Die PCK-Raffinerie in Schwedt – ein warnendes Beispiel

Viele Worte, wenig Hoffnung

Mehr geht nicht im etablierten Politikbetrieb dieses Landes: Ende Juni rief ein breites Bündnis zu Demonstration und Kundgebung auf, um die PCK-Raffinerie in Schwedt zu retten. Alle, die Rang und Namen hatten, waren gekommen – allen voran Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die Bürgermeisterin der 35.000-Einwohner-Stadt, Annekathrin Hoppe (SPD). Dieses Mal gab es Pfiffe für Habeck, immerhin. Denn wieder war der Meister der hohlen Phrase ohne konkrete Zusagen nach Schwedt gekommen. Die 1.000 Arbeitsplätze der Raffinerie und weitere 2.000 aus Zulieferer- und Servicebereichen würden alle verloren gehen, sollte das ehemalige Petrochemische Kombinat (PCK) durch die Politik der Bundesregierung in die Pleite getrieben werden.

Der Widerspruch zwischen öffentlich zur Schau gestellter Betriebsamkeit und faktischer Hoffnungslosigkeit wurde wenige Tage später deutlich. Bei der Auftaktsitzung der „Task Force“ zur Rettung des ehemaligen Volkseigenen Kombinats – unter der Leitung von Habecks Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) – wurden Wege gesucht, um den politisch gewollten Sofortausfall der russischen Öllieferungen zu kompensieren. Die fließen seit den 1960er Jahren zuverlässig über die Pipeline „Drushba“ (Russisch für „Freundschaft“) zur Weiterverarbeitung zu Benzin, Diesel und anderen Ölprodukten nach Schwedt.

Nach der Sitzung bot sich ein ähnliches Bild wie bei der großen Kundgebung: Viele Worte, wenig Hoffnung. Das liegt an ein paar ziemlich hartnäckigen Fakten. Alle Hoffnung wurde zunächst an Zulieferungen von Öl über den polnischen Hafen Danzig geknüpft. Aber dort sind alle Kapazitäten schon vergeben. Es bleibt der Hafen von Rostock. Von dort führt eine 200 Kilometer lange Pipeline zum PCK. Aber durch das 40 Zentimeter dicke Rohr fließen auch bei Anwendung aller möglichen technischen Tricks – wie Fließbeschleuniger oder neue Pumpen – maximal 6,8 Millionen Tonnen Öl im Jahr. Das PCK aber verarbeitet im Jahr rund 11,5 Millionen Tonnen, also fast doppelt so viel. Kellners Aussage, er arbeite „mit allem Hochdruck“ an einer Lösung, klingt wie Hohn. „Hochdruck“ hieße zum Beispiel – wie übrigens auch die der CDU angehörende Landrätin der Uckermark forderte –, das Ölembargo gegen Russland und Schwedt erst dann in Kraft treten zu lassen, wenn die Leitung erweitert worden ist. Das, so Kellner, sei politisch nicht gewollt. Politisch nicht gewollt ist offenbar auch die sofortige Freigabe der rund 350 Millionen Euro, die eine Erweiterung der bestehenden 40-cm-Leitung kosten würde.

Charakteristisch für die Lage sind Frage und Antwort aus einem Interview, das die „Berliner Zeitung“ am 5. Juli mit der Schwedter Bürgermeisterin Hoppe führte:

Frage der „Berliner Zeitung“: „Im Mai stellte Habeck ein Dreistufenmodell vor: Erstens soll Öl über den Hafen Rostock geliefert werden. Zweitens: Die anfallenden Mehrkosten übernimmt der Bund. Drittens: Der russische Mehrheitsgesellschafter der Raffinerie soll durch ein Treuhandmodell ersetzt werden. Was ist davon umgesetzt?“
Antwort Hoppe: „Nichts. An der Rohölzufuhr über Rostock wird gearbeitet. Die vorher geplante Ölzufuhr über Danzig spielt keine Rolle mehr. Und bei der Gesellschafterfrage hält sich Herr Kellner weiterhin bedeckt. Da kennen wir also keinen Arbeitsstand.“

Die Lage ist düster für die 35.000 Einwohnerinnen und Einwohner an der Oder, die seit der Konterrevolution 1989 einen Bevölkerungsrückgang um 42 Prozent verkraften musste.

Ob es wirklich so ist, wie Hoppe im selben Interview sagte, dass die Lage wohl besser wäre, wenn Schwedt nicht in der Uckermark, sondern tief im Westen der Republik läge, sei dahingestellt. Wahrscheinlich ist es viel schlimmer: Ob West, ob Ost, ob Süd, ob Nord – überall haben angesichts des Wirtschaftskriegskurses der „großen“ Männer und Frauen dieser Bundesregierung die sogenannten „kleinen“ Leute Angst vor den Heizungsrechnungen im kommenden Winter und um ihren Arbeitsplatz. Statt wirklicher Hilfen und verbindlicher Zusagen bekommen sie Sprechblasen. Schwedt ist kein Einzelfall – es ist das Menetekel an der Wand, das anderen die Zukunft zeigt, wenn es gegen diesen antirussischen Crashkurs keinen Widerstand gibt.

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"Viele Worte, wenig Hoffnung", UZ vom 15. Juli 2022



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