Die Gaspreisbremse deckelt vor allem Preise für Konzerne, zahlen sollen wir

Viel Geld für die, die viel haben

Nun sollen Bundesregierung und Bundestag entscheiden: Am Montag legte die vom Kabinett eingesetzte „Expertenkommission“ ihren Vorschlag für die Gaspreisbremse vor. Sie hat ihren Berechnungen zufolge ein Volumen von 96 Milliarden Euro. Der Anteil vom „Doppelwumms“ wird zunächst auf dem Kapitalmarkt aufgenommen. Zurückzahlen werden ihn – plus Zinsen und Zinseszinsen – die Steuerzahler und über Mehrwert- und andere Verbrauchssteuern auch Erwerbslose und Geringverdiener. Sie finanzieren dann in den kommenden Jahren die Entlastungen, die jetzt den Durchhaltewillen im „Energiekrieg“ gegen Russland stärken sollen – ein Begriff, den Bundesfinanzminister Christian Lindner bei der Vorstellung des Berichts noch einmal bekräftigte.

An die Finanzierung über eine Vermögensabgabe oder Sondersteuern für die Energiekonzerne ist noch nicht einmal gedacht worden – war nicht Regierungsauftrag.

Das Vorschlagspaket besteht aus zwei Stufen. Die Abschlagszahlungen für Dezember übernimmt der Staat. Verfahrenstechnisch sollen sie für Mieter und Gaskunden schlicht entfallen. Die Rechnungssteller holen sich die entsprechenden Forderungen von der Bundesregierung. Maßgeblich für die Höhe sind die im September gezahlten Abschlagszahlungen. Wem also schon jetzt die Abschläge erhöht wurden, bekommt mehr, wer bisher bei den alten Abschlägen geblieben ist, entsprechend weniger Entlastung. Auch sonst sei, hieß es in Berlin, Schnelligkeit vor Ausgewogenheit gegangen. So bekommt der Vorstandsvorsitzende eines Konzerns den September-Abschlag für seine Villa mit Pool ebenso ersetzt wie die alleinerziehende Mutter in einer Großstadt-Mietwohnung.

Bis März herrschen dann zunächst einmal die Marktgesetze – allerdings nicht für Industrie-Gaskunden. Die nämlich zahlen schon ab Januar für 16 Monate für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs einen Festpreis von 7 Cent pro Kilowattstunde. Ab März sind dann die anderen dran: Private Haushalte und „Kleine und Mittlere Unternehmen“ zahlen für dann noch 14 Monate für 80 Prozent ihres Vorjahresverbrauchs 12 Cent. Referenzmonat ist wieder der September 2022. Alles was darüber hinaus verheizt oder fürs Brötchenbacken verbraucht wird, regelt wieder der Markt. Fernwärmekunden erhalten an diese Grundorientierungen angelehnte Regelungen. Wer mit Öl, Strom, Kohle oder Holz heizt, ist von den Regelungen erst einmal nicht betroffen und soll sehen, wie er über den Winter kommt.

Wie tief auch diese neuen Preise in die Konten von Gaskunden eingreifen, macht ein Blick in die Vergangenheit des Jahres 2021 – also vor der Eskalation des seit 2014 schwelenden Krieges in der Ukraine – deutlich: Bis zum Oktober dieses Jahres lag der durchschnittliche Gaspreis in Deutschland bei 5 bis 8 Cent pro Kilowattstunde. Das ist ungefähr das Preisniveau, das den industriellen Großkunden nun für die kommenden Monate gewährt wird. Kleineren und mittleren Unternehmen, Arbeitern, Angestellten und Erwerbslosen, die mit Gas heizen, wird das Doppelte zugemutet.

Im Endergebnis bekommen alle unabhängig vom tatsächlichen Einkommen eine Abschlagszahlung, von der diejenigen am meisten profitieren, die auch bis jetzt schon am meisten Gas verbraucht haben. Der vielbeschworene Gaspreisdeckel ist am größten für die großen Konzerne und am kleinsten für die kleinen Unternehmen und alle, die mit dem Gas vor allem kochen, duschen und ihre Wohnung heizen wollen.

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"Viel Geld für die, die viel haben", UZ vom 14. Oktober 2022



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