Andrea Hornung kandidiert auf Platz 2 der DKP-Liste zur EU-Wahl

„Viele wählen zum ersten Mal“

Die Physikerin Andrea Hornung (27) ist Bundesvorsitzende der SDAJ und arbeitet im Verkehrswesen. Sie kandidiert auf Platz 2 der DKP-Liste zur EU-Wahl.

UZ: Du bist Vorsitzende der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend und kandidierst auf Platz 2 der DKP-Liste zur EU-Wahl. Neben dir kandidieren 6 SDAJ-Mitglieder für die DKP. Was hat euch dazu bewogen, die Kandidatur zu unterstützen?

Andrea Hornung: Na, wen sollten wir denn sonst unterstützen? Die ganzen großen Parteien verbreiten Geschichten von Völkerfreundschaft, Frieden, Freiheit und Wohlstand über die EU. Die AfD, die sich EU-kritisch gibt, will die EU lediglich reformieren und kritisiert gerade nicht, dass sie ein Konstrukt im Interesse der Banken und Konzerne ist.

Die DKP sieht hingegen klar: Die EU ist eine militaristische, antisoziale Vereinigung kapitalistischer Länder, von der die Jugend nichts zu erwarten hat. Die DKP hat der EU den Kampf angesagt, sie ist die einzige Partei, die für die Interessen der Arbeiterklasse und der Mehrheit der Bevölkerung einsteht. Da ist es naheliegend, dass wir als SDAJ die DKP bei ihrer Kandidatur unterstützen.

UZ: Ist die EU-Wahl überhaupt ein Thema für Jugendliche?

Andrea Hornung: Natürlich zeigt die Wahlbeteiligung, dass es viele gibt, die resignieren und gar nicht mehr zur EU-Wahl gehen, weil sie denken, dass ihre Stimme nichts bringt. Da ist ja auch was Wahres dran.

Auf der anderen Seite genießt die EU gerade unter jungen Leuten ein vergleichsweise hohes Ansehen – laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung haben 62 Prozent der 18- bis 30-Jährigen Vertrauen in die EU. Das Bild der EU, die Frieden und Völkerverständigung bringt, verfängt auch unter Jugendlichen. Trotzdem: Wo noch vor ein paar Jahren zehntausende EU-Fans unter dem Motto „Pulse of Europe“ auf die Straße gingen, herrscht heute eher Katerstimmung. In anderen EU-Ländern wie in Griechenland und Portugal gehen immer wieder Menschen gegen die EU auf die Straße. Wir wollen in den Diskussionen im Wahlkampf eine kämpferische Perspektive aufzeigen – zumal bei der EU-Wahl erstmals ab 16 gewählt werden kann und viele Jugendliche zum ersten Mal wählen werden.

UZ: Wie will die SDAJ in den Wahlkampf eingreifen?

Andrea Hornung: Wir wollen deutlich machen, dass wir von der EU nichts zu erwarten haben. Arbeitszeiten von 60 Stunden die Woche, Bologna-Reform und EU-Wettbewerbsrecht und damit Konkurrenz. Dafür steht die EU.

Aktuell droht die Schienengüterverkehrssparte der SNCF in Frankreich ebenso wie DB Cargo in Deutschland von der EU zerschlagen zu werden – das würde massenhafte Entlassungen bedeuten. Die EU lässt Geflüchtete an den europäischen Grenzen ertrinken, leistet durch CO2-Zertifikate gerade keinen Beitrag zum Klimaschutz, sondern vergibt Freifahrtscheine und überlässt Klimaschutz dem Markt. Die EU dient als Vorwand für Sozialabbau. Die EU steht auch nicht für Frieden – im Gegenteil: Sie ist mit gemeinsamen Rüstungsprojekten und der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Aufrüstung Teil von Hochrüstung und der Kriegsvorbereitung gegen Russland und China.

Die EU ist die EU der Banken und Konzerne. Darüber wollen wir in Schulen, Unis und am Arbeitsplatz in die Diskussion kommen. Wir wollen die EU-Wahlen in den Gewerkschaftsjugenden zum Thema machen, wo die Haltung oft pro-EU ist, zugleich aber spannende Streikerfahrungen gemacht werden. Nicht zuletzt wollen wir öffentliche Bildungsarbeit und unsere internationale Arbeit stärken und aus Kämpfen anderer Länder lernen und gemeinsame Aktionen mit der DKP machen.

