkeit und für die Demokratie zu kämpfen, bedeutete also damals die Orientierung auf eine Kombination aller Formen des Massenkampfes, unter ausdrücklichem Einschluss der bewaffneten Form.
Sechzehn Präsidenten Kolumbiens haben den FARC den Krieg erklärt; für die FARC stand immer der Frieden, für den sie sich gebildet hatten, im Mittelpunkt. Daher führten sie immer wieder Gespräche mit der Regierung. Jedes Mal – wie schon in den Fünfzigerjahren – wurden diejenigen getötet, die ihre Waffen abgegeben hatten. 1984 waren die Hoffnungen dennoch groß, als sich mehrere Guerillas im Abkommen von La Uribe mit der Regierung auf einen Waffenstillstand einigen konnten, aber die im Jahr darauf erfolgte Gründung der Partei „Unión Patriótica“, in der sich vor allem demobilisierte FARC-Mitglieder organisiert hatten, zeigte abermals den Charakter der herrschenden Klassen Kolumbiens: um die 4 000 Mitglieder der UP wurden in den Achtziger- und Neunzigerjahren hinterrücks ermordet. Am 15. September gab der Staat endlich offiziell seine Verantwortung für diesen politischen Genozid zu.
Mit den Jahren entwickelten sich die FARC zwischenzeitlich von einer Guerilla zu einer Militärorganisation, die sich 1982 den Zusatz „Ejército del Pueblo“ (Volksheer) geben konnte. Damit unterstrichen die FARC ihre gewachsene Stärke mit Zehntausenden Kämpferinnen und Kämpfern und Hunderttausenden Unterstützern im ganzen Land. Die FARC führten ihren Kampf in dem Land, das die USA schon mit der Monroe-Doktrin 1823 aufgrund seiner Lage, seiner Reichtümer und der Möglichkeit eines ozeanverbindenden Kanals völlig richtig als den wichtigsten Gegenpart ihrer Interessen in Amerika einschätzten. Trotz der Aufstände in den verschiedenen Gegenden Lateinamerikas, trotz der siegreichen Kubanischen Revolution – in kein Land der Region investierten die USA mehr Geld zur Bekämpfung des kommunistischen Gegners.
Der damalige Präsident César Gaviria ließ am 9. Dezember 1990 den Hauptsitz der FARC-EP inmitten von Friedensverhandlungen angreifen. Dennoch wurde weiter verhandelt. Nach den gescheiterten Friedensgesprächen von San Vicente del Caguán im Jahr 2002 sowie mit dem darauf folgenden immensen Druck durch den milliardenschweren „Plan Colombia“ der USA, mussten die FARC in den letzten Jahren wieder zu einer erfolgreichen Guerillataktik zurückkehren. Nur weil die FARC nicht besiegt werden konnten, erklärte sich die Regierung Kolumbiens zu Friedensgesprächen bereit, die 2012 in Havanna begannen und mit der Vorlage eines 297 Seiten starken Vertrags zum Abschluss gebracht werden konnten. Da die FARC trotz Rückschlägen nie besiegt werden konnten, musste die Regierung ihren Gegner letztlich vor der Weltöffentlichkeit anerkennen und unterzeichnete am 26. September 2016 den Friedensvertrag.
Dieser ist am 2. Oktober in einem Plebiszit bei einer geringen Beteiligung von nur 37,4 Prozent mit einer knappen Mehrheit von 50,2 Prozent abgelehnt worden. Deshalb wird es jetzt zu Nachverhandlungen kommen müssen; auf welche Weise ist derzeit noch offen. In ihrer 10. Nationalkonferenz vom 17. bis 23. September hatten die FARC ihren Friedenswillen mit einem eindeutigen Votum verdeutlicht; und die erste Reaktion auf die Ablehnung des Vertrags im Referendum unterstreicht ihn noch. Die FARC sehen den Frieden als einzige Zukunft für Kolumbien, und sie werden weiterhin den Weg verfolgen, sich nun in eine unbewaffnete Organisation zu verwandeln, die „das gesamte Spektrum der sozialen Kämpfe umfasst und für eine echte politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Demokratisierung kämpft“.
Ihr Ziel einer gerechten Gesellschaft bleibt also. Die Notwendigkeit dazu sowieso.
10. Konferenz der FARC
Rund 200 Delegierte versammelten sich zum höchsten Beschlussgremium der FARC. Viele hundert weitere Kämpfer bildeten einen Schutzgürtel aus Camps rund um das Areal, welches sich tief in den weitläufigen Savannen in der Llanos de Yarí-Region befindet. Hier, in einer ihrer Kernregionen, hielt die FARC die 10. Konferenz ihrer Geschichte ab.
Die Konferenz stellte abschließend die Weichen für die Unterzeichnung des Friedensvertrags und für die Umwandlung der FARC von der größten lateinamerikanischen Guerilla zu einer unbewaffneten politischen Partei und Bewegung. Konkretere Entscheidungen sollen spätestens im Mai 2017 auf einer Folgekonferenz getroffen werden. So der Plan, bevor das Referendum scheiterte.
El Diamante
Viele Autostunden entfernt von den nächstgelegenen Städten, errichtete die FARC das Dorf El Diamante. Holzhütten, Großzelte, Restaurants, Verkaufsbuden, ein Funkmast, sowie eine imposante Konzertbühne entstanden und die neu angelegten Straßen verlaufen in der Form der kolumbianischen Landkarte.
Zukunft der KämpferInnen
Die Stimmung wirkt locker. Die Kämpfer versammelten abends bei Konzerten, sie sahen sich Filme auf Laptops an oder hockten zusammen und reichten Fotos herum. Gespräche mit ihnen offenbarten, dass viele Angst vor der erwarteten Schutzlosigkeit haben. Der Schritt, sich unbewaffnet in ein ziviles Leben zu begeben, bedeutet vor allem sich auf den Staat zu verlassen, den sie so lange bekämpften. Viele denken derzeit vor allem an die 80er-Jahre zurück.
Bereits 1985 war die FARC an der Gründung der sozialistischen Partei „Unión Patriótica“ beteiligt. In den Folgejahren ermordeten Paramilitärs, staatliche Sicherheitskräfte und Drogenkartelle mehr als 3500 Mitglieder der Partei. Den Überlebenden der systematischen Vernichtung blieb oft nur die Flucht ins Ausland. Auch aus heutiger Sicht ist die Angst der FARC-Kämpfer keinesfalls unbegründet. Vor der Konferenz begann eine neue Welle politischer Morde, innerhalb weniger Tage wurden in Kolumbien mehr als ein Dutzend Menschen getötet, die linken politischen Bewegungen nahestanden.
Bildtexte: Björn Kietzmann