„Freiheit“ ist nicht erst seit Franz-Josef Strauß‘ 1980er-Wahlkampfslogan, der sie dem Sozialismus entgegensetzte, ein Paradethema bürgerlicher Parteien. Denn natürlich gehören Leute, denen man Hang zur Unfreiheit vorwirft, entweder irgendeinem Staatsapparat, einer Gewerkschaft oder einer anderen freiheitsfeindlichen Ideologie an – wie der eines Tempolimits.
„Deutschland steht wie kein anderes Land für individuelle Freiheit. Egal, wo man auf der Welt ist, alle schwärmen vom Freiheitsgefühl auf deutschen Autobahnen“, sagt Herbert Diess. Er ist Chef des Volkswagen-Konzerns, der auf einem Gelände residiert, dessen Grundsteinlegung im Mai 1938 durch einen anderen großen Freund der individuellen Freiheit erfolgte – der sehr deutschen Freiheit, anderen Völkern jegliches Freiheitsgefühl, egal, wo auf der Welt man ist, zu nehmen.
Auf deutschen Autobahnen findet Diess das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde(stärke): „Die freien Autobahnen haben viel Ingenieurskunst hervorgebracht, die die deutschen Autohersteller im weltweiten Vergleich sehr wettbewerbsfähig macht.“ Wie erklärt sich solch manisches Beharren darauf, egoistischen Individualismus als Freiheit zu verkaufen? Zum einen ist das mit der Ableitung des Dogmas „Kapitalismus = Demokratie und Demokratie = Freiheit“ zu erklären, die aus Abgeordneten, die für einen Verbleib der Müllentsorgung in kommunaler Hand plädieren, Gegner der Gewerbefreiheit zum Nachteil der privaten (also freien) Wirtschaft macht.
In der Philosophie hingegen ist es komplizierter. Der französische Aufklärer Diderot fand im 18. Jahrhundert, dass es gar keine freien Wesen geben könne, denn wir seien Produkte der Ordnung, des menschlichen Organismus, der Erziehung und der gesellschaftlichen Geschehnisse. Und man werde getäuscht „durch die ungeheure Mannigfaltigkeit unserer Handlungen, zusammen mit unserer seit der Geburt angenommenen Gewohnheit, das Freiwillige mit der Freiheit zu verwechseln“.
Dass die Freiheit nur Ausnahme eines großen Komplexes von Unfreiheit ist, wird Herr Diess nicht verstehen. Dass seine Idee von Freiheit nicht ewig bleibt, muss man ihm beibringen.