Die Aufteilung des feudalen Grundbesitzes

Vietnam vor 65 Jahren

Von Gerhard Feldbauer

Wo es im Ergebnis des antikolonialen Kampfes nicht gelang, die Agrarfrage zu lösen, bleiben die Völker der Dritten Welt weiter der Herrschaft des Imperialismus unterworfen. Es ist deshalb von geradezu gebieterischer Aktualität, sich daran zu erinnern, wie vor 65 Jahren in Vietnam die Bodenreform zu einem Siegespfeiler wurde. 1946 hatte Frankreich die nach dem Sieg der Augustrevolution 1945 gebildete Demokratische Republik Vietnam (DRV) überfallen, um seine koloniale Herrschaft über den unabhängigen Nationalstaat wieder zu errichten. In sieben blutigen Kriegsjahren war es nicht gelungen, den Widerstand zu brechen. Nun setzte die Kolonialmacht im Tal von Dien Bien Phu im nordwestlichen Bergland an, das Volk in einer Entscheidungsschlacht endgültig niederzuwerfen.

Die Führung der DRV traf umfangreiche politische, wirtschaftliche und militärischen Vorbereitungen. Dazu gehörte am 4. Dezember 1953 der Beschluss der Nationalversammlung über das Dekret einer Bodenreform. Das Land der französischen Kolonialisten und derjenigen vietnamesischen Großgrundbesitzer, die sich als Feinde der DRV erwiesen hatten, wurde entschädigungslos enteignet und an die armen Bauern verteilt. Fünf Millionen Menschen erhielten 810 000 Hektar Nutzfläche. Großgrundbesitzer, die sich im Befreiungskampf auf die Seite der Volksmacht gestellt oder sich auch nur loyal verhalten hatten, wurden für Grund und Boden, Vieh und Technik entschädigt und durften ihr übriges Eigentum behalten. Die Bodenreform, mit der eine entscheidende Aufgabe der nationaldemokratischen Revolution durchgeführt und die feudalen Zustände beseitigt wurden, festigte die Volksmacht nicht nur politisch und ökonomisch entscheidend, sondern auch militärisch. Sie stellte das Bündnis der Arbeiterklasse mit den Bauern, welche die Mehrheit der Kämpfer der Vietnamesischen Volksarmee stellten, auf eine feste Grundlage. Die Soldaten der französischen Marionettenarmee erhielten Bodenanteile zugesichert, wenn sie deren Reihen verließen. Nicht zuletzt davon ausgehend ist die vietnamesische Agrarreform mit der Sklavenbefreiung durch Abraham Lincoln als einer wesentlichen Voraussetzung für den Sieg der bürgerlichen Revolution im amerikanischen Bürgerkrieg gegen die Südstaaten verglichen worden.

Die Partei der Werktätigen Vietnams (diesen Namen führte die kommunistische Partei während des Widerstandskrieges gegen Frankreich und dem folgenden bis 1975 währenden gegen die USA) ging von den Grundsätzen der Bündnispolitik aus, die Ho chi Minh bereits bei der Gründung der Partei 1930 während des Kampfes gegen die französische Kolonialherrschaft gelegt hatte. Er ging von Lenins Hinweisen aus, dass das Proletariat ein „siegreicher Kämpfer für den Demokratismus“ nur unter der Bedingung sein kann, „dass sich die Masse der Bauernschaft seinem revolutionären Kampf anschließt“ (Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution, Bd. 9, Berlin/DDR, S. 48). Diesen Grundsatz hatte die KPV 1930/31 verwirklicht, als sie sich als Führer der Arbeiterklasse an die Spitze des spontan ausgebrochenen Bauernaufstandes in Zentralvietnam stellte. In diesen Kämpfen entstanden Sowjets der Arbeiter und Bauern, die das Land der Feudalherren an die Bauern verteilten und sich über ein halbes Jahr gegen die Übermacht der Kolonialtruppen verteidigten. Trotz ihrer Niederlage wurde in diesen Kämpfen das „Bündnis für die siegreiche Augustrevolution 1945 geschmiedet“, schätzte Ho chi Minh ein (30 Jahre Kampf der Partei, Hanoi 1960). Hätte die Partei die Bauern 1930 im Stich gelassen, so Ho chi Minh, wären diese ihr in der Augustrevolution nicht gefolgt.

Bei der Durchführung der Bodenreform gab es Überspitzungen. Landeigentümer, die die nach den Landesverhältnissen Großbauern waren, wurden wie Großgrundbesitzer enteignet, manchmal auch wie Feinde behandelt. Nach dem Sieg sorgte Ho chi Minh persönlich dafür, dass die linken Abweichungen korrigiert wurden.

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"Vietnam vor 65 Jahren", UZ vom 7. Dezember 2018



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