Die Spitzen des deutschen Finanzkapitals

Voith verdient(e) auch an Kriegen

Von Richard Corell und Stephan Müller

Ein Aktienpaket von über 25 Prozent wechselt nach eineinhalb Jahren den Besitzer. Der steckt dadurch über Nacht 1,2 Milliarden Euro ein, 600 Millionen mehr als beim Erwerb Ende 2014. Spekulant? „Heuschrecke“? Es handelt sich um die Voith GmbH. Sie hat im Juni ihre Anteile am Roboterhersteller KUKA AG dem chinesischen Unternehmen Midea verkauft. Wirtschaftsminister Gabriel hatte sich noch gegen einen Verkauf geäußert: „Ich bin jedenfalls nicht bereit, Arbeitsplätze und Unternehmen auf dem Altar offener Märkte Europas zu opfern“. Seitdem aber auch Siemens-Statthalter Kaeser den Verkauf abgenickt hatte, war aus dieser „dicken Hose“ nichts mehr zu hören. Bieten doch die neuen chinesischen Mehrheitsaktionäre auch für die Beschäftigten Garantien, die gewöhnliche Kapitalisten nicht bereit waren zu geben.

Voith-Chef Lienhard jedenfalls sieht sich als Gewinner, strahlt über die „prall gefüllte Kriegskasse“ und betont, dass die Eigentümer „klug entschieden“ hätten. Wer sind die Eigentümer? Die Voith GmbH (bis 2010 J. M. Voith AG, Umwandlung zur Umgehung von Mitbestimmungsrechten) ist zu hundert Prozent in der Hand der Familie Voith. Deren Firmensitz ist im schwäbischen Heidenheim an der Brenz. Dort begann der Aufstieg 1825 mit einer Schlosserwerkstatt und fünf Handwerkern unter dem Kommando des Johann Matthäus Voith. Wirklich groß mit über tausend Lohnabhängigen wird Voith erst nach der Schaffung des gesamtdeutschen Markts durch „Blut und Eisen“ im Bismarckschen Deutschen Reich. 1870 wird die erste Wasserturbine gebaut, 1886 die erste Papiermaschine. Im ersten Weltkrieg verdient Voith auch als Munitionshersteller dazu. Sie kommen mit „schwarzen Zahlen“ auch durch die Weltwirtschaftskrise. Die Firmengeschichte im Tausendjährigen Reich wird „geglättet“. Der Firmenpatriarch Hanns Voith war bekennender Anthroposoph, was nicht daran hinderte, zum Wehrwirtschaftsführer ernannt zu werden und mit Rüstungsproduktion am Krieg zu profitieren und dabei schamlos Zwangsarbeiter auszubeuten. Schließlich war er wütender Antikommunist, wie seine Autobiographie offenbart. Er übergab die Stadt Heidenheim 1945 an die Amerikaner, wodurch das Werk verschont wurde. Mit deren Unterstützung kam er wieder ins Geschäft und 1 500 Wissenschaftler und Industrielle aus der sowjetisch besetzten Zone nach Heidenheim, die hier als Schwungmasse für den Aufbau der Westdeutschlands als Bollwerk gegen den Sozialismus angesiedelt werden sollten.

Der Wiederaufstieg nach 1945 geht über Papiermaschinen und Turbinen. Mit der wieder einsetzenden westdeutschen Rüstung wächst auch der Bedarf an Antriebssystemen bei Panzern, Kriegsschiffen und Fluggeräten, die nicht zu vergessen sind, wenn Voith sein Engagement im Mordgeschäft hinter dem Begriff „Automotive“ zu verbergen versucht. Voith war und ist an umstrittenen Wasserkraftprojekten z. B. in China, Brasilien und Honduras beteiligt.

Gut vernetzt über Aufsichtsgremien, Beteiligungen, Joint-Ventures, Unternehmerverbände etc. ist Voith vor allem mit den Großkonzernen im Süden und Südwesten der Republik u. a. mit Freudenberg, Carl Zeiss, Würth, Trumpf, Bosch, Daimler, Siemens, BMW. Der langjährige Vorstands- dann Aufsichtsratsvorsitzende Michael Rogowski war Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Bekannt wurde der u. a. durch seine Attacken auf die paritätische Mitbestimmung. Ihm folgte M. Bischoff, ehemals hochrangiger Manager bei Daimler und bei EADS. Derzeitiger AR-Vorsitzender bei Voith ist H.-P. Keitel, Vizepräsident des Monopolverbands BDI. Über Stiftungen wirkt der Clan u. a. in Universitäten, Kommunen und Verbänden.

Voith ist heute mit mehr als 20 200 Beschäftigten, 4,3 Milliarden Euro Umsatz und Standorten in über 60 Ländern der Welt ein wichtiges Glied in der Kette des deutschen Monopolkapitalismus. Das Schuften der Kollegen lohnt sich für die Voiths: Das Vermögen der etwa 40 Clanmitglieder wird auf ca. zwei Milliarden Euro taxiert, etwa 50 Millionen pro Nase.

Das hat immer schon den Widerstand der Arbeiterbewegung hervorgerufen. Seit 1971 ist die DKP in Heidenheim im Gemeinderat vertreten. Mit ihrer Zeitung „Turbine“ trägt sie dazu bei, dass das Klassenbewusstsein nicht verschüttet wird.

„Wer Montags gern zur Arbeit kommt, Und Dienstags auch mit Lust, Am Mittwoch pfeift und fröhlich ist. Und Donnerstags nicht flucht, Am Freitag singt aus voller Brust „Ein Tag so wunderschön wie heut“, Ist zwar ein großer Optimist, Doch schafft er nicht beim Voith.

(Das Gedicht eines Voithianers wurde erstmals in der „Turbine“ im Juli 1983 veröffentlicht).

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"Voith verdient(e) auch an Kriegen", UZ vom 29. Juli 2016



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