UZ: Was plant ihr in Frankfurt am Main zum EU-Wahlkampf?

Andrea Hornung: Wir sind keine Wahlkampfpartei, sondern eine Jugendorganisation, die die Klassenkämpfe, die es gibt, aktiv unterstützt und stärkt. Gerade arbeiten wir zum Beispiel im Rahmen der hessischen Tarifrunde der Länder, von der auch Genossinnen und Genossen von uns betroffen sind. Wir beteiligen uns an Warnstreiks oder an den Demonstrationen zu Palästina und gehen zum Frauenkampftag auf die Straße. Bei all diesen Aktivitäten spielen natürlich auch die EU-Wahlen und unsere vier Kandidatinnen und Kandidaten aus Frankfurt am Main eine Rolle.

Bei den Ostermärschen werden wir mit einer Kleinzeitung auftreten, in der wir die Haltung Deutschlands und der EU zu Krieg und Frieden deutlich machen. Schon bei der Sammlung der Unterstützerunterschriften haben wir die Erfahrung gemacht: Die Diskussionen lohnen sich, um Kontakte zu knüpfen und nach außen zu treten. Das wollen wir in den nächsten Wochen und Monaten fortführen.

UZ: In dieser Zeit von Krieg, Krise und reaktionärem Staatsumbau Vorsitzende des sozialistischen Jugendverbandes zu sein ist sicher nicht einfach. Was gibt dir die Kraft, heute für eine sozialistische Alternative zu kämpfen?

Andrea Hornung: Uns wird tagtäglich vor Augen geführt, dass der Kapitalismus keine Zukunft hat, dass uns dieses System keine Perspektive bietet. In der SDAJ erlebe ich aber immer wieder, dass man sich wehren kann. So zum Beispiel in Dortmund, wo es gelungen ist, an einer Schule mehr Buslinien zu erkämpfen. Das wichtigste Ergebnis dieses Kampfes ist aber nicht bloß der Erfolg selbst, sondern dass die Schülerinnen und Schüler dort gelernt haben, dass es sich lohnt, gemeinsam zu kämpfen und dass wir etwas erreichen können, wenn wir uns zusammenschließen.

In diesem System, wo wir ansonsten immer und überall Konkurrenten sind – um den Ausbildungsplatz, den Job, die Wohnung –, sind solche Erfahrungen enorm wichtig. Solche Erfahrungen und die gemeinsame Organisation in der SDAJ zeigen uns: Wir sind nicht allein mit unseren Problemen, sind nicht selbst schuld daran, wie man uns oft genug erzählen möchte. Der gemeinsame Kampf für eine Gesellschaft jenseits von Profitprinzip, Marktlogik und Konkurrenz, für den Sozialismus, ist unsere einzige Perspektive!

UZ: Die SDAJ wächst und stabilisiert sich. Ende März führt ihr euren 26. Bundeskongress durch. Worüber werdet ihr hauptsächlich beraten?

Andrea Hornung: Unser kommender Bundeskongress ist ein besonderer Bundeskongress: Wir werden dort eine neue programmatische Grundlage, das Zukunftspapier, beschließen. Dort analysieren wir den Kapitalismus der heutigen Zeit – den Imperialismus –, fordern Grundrechte der Jugend zum Beispiel für (Aus-)Bildung, Frieden oder Freizeit und beschreiben unseren Weg zum Sozialismus.

Wir werden auf dem Kongress natürlich auch die aktuelle politische Lage einschätzen und unsere Aufgaben für die nächsten zwei Jahre festhalten. So werden wir über die Gründung weiterer Schul- und Betriebsgruppen, über stärkere Begleitung von Tarifrunden und über die Stärkung unserer ideologischen Arbeit zum Beispiel durch Verdopplung unserer Schulungsangebote diskutieren. Wir werden darüber beraten, wie wir mehr Kämpfe führen und initiieren können, wie wir dem zunehmenden Militarismus entgegentreten können. Wir werden darüber sprechen, wie wir unsere Kuba-Solidaritätsarbeit stärken können und wie wir die mehr als 55 Jahre Geschichte der SDAJ bekannter machen können.

Insgesamt sind fast 600 Änderungsanträge eingegangen, unsere Gliederungen haben sich sehr ernsthaft mit den Anträgen auseinandergesetzt – jetzt freuen wir uns auf einen diskussionsreichen und erfolgreichen Kongress!

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"„Viele wählen zum ersten Mal“", UZ vom 8. März 2024



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