Aufsicht testet und stellt „deutlich höhere Widerstandsfähigkeit“ fest

Vertrauenswerbung für die Banken

Von Lucas Zeise

Es war der vierte Stresstest, dem sich die großen Banken in der EU unterziehen mussten. Veranstalter war die EBA (Europäische Bankenaufsicht), die mit der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammenarbeitete, die ihrerseits für die Aufsicht der großen Banken im Eurogebiet zuständig ist. Geprüft wurden 51 Banken aus 16 Ländern, darunter neun aus Deutschland. Der Stress des Tests bestand in den Annahmen einer Konjunkturkrise (Schrumpfung der Wirtschaft um 1,2 Prozent in diesem Jahr und weitere 1,3 Prozent im nächsten) und entsprechend sinkenden Immobilien- und Aktienpreisen. Wie hoch würden die Verluste der Bank dann sein, wie viel Eigenkapital der Bank würde von diesen Verlusten aufgezehrt werden und wie viel Eigenkapital würde im Verhältnis zur Bilanzsumme dann übrig bleiben? Das waren die Fragen. Die Ergebnisse wurden vor einer Woche öffentlich gemacht – und von den Veranstaltern positiv kommentiert.

Danièle Nouy, die oberste Bankenaufseherin bei der EZB, sagte, der Bankensektor sei heute deutlich widerstandsfähiger als noch vor zwei Jahren. Wahrscheinlich hat sie sogar recht mit ihrer Einschätzung. Die Banken waren schließlich von den Aufsehern nach den erneuerten internationalen Richtlinien, genannt „Basel III“,verpflichtet worden, mehr Eigenkapital vorzuhalten. Wenn mehr davon da ist, bleibt nach Verlusten in schlechten Zeiten auch mehr übrig. Aber all das hängt von den Annahmen ab. Die Annahme einer Bankpleite in einem EU-Land oder die Pleite eines Eurolandes selber tauchten in den Szenarien nicht auf. Griechische und portugiesische Banken wurden mangels Größe gar nicht getestet.

Interessanter als der Überblick über die gesamte EU-Bankenlandschaft wirkte dann die relative Position der Einzelbank gegenüber der Konkurrenz. Nur eine Bank hatte am Test­ende rechnerisch eindeutig zu wenig Eigenkapital übrig. Das war die drittgrößte Bank Italiens, die Banca Monte die Paschi di Siena, die zugleich die älteste noch funktionierende Bank der Welt ist. Über ihre Probleme war schon so viel geschrieben worden, dass auch das niemanden mehr überraschte. Die Führung des Sieneser Instituts erklärte einige Stunden vor der Veröffentlichung des Stresstests, dass sie eine Kapitalerhöhung von etwa 5 Mrd. Euro vornehmen und ihre faulen Kredite zu einem Drittel des Nominalwertes verkaufen und auslagern werde. Wer die faulen Kredite und die Kapitalerhöhung übernehmen werde, verschwieg die Bank. Diese kleine Krise geht jedenfalls weiter. Die beiden größten deutschen Banken, die Deutsche Bank und die Commerzbank, waren nach Ergebnissen des Stresstests unter den zehn schlechtesten zu finden und lagen dieses Mal auch hinter allen sonst so geschmähten öffentlichen Landesbanken. Der Stresstest ist eine durchaus aufwändige Übung. Für jede der 51 getesteten Banken wurden 16 000 Einzeldaten geprüft. Bei der EZB waren 200 Fachleute mit dem Test beschäftigt.

Welchen Zweck hatte die Veranstaltung? Nach dem ersten Sturm des Finanzdesasters begriffen selbst die erzliberalen EU-Politiker, dass es notwendig war, die Standards der Bankenaufsicht anzuheben und aneinander anzugleichen. So entstand die Europäische Bankenaufsichtsbehörde oder European Banking Authority (EBA) mit Sitz in London. Die kleine Behörde mit anfangs gerade mal 40 Angestellten nahm Anfang 2011 ihre Arbeit auf. Ihr expliziter Auftrag lautete, zu einem europäischen Regelwerk der Bankenaufsicht beizutragen und die Aufsichts­praxis der nationalen Aufsichtsbehörden einander anzunähern. Es war also mehr ein Beratungs- als ein Entscheidungsgremium. Die Behörde sollte nur dann entscheiden, wenn sich verschiedene nationale Aufseher bei einer Bank mit grenzüberschreitenden Geschäften absolut nicht einig werden könnten.

Die EBA hat nicht nur ihren Sitz in London, sie wird auch von der britischen Bankaufsicht und den hinter ihr stehenden Banken dominiert. Schließlich weist Britannien den bei weitem größten Bankensektor aller EU-Staaten auf. Und mit dem kleinen Stab an Leuten begann die EBA, kaum gab es sie, den ersten wirklich EU-weiten Stresstest der Banken. Warum ging das so schnell? Weil die Banken sich gegenseitig immer noch nicht trauten, obwohl im Frühjahr 2011 fast vier Jahre seit Ausbruch der Finanzkrise vergangen waren. Die Testergebnisse sollen das Vertrauen festigen. Deswegen werden sie veröffentlicht. Außerdem haben die großen und starken Banken ein Interesse an so einem Stresstest. Er soll ihre Wettbewerbsposition verbessern. Die Veranstaltung wurde und wird allerdings von den Bankern selbst nicht ganz ernst genommen. Sie wissen, dass die Details des Tests von den heimischen, nationalen und altbekannten Aufsehern durchgeführt werden und dass mit den Annahmen kein wirklicher Stress verbunden ist. Einen früheren Test hatten die spanische Bankia und die belgische Dexia gut bestanden, um kurz danach vor der Pleite gerettet werden zu müssen.

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"Vertrauenswerbung für die Banken", UZ vom 5. August 2016



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