Die Begleitmusik zu den Tarifverhandlungen für die rund 2,6 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen könnte kaum schriller sein. Neben dem altbekannten Lied von den leeren Kassen der Kommunen singen Arbeitgeber und Ökonomen lauthals das Lied von der einbrechenden Wirtschaft und vom unbedingten Aufbau der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Angemessene Tariferhöhungen wollen sie auf jeden Fall vermeiden. In diese Kakophonie, die durch den Bundestagswahlkampf verstärkt wird, reiht sich die Debatte über zu hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten und zu geringe Produktivität der Beschäftigten ein. Damit wird versucht, die ideologische Verteidigungsmauer gegen die ver.di-Forderung von 8 Prozent, mindestens aber 350 Euro und vor allem Arbeitszeitverkürzung durch mehr freie Tage noch einmal zu verstärken.
Vertreter von Bund und Kommunen lehnten in der ersten Verhandlungsrunde am 24. Januar die von ver.di dargestellten Tarifforderungen folgerichtig ab – als Gesamtpaket und in nahezu allen Details. Eine von ver.di veröffentlichte Gegenüberstellung von ver.di-Forderungen und Arbeitgeberreaktionen (siehe unten) zeigt auf, was das Kapital von den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst aktuell verlangt: Dankbarkeit für die vermeintliche Arbeitsplatzsicherheit, einen Abschluss auf Höhe der aktuellen Inflation und Planungssicherheit durch eine Laufzeit des Tarifvertrages, die noch über den bereits langen Laufzeiten der vergangenen Abschlüsse liegt. Das „Meine-Zeit-Konto“, das den Beschäftigten laut Stellvertretender ver.di-Bundesvorsitzenden Christine Behle „ihre Arbeitszeit wieder in die Hand geben soll“, sowie ein neuer Altersteilzeittarifvertrag werden vehement abgelehnt, man hört fast das unausgesprochene: „Wo kämen wir denn da hin!“
Nach der ersten Verhandlungsrunde stimmte der ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführer Frank Werneke die Tarifbotschafterinnen und -botschafter in einer Videokonferenz darauf ein, dass diese Tarifrunde schwerer sein werde als die vergangenen. Deshalb gelte es jetzt, in der Warnstreikphase so viel Druck auf die Arbeitgeber und politischen Entscheidungsträger insbesondere in den Kommunen auszuüben, dass es überhaupt ein Angebot in der zweiten Verhandlungsrunde Mitte Februar gibt.
Über allem hängt wie ein Damoklesschwert die Frage, inwieweit es gut eine Woche vor der Bundestagswahl überhaupt Bereitschaft gibt, ein Angebot an die Beschäftigten zu machen. Die regelmäßige Betonung davon, dass eine Bundesregierung verfassungsrechtlich immer im Amt ist und jederzeit einen Tarifvertrag unterschreiben kann, klingt fast wie das berühmte Pfeifen im Wald. Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft ver.di werden sich unabhängig von der Rechtslage darauf einstellen müssen, dass ab dem Tag der Bundestagswahl mindestens die politischen und medialen Eingriffsversuche in die Tarifverhandlungen noch größer werden.
Die ver.di-Orientierung, sich deshalb gewerkschaftlich zu organisieren und die Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst durch betriebliche Stärke zu einem Tarifabschluss zu zwingen, ist definitiv richtig. Auch die Mehrheitspetition, mit der vor Ort Unterstützerinnen und Unterstützer für die Forderungen gesucht werden, ist mit aktuell bundesweit rund 230.000 Unterzeichnenden ein Mittel, den Druck im (kommunal-)politischen Raum zu erhöhen. Darüber hinaus wird aber notwendig sein, den Zusammenhang von Aufrüstungskurs, Sozialabbau und Lohnraub aufzuzeigen. Die Beschäftigten und Streikenden müssen in die Lage versetzt werden, diesen Zusammenhang zu kommunizieren und entsprechend zu handeln. In den ver.di-Äußerungen werden die immensen Kosten der Aufrüstung außen vor gelassen.
Hinzu kommt, dass die Verhandlungsführung der Arbeitgeber mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge besetzt ist. Beide tragen das SPD-Parteibuch. Am Verhandlungstisch würden sie die Beschäftigten gerne verhungern lassen, während sie und ihre Partei im Wahlkampf vorgeben, für bessere Arbeitsbedingungen und die Lösung der Altschuldenproblematik der Kommunen einzutreten. Auch das gilt es, in das Bewusstsein der Belegschaften zu tragen.
ver.dis Forderungen vs. Arbeitgeberreaktionen: