Mercedes-Chef will Sparkurs forcieren

Volkswagen als Vorbild

Nicht nur VW ist betroffen, alle deutschen Autokonzerne stecken in der Krise. Insbesondere bei den Luxusautos gehen die Verkäufe zurück. Hersteller wie Mercedes haben auf teure Modelle gesetzt und ihre Strategie darauf ausgerichtet. Mit ihnen lässt sich pro verkauftem Auto mehr verdienen. Ebenfalls eingebrochen sind sowohl der Verkauf von elektrischen Autos als auch der Absatz in der VR China. Die Konzerne reagieren mit der massiven Vernichtung von Arbeitsplätzen. Bis zu 130.000 Stellen sollen wegrationalisiert werden, so eine aktuelle Schätzung der Deutschen Bank.

Auch Mercedes-Benz ist davon betroffen. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr 1,98 Millionen Pkw abgesetzt und damit 3 Prozent weniger als im Jahr davor. Wichtigster Markt ist China, auf ihn entfielen fast 35 Prozent des Gesamtabsatzes 2024. Das entspricht knapp 683.600 Pkw und einem Minus von 7 Prozent, obwohl Chinas Automarkt um 5 Prozent wuchs.

Chinesische Hersteller haben gegenüber der deutschen Konkurrenz technologisch aufgeholt beziehungsweise diese überholt. Vergleichbare chinesische Modelle sind zudem deutlich billiger. Der durchschnittliche Verkaufspreis eines Mercedes-Neuwagens liegt bei circa 70.000 Euro. Wer kann sich das leisten?

2022 hatte Mercedes das Ziel ausgegeben, die wertvollste Luxusautomarke der Welt werden zu wollen. Dahinter stand die Vorstellung, das Hochpreissegment sei weniger konjunkturanfällig als der Massenmarkt. Im sogenannten Top-Segment (S-Klasse, Maybach- und AMG-Modelle, EQS und G-Klasse) gingen die Verkäufe um 14 Prozent zurück. Lediglich im Kernsegment (C- und E-Klasse) gab es einen Zuwachs um 6 Prozent. Einen Nachholeffekt gab es dadurch, dass im Jahr 2023 48-Volt-Batterien fehlten, sodass bestimmte Modelle nicht lieferbar waren. Der Verkauf von Autos mit Verbrennungs- und Elektromotor (Plug-in-Hybride) stieg um 13 Prozent, die reinen Batterieautos sackten um 23 Prozent ab: Im letzten Jahr wurden lediglich 185.100 Elektroautos verkauft. Das ist weniger als ein Zehntel des Gesamtabsatzes.

In Deutschland ging der Absatz um 9 Prozent zurück, in Europa insgesamt um 3 Prozent. Dank gut gefüllter Kassen aus zurückliegenden Rekordjahren kann dieser Einbruch aber locker verkraftet werden. Das Gejammer des Konzernvorstands ist dennoch enorm.

„Mercedes-Benz steht vor einer Absenkung seiner mittelfristigen Profitziele. Die bisher angepeilte Umsatzrendite von bis zu 14 Prozent gilt als unrealistisch“, heißt es bei „Focus online“. Selbst wenn der Gewinn im letzten Jahr niedriger liegen sollte als die 14,5 Milliarden Euro in 2023, werden nach wie vor gute Gewinne eingefahren. Zahlen liegen für die ersten drei Quartale 2024 vor. Da lag der Umsatz bei 107,1 Milliarden Euro bei einem operativen Gewinn von 10,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig greift Mercedes gerne in die Staatskasse: Für 42 Förderprojekte erhielt der Konzern rund 59 Millionen Euro an Subventionen.

Mercedes-Chef Ola Källenius will seinen „Sparkurs“ ungeachtet dessen fortsetzen. Die bisherige Vorgabe lautete, die Fixkosten bis 2025 um 20 Prozent senken (verglichen mit 2019). Jetzt wurde nachgelegt: Källenius will bis 2027 rund 5 Milliarden Euro einsparen. Es ist von mehr als 20.000 Arbeitsplätzen die Rede, die wegfallen könnten. Die sogenannte „Zukunftssicherung“ 2030 soll nicht in Frage gestellt werden. Wie lange diese Aussage hält, muss sich noch zeigen.

An anderer Stelle wird bereits massiv Beschäftigung abgebaut. So zum Beispiel in der Finanzsparte (Mercedes-Benz-Bank, MB Leasing), für die die „Zukunftssicherung“ nicht gilt. Dort sollen die Anzahl der Stellen binnen drei Jahren von knapp 850 auf rund 500 schrumpfen – das sind fast 40 Prozent weniger. Dass dies nur über „natürliche Fluktuation und bewährte Instrumente wie Altersteilzeit“ umgesetzt werden soll, ist unrealistisch. Im Sommer letzten Jahres einigten sich Konzern und Betriebsrat auf Eckpunkte zum Verkauf der eigenen Autohäuser. Es geht um 8.000 Beschäftigte in rund 80 Niederlassungen. Der Verkauf soll in diesem Jahr vonstatten gehen. Die „Zukunftssicherung“, die zumindest vorläufig Bestand hat, gilt eben nur für die Stammbeschäftigen.

Zu den kleineren Scharmützeln im Konzern gehört die Auseinandersetzung um die Präsenzpflicht. Sie soll wieder hochgefahren werden. In einem ersten Schritt ruft der Mercedes-Vorstand das leitende Management in die Büros zurück. Bei Tarifbeschäftigten geht dies nicht so einfach. Da muss zuerst die Betriebsvereinbarung gekündigt werden. Das wird sicher einer der nächsten Schritte sein. Ziel ist, die Kontrolle wieder zu erhöhen, um die Kürzungen besser umsetzen zu können.

Eine weitere Maßnahme: Bei den Führungskräften werden dieses Jahr die Gehaltserhöhungen gestrichen. Vielleicht ist dies ein Test, um demnächst bei den Tarifbeschäftigten Löhne zu kürzen – wie bei VW. Auch dass Mercedes-Chef Källenius sich lauthals über den hohen Krankenstand und über Missbrauch bei telefonischen Krankmeldungen beklagt, kann als Versuch gewertet werden, die Verantwortung für die Misere auf die Beschäftigten abzuwälzen.

Der erfolgreiche Angriff auf die VW-Belegschaft hat das Kapital ermutigt. Bei Mercedes-Benz soll so bald wie möglich nachgezogen werden.

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"Volkswagen als Vorbild", UZ vom 24. Januar 2025



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