Wer hätte das gedacht? Beim Verbrennen von Diesel und Benzin entstehen nicht nur Stickoxide (NOX), sondern auch Kohlenoxide. Sogar CO2-Wahnsinn. Nun haben es sogar die VW-Gewaltigen entdeckt. Es entsteht sogar jede Menge davon. Deutlich mehr als bestellt, wie uns die Konzernleitung und zahlreiche Medien in der letzten Woche mitgeteilt haben. „Unregelmäßigkeiten“. Aber, keine Sorge, der Einzeltäter ist gestellt und geständig. Es war – trara: Der Ingenieur! Eventuelle Kosten übernimmt der Konzern. Genauer, die Belegschaft.
Für Menschen, die in der Schule aufgepasst haben, hielt sich die Überraschung in Grenzen. Bei der Verbrennung von einem Liter Benzin entstehen 2,33; bei der von einem Liter Diesel 2,64 kg CO2. Die Norm „Euro 5“, gültig ab 2020, begrenzt den zulässigen CO2-Ausstoß auf 95 g/km. Wie nun leicht auszurechnen ist, begrenzt das den zulässigen Kraftstoffverbrauch. Für den Benzinmotor auf 4,1 l/100 km und für den Dieselmotor auf 3,6 l/100 km. Und nun kann jeder selber sehen, wie weit seine eigene Dreckschleuder von dieser Norm entfernt liegt. Vermutlich waren diese Überlegungen einfach zu schlicht, als dass sie den sicher wegen ihres Genies im zweistelligen Millionen-Bereich dotierten Managern des Weltkonzerns Volkswagen noch irgendwie zugänglich sein konnten.
4,1 Liter Sprit oder 3,6 Liter Diesel ist für die Bleifußgemeinde eine schlichte Provokation. Die Autohersteller üben sich in der Herstellung festungsartiger, kriegswagenähnlicher Bauwerke (My SUV is my Castle) oder tausend-PS-starker Rennwagen-Derivate. Deren Gebrauchswert erschließt sich eher weniger – sieht man mal ab von dem in neoliberalen Zeiten marktkonformer Persönlichkeitsdeformation so omnipräsenten Imponierbedürfnis. Da liegt sozusagen die Latte hoch auf: Beim Ochsenfrosch reichte dazu noch die Schallblase und etwas Luft, heute ist die 150-Meter-Yacht das Maß der Dinge.
Die Volkswagen AG bemüht sich, in rührender Reminiszenz an ihren volkstümelnden Konzernnamen, gerade um das Volk der Bleifußfreunde. Dabei erscheint der 340-PS-starke 2,3-Tonner „Touareg“, aus der Stammhaus-Schmiede noch beinahe als Sparmodell. Der 500-PS-Zwölfzylinder Audi „Q7 V12 TDI“ und der 620-PS-Porsche „911 GT2 RS“ zeigen schon eher, wo der Bartel den Most holt.
Die Tochter Bentley legt da mit dem 507 PS starken 2,7-Tonner „Azure T“ auch sprittechnisch schon deutlich zu. 19,5 l/100 km und 465 g CO2/km werden zugegeben. Zurückhaltung dagegen ausgerechnet bei VW-Tochter Lamborghini. Der 750 PSstarke „Aventador LP750-4 Superveloce“ soll es mit schlappen 16 l/100 km bewenden lassen. Wirklich bemerkenswert ist die Verbrauchsangabe des 1 200-PS-starken „Veyron 16.4 Super Sport“. VW-Tochter Bugatti räumt augenzwinkernd bis zu 100 l/100 km ein. Jet-Dimensionen. Was den sportlichen Wert von 2 330 g CO2/km ergibt. Dass all diese schönen Teile die Klassifikation „Euro 5“ haben, versteht sich von selbst. „Flottenverbrauch“ – vermutlich. Dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte, ist selbstredend absurd.
Klar dagegen ist, dass 95 g CO2/km – jetzt mal in der Realität – für fast alles, was die deutschen Fließbänder verlässt, das Aus bedeuten würde. Daher bewegen wir uns hier, seit das Wort Schadstoffobergrenze die Runde machte, im virtuellen Raum, wie jeder mit Blick auf seine Tankrechnung und seinen Tacho leicht erkennen kann. Selbst das Verkehrsministerium und sein Kraftfahrtbundesamt hätten drauf kommen können. Hätte, hätte, Fahrradkette … Das allerdings ausgerechnet Maut-Minister Dobrindt die ahnungslose Unschuld vom Lande gibt, ist wieder einmal ein unnachahmlicher CSU-Kracher.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: „Euro 5“, falls sie denn jemals den virtuellen Raum verlassen könnte, wäre durchaus ein Fortschritt, aber nicht die Lösung. Es gibt deutlich mehr als eine Milliarde Kfz weltweit. 90 Mio. kommen jährlich dazu. Der globale Straßenverkehr hat einen Anteil von mehr als einem Sechstel an der Produktion des Klimakillers CO2. Wäre es den Entscheidern wirklich ernst mit dem Versuch, den Klimagau zu verhindern, wäre die Orientierung auf den hemmungslosen Ausbau des Individualverkehrs schleunigst zu beenden. Das Verkehrsproblem ist beileibe nicht das einzige Umweltproblem, aber der Individualverkehr ist eine zentrale Schlüsselindustrie, der Turbo des „Öl-Zeitalters“. Er ist das Symbol des „Amerikanischen Jahrhunderts“. Und so wie es aussieht, das Symbol für die Unfähigkeit des Kapitalismus, selbst im Angesicht des eigenen Untergangs, der Unbewohnbarkeit weiter Teile des Globus noch in diesem Jahrhundert, die Kraft zu einer Wende zu entwickeln. Wenn schon in den Abgrund, dann stilsicher mit einer maximal gepimpten, handgedengelten Luxuskarosse.