Tesla, Schwedt und Lausitz – Das deutsche Kapital hofft auf Stabilität durch das BSW

Viel verpufft in Brandenburg

Kolumne

Der wirtschaftliche und soziale Anschluss-Kahlschlag traf das Land Brandenburg so, wie alle ostdeutschen Bundesländer. Aber der von 1990 bis 2002 als Ministerpräsident amtierende DDR-Kirchenjurist Manfred Stolpe sorgte dafür, dass einiges nicht so schlimm aussah, wie es in Wirklichkeit war. Gegen Stolpe entfachte zudem speziell der „Spiegel“ in den 90er Jahren eine „Stasi“-Treibjagd, die repräsentativ für den Umgang mit Ostdeutschland war. Das stärkte seinen Rückhalt in der Bevölkerung und den für die SPD sowie später für die PDS/Die Linke – beide Parteien bildeten von 2009 bis 2019 eine Koalition. Was sie von der „Wiedervereinigung“ insgesamt hielten, demonstrierten die Brandenburger Wähler am 5. Mai 1996. An ihnen scheiterte an diesem Tag die Volksabstimmung über die Fusion mit Berlin. Nur die Westberliner stimmten mehrheitlich dafür.

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Arnold Schölzel

Die großen Industriestandorte, die von der DDR in der „märkischen Streusandbüchse“ errichtet worden waren, beseitigte oder schrumpfte die Treuhand: Es verschwanden die Lkw-Produktion in Ludwigsfelde, die Elektroindustrie in Teltow, die optische Industrie in Rathenow, die Textilindustrie in Premnitz. Zehntausende Arbeitsplätze in der PCK-Raffinerie und der Papierfabrikation in Schwedt an der Oder, im Stahlwerk Brandenburg an der Havel, im Hüttenwerk in Eisenhüttenstadt verschwanden – mit anschließender Abwanderung und Veralterung. An die Braunkohlentagebaue und Kraftwerke in der Lausitz traute sich zunächst niemand heran.

In den vergangenen Jahren verzeichnete Brandenburg dann wieder das höchste Wirtschaftswachstum der deutschen Flächenländer (2023: 2,1 Prozent), der Landkreis Teltow-Fläming kam ökonomisch dem Landkreis Freising bei München gleich. Aber zuletzt stockte einiges. Die bisher größte Industrieansiedlung in Ostdeutschland seit 1990, das Tesla-Werk mit Tausenden Arbeitsplätzen in Grünheide bei Berlin wurde gegen alle Bedenken von Anwohnern und Naturschützern sowie unter Umgehung von Rechtsvorschriften in kürzester Frist errichtet. Am Montag aber urteilte die FAZ: „Der Tesla-Effekt ist verpufft, und die Ausbaupläne für das Werk in Grünheide liegen auf Eis.“ Die Bauwirtschaft in Brandenburg trete auf der Stelle, der chinesische Batteriehersteller Svolt habe sich aus Lauchhammer, wo ein Batteriezellenwerk mit 1.000 Arbeitsplätzen entstehen sollte, zurückgezogen. Nur mit einer Förderzusage für den geplanten Lithiumkonverter der kanadischen Rock Tech Lithium in Guben habe die Landesregierung das Aus für ein weiteres Prestigeprojekt verhindert. Die FAZ warnte, bei „instabilen Mehrheitsverhältnissen in Potsdam“ werde die Neigung internationaler Investoren zu Brandenburg beeinträchtigt. Das Sprachrohr des westdeutschen Großkapitals – ostdeutsches gibt es nicht – sagte eine Koalition aus SPD und BSW voraus, mit der es kein Problem hat.

Das Desaster, das die „Ampel“ durch Abtrennung vom russischen Öl in der Raffinerie in Schwedt angerichtet hat, erwähnte die FAZ nicht. Vom Misstrauen der Kohlekumpel in der Lausitz gegenüber den großen Versprechungen für Ersatzarbeitsplätze – keine Silbe.

Bleibt noch das Problem, das der Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), sich selbst bereitet hat. Er kündigte im August an: „Wenn ich gegen die AfD verliere, bin ich weg.“ In Umfragen holte die SPD seither zwar auf, lag aber am vergangenen Wochenende zwischen ein und drei Prozent hinter der AfD. Die Bürgermedien behaupten aufgeregt, von Woidkes Wahlsieg hänge die Kanzlerschaft von Olaf Scholz ab. Der „Spiegel“ dramatisierte am Sonnabend: „Woidke ist die letzte Bastion.“ Nur er könne „der SPD helfen, nicht umgekehrt“. Über deren Kriegspolitik, die in Brandenburg die Wähler vermutlich am meisten beschäftigt, steht im „Spiegel“ selbstverständlich nichts.

Ob mit oder ohne Woidke: Das BSW wird die politische „Stabilität“ liefern, wirtschaftlich wird’s zumindest rucklig.

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"Viel verpufft in Brandenburg", UZ vom 20. September 2024



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