Das erst im November 2024 gegründete Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung hatte für den Donnerstag vergangener Woche zu einer Podiumsdiskussion über die für 2026 geplante Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschlandeingeladen. Lühr Henken, Ko-Vorsitzender des Bundesausschusses Friedensratschlag, war zum Kurzreferat aus Berlin gekommen und diskutierte mit Vertretern von drei Parteien: Der SPD-Direktkandidatin Nadine Ruf, dem „Linke“-Direktkandidaten im Main-Taunus-Kreis Thomas Völker und Pascal Lauria vom BSW Frankfurt. Die Grünen waren angefragt, hatten aber keine Stellung bezogen zu dem, was bis 2026 für die US-Kommandozentrale in Wiesbaden geplant ist und waren nicht vertreten.
Lühr Henken begann mit einem Zitat des ehemaligen Militärberaters von Angela Merkel, Erich Vad, über den „Ernstfall in Deutschland“. Er führte aus: Dark Eagle, „die gefährlichste Waffe“, sei eine Enthauptungsschlagwaffe. 8 bis 32 dieser Langstre-ckenraketen, die in 10 Minuten Moskau treffen können und unter dem Radar fliegen, wollten die USA in Deutschland stationieren. Die behauptete „Fähigkeitslücke“ der NATO gebe es nicht, so der Referent. Die USA hätten in Trumps erster Amtszeit einseitig den INF-Vertrag mit Russland gekündigt und die russischen Verhandlungsangebote damals nicht genutzt. „Die US-Waffen hierzulande gefährden einseitig die Stabilität“, so sein Resümee. Angesichts der bereits bestehenden Überlegenheit der NATO gegenüber Russland – laut Greenpeace Studie vom November 2024 gibt die NATO mehr als zehn Mal so viel für das Militär aus als Russland – sei alles Gerede von einer vermeintlichen russischen Bedrohung aus der Luft gegriffen.
Auf dem Podium waren sich die Sprecher aller drei vertretenen Parteien einig: Diese Waffen wollen wir nicht. Nadine Ruf, seit Anfang 2024 für die SPD als Nachrückerin im Bundestag, hält sie für „unnötig“. Allerdings konnte sie keinen Hebel erkennen, wie die Stationierung verhindert werden könne. Der Bundestag habe „in dieser Sache kein Mitspracherecht“, so Ruf. Sie ergänzte: „Wir können nicht erzwingen, dass es zu einer Veränderung der Verträge (mit den USA, die Redaktion) kommt.“ Da ist der Politiker von „Die Linke“, Thomas Völker, studierter Friedens- und Konfliktforscher, ganz anderer Meinung. Richtig sei, nach dem bestehenden Vertrag müsse der Bundestag nicht gefragt werden. Doch man könne Verträge in Frage stellen. Unter Applaus verkündete er: „Die Militärbasen dürfen nicht weiter existieren.“ Pascal Lauria vom neu gegründeten Frankfurter Kreisverband des BSW sprach sich nicht nur gegen jede Raketenstationierung, sondern auch gegen alle Waffenlieferungen aus – egal wohin.
In der folgenden Diskussion wurde kritisiert, dass die SPD viel zu viel an Auf- und Hochrüstung mitmache. Teilnehmer riefen dazu auf, den Protest auf die Straße zu tragen