Dschihadisten werden vom Ausland hofiert – vor allem aus den USA und Israel

Viele Syrer fühlen sich bedroht

HTS hat die Macht in Damaskus übernommen – und alle, alle kommen und machen ihre Aufwartung. Vertreter der Regierungen der Region, der türkische Außenminister, eine Delegation der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) und eine Abordnung christlicher Kirchen geben sich die Klinke in die Hand. Auch Daniel Rubinstein, der Sondergesandte der USA, traf sich mit dem neuen syrischen Außenminister Asaad Hassan al-Schaibani. Der ukrainische Außenminister Andrej Sybiha traf den neuen Machthaber Ahmed Hussein al-Scharaa und sprach von den „gemeinsamen Erfahrungen mit Russland“. Wer nicht kam, war ein Vertreter Israels. Denn die Beziehungen der HTS zu Israel sind schon lange bestens.

Maher Marwan, der neu eingesetzte Gouverneur von Damaskus, rief die USA dazu auf, ihren Einfluss zu nutzen, um herzliche Beziehungen zwischen Israel und Syrien zu ermöglichen. Wie die spanische Zeitung „El Pais“ berichtete, waren die Beziehungen zwischen israelischen Soldaten und Einwohnern der neu besetzten Gebiete auf dem Golan dagegen alles andere als herzlich. Die Soldaten drohten protestierenden Einwohnern ein Vorgehen „wie in Gaza“ an.

Mit der Machtübernahme durch die Dschihadisten fühlen sich viele Syrer bedroht. Tatsächlich gab es viele Fälle von Lynchjustiz und Angriffen auf Angehörige von Minderheiten nach einem Motto der ersten Kriegsmonate. Damals hieß es in vielen Graffitis: „Christen nach Beirut, Alawiten ins Grab!“ Damals wie heute beließen es die Dschihadisten nicht bei Worten. Schlagzeilen machten nicht so sehr die Angriffe auf Menschen, sondern ein Bericht über einen Weihnachtsbaum, der in der Nähe von Hama von Dschihadisten verbrannt wurde. Die USA und ihr Sondergesandter Rubinstein zeigten sich besorgt darüber. Der neue Machthaber al-Scharaa beruhigte sie. Es sei nicht Politik der HTS, sondern Einzelfälle, die von anderen Gruppen begangen wurden. Inwieweit die Machtübernahme durch HTS erst die Voraussetzung für solche Einzelfälle geschaffen hat und inwieweit HTS-Mitglieder doch involviert sind, ist eine andere Frage.

Strukturelle Gewalt gibt es vor allem in den von Israel neu besetzten Gebieten am Golan und seiner Umgebung und im Norden des Landes. Hier kam es zu Kämpfen zwischen den SDF und der türkischen Armee und ihren Hilfstruppen der „Syrischen Nationalarmee“, die Manbidsch eroberten. Später kam es zu einem Gegenangriff der SDF, die einige Dörfer in der Nähe von Manbidsch zurückeroberten. Die Türkei will dort offenbar zwei neue Militärstützpunkte errichten. Einer davon wurde von den SDF angergriffen. Mittlerweile ist es den USA gelungen, einen Waffenstillstand um Manbidsch zu erreichen, der nach Angaben des Pentagon eingehalten wird.

Eine vorbereitende Gesprächsrunde zwischen al-Scharaa und hochrangigen Vertretern der SDF in Damaskus blieb vorerst ohne Ergebnis. Beide Seiten einigten sich darauf, die Gespräche in Zukunft fortzusetzen.

Mehrere unabhängige Organisationen und Persönlichkeiten veröffentlichten eine Erklärung, in der sie unter anderem forderten, die neue Regierung dürfe keine internationalen Übereinkünfte unterzeichnen. Dies dürfe erst durch eine gewählte Regierung erfolgen. Ausländische Kämpfer müssten die syrischen Städte verlassen und dürften nicht Teil der neuen Armee werden. Sie forderten die Umsetzung der UN-Resolution 2254, die 2015 von Russland, der Türkei und dem Iran initiiert worden war und als Grundlage für die jahrelangen Verhandlungen in Astana diente.

Vorerst jedenfalls hat die HTS mit ihren Waffen, ihren Ministern – alle Minister sind Angehörige der HTS – und dem internationalen Wohlwollen das Sagen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.



UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
Unsere Zeit