Zu deutscher Sorge um Menschenrechte

Vom Ansprechen und Angesprochenwerden

Anfang September fand der 16. Menschenrechtsdialog zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China statt. Beide Seiten erklärten, dass es angesichts der gegenwärtigen internationalen Situation notwendig sei, den Multilateralismus aufrechtzuerhalten und die Arbeit der Vereinten Nationen in den drei Säulenbereichen Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechte weiter voranzutreiben.

Aber auch kritische Töne wurden angeschlagen. So wurden zum Beispiel Bedenken geäußert hinsichtlich der der Rechte von Inhaftierten, der ineffektiven Überwachung der polizeilichen Strafverfolgung und der Menschenrechtsverletzungen bei der Terrorismusbekämpfung. Ein Land forderte das andere nachdrücklich auf, grundlegende Fakten zu respektieren und die UN-Charta einzuhalten, insbesondere bezüglich der grundlegenden Normen der internationalen Beziehungen wie der Nichteinmischung in der inneren Angelegenheiten anderer Länder.

So nicht in der Zeitung gelesen? Stand da auch nicht, zumindest nicht in der deutschen Presse. Dort fanden sich dafür so schöne Zitate wie auf „zeit.de“: „Ich beobachte seit geraumer Zeit, wie sich die Menschenrechtslage in China dramatisch verschlechtert und immer weiter hinter den internationalen Verpflichtungen zurückfällt“, schwadroniert dort nach dem Treffen die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD). Sie sorgt sich auch sehr um die „katastrophale Situation der Uiguren“.

Zu den Rechten von Inhaftierten, der ineffektiven Überwachung der polizeilichen Strafverfolgung und den Menschenrechtsverletzungen bei Terrorismusverfolgung kein Wort. Geht auch schlecht, denn diese Punkte hat die Volksrepublik angesprochen, ebenso äußerte sie Bedenken hinsichtlich rechtsradikaler Strömungen in Deutschland. Und auch China war es, das Deutschland aufforderte, sich an die UN-Charta zu halten. Erfahren hat man das allerdings nur aus chinesischen Medien.

Da fällt es natürlich schwer, über so einen Menschenrechtsdialog zu berichten. Eine ehrliche Berichterstattung müsste nicht nur auf das lange eingeübte China-Bashing verzichten und sich inhaltlich mit solchen „Demokratiebewegungen“ wie in Hongkong auseinandersetzen, sondern sich auch mal an die eigene Nase packen. Daran hat auch die Menschenrechtsbeauftragte Kofler kein Interesse. Sonst wäre sie gegenüber „zeit.de“ vermutlich auch nicht mit einem Zweizeiler über die sich „dramatisch“ verschlechternde „Menschenrechtslage“ in China davon gekommen. Sondern hätte Stellung nehmen müssen dazu, was die deutsche Delegation des Menschenrechtsdialoges den Chinesen denn so gesagt hat zu Faschos auf der Treppe des Reichstags, den Morden von Hanau, der „NSU 2.0“-Mails versendenden Polizei, dem überaus menschenfreundlichen Paragrafen 129a und der Speicherung von allerlei Daten zum Zwecke von allerlei Dingen.

Eine ernstzunehmende Berichterstattung über so ein Treffen könnte aber neben peinlichem Augenmerk auf die Verfehlungen des deutschen Staates, der sich ja von jeher gern das rechte Auge zuhält, vor allem ein Bild von China als einem ernstzunehmenden Staat zeichnen, der die Entwicklungen in der EU genau im Blick hat. Da ist es doch für die zukünftige Propaganda einfacher, beim alten Bild zu bleiben. Unterdrückte Minderheiten, niedergeschlagene Bewegungen für „Freedom and Democracy“, entfleuchte Viren aus geheimsten Geheimlaboren, fieseste Industriespionage und die Entwendung geistigen Eigentums, das Ausspähen der gesamten Welt mit Hilfe von Huawai und 5G und natürlich die armen unterdrückten Tibeter. Entschuldigung, die Uiguren. Die Tibeter scheinen irgendwie out zu sein.

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"Vom Ansprechen und Angesprochenwerden", UZ vom 18. September 2020



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