Die Politik ist darauf leider noch nicht eingegangen“ – so formulierte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), wie die Bundesregierung auf die Vorschläge für eine bessere Personalausstattung in den Kliniken reagiert hat. Die PPR 2.0 sei ein Modell, das zur Lösung des Personalmangels beitragen könne. In der vergangenen Woche veranstaltete die DKG in Berlin ihren „Krankenhausgipfel“, die Bundeskanzlerin richtete ihren Dank an die Klinikträger aus, die DKG forderte einen „Kurswechsel Krankenhauspolitik“.
Die „Pflegepersonal-Regelung“ PPR 2.0 hat die DKG gemeinsam mit ver.di und dem Deutschen Pflegerat entwickelt. Mit diesem Werkzeug kann nach wissenschaftlichen Erkenntnissen berechnet werden, wie viele Pflegekräfte auf einer Station im Krankenhaus jeweils gebraucht werden. Die Bundesregierungen unter Kohl und Schröder hatten dafür gesorgt, dass das Pflegepersonal nicht mehr nach Bedarf berechnet, sondern nach Fallpauschalen finanziert wird, so dass die Krankenhausträger in den vergangenen zwanzig Jahre einen Anreiz hatten, an den Pflegekräften zu sparen.
Das benennt auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in seiner Rede auf dem Krankenhausgipfel – und lobt seine Regierung dafür, „die größte Veränderung in der Finanzierung Krankenhäuser seit zwanzig Jahren“ verwirklicht zu haben: „die Herauslösung der Pflege aus der Logik der Fallpauschalen“. Die PPR 2.0 sei unnötig, weil seine Regierung jede neue Pflegestelle finanziere, das Problem sei: „Viele trauen dem Ganzen noch nicht“ – denn Pflegekräfte verlassen noch immer ihren Beruf, sie rechnen nicht damit, dass die Arbeitsbedingungen sich ernsthaft verbessern werden.
„Ich sage nicht, dass das Fallpauschalen-System perfekt ist“, gibt Spahn zu. Dieses System hat dazu geführt, dass die Kliniken am Markt ausgerichtet wurden – mit den entsprechenden Folgen für die Struktur der Versorgung: Klinikträger wollen lukrative Behandlungen durchführen, für die Grundversorgung fehlt das Geld. Die Fallpauschalen haben eine bedarfsorientierte Krankenhausplanung unmöglich gemacht – aber gerade weil die Struktur nicht am Bedarf ausgerichtet sei, müsse die Finanzierung der Leistung folgen, erklärt Spahn. Er geht davon aus, dass vor allem in den Ballungsräumen eine „Überversorgung“ durch die Krankenhäuser abgebaut werden müsse. Das bedeute auch, Kliniken zusammenzulegen.
Der Personalmangel sei „die größte Herausforderung für die Zukunft“, schätzt die DKG ein. Sie vertritt öffentliche, gemeinnützige und private Träger. Inzwischen fehlen so viele Pflegekräfte, dass die DKG mit der Gewerkschaft zusammen eine gesetzliche Personalbemessung fordert – und auf dem Krankenhausgipfel darüber diskutieren ließ, wie die Träger die Arbeitsplätze ihrer Beschäftigten attraktiver machen könnten.
„PPR 2.0“ statt „DRGs“
1994 wurde die erste Pflegepersonalregelung (PPR) eingeführt. Bestandteil der PPR war es, täglich den Pflegebedarf pro Patient zu erheben. Die Auswertung ergab eine unzureichende Pflegepersonalausstattung. Aufgrund der Regelungen wurden von 1994 bis 1996 im Pflegebereich 16.000 neue Stellen geschaffen.
Die PPR wurde 1997 wieder abgeschafft, um Kliniken für Privatisierungen attraktiv zu machen. Ende der Neunzigerjahre und noch einmal nach Einführung der Diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRGs) 2003 wurden massiv Stellen abgebaut.
Finanziert wurde nicht mehr über Budgets oder Tagessätze, sondern jeder Fall einzeln – mit einem über eine medizinische Codierung ermittelten Preis, der Fallpauschale. Die Klinikbetreiber verdienen dabei viel an Operationen, Herzkatheteruntersuchungen und endoskopischen Untersuchungen und Behandlungen, unprofitabel sind dagegen arbeitsintensive Bereiche wie die Kinderkliniken oder Diabetologie. In großem Ausmaß hat das seit 2003 zu Unter- und Fehlversorgung geführt. Ein Hintergrund zum Thema PPR 2.0 ist unter dem Titel „Konzernprofite sind schlecht für die Gesundheit“ in der UZ vom 11. Juni erschienen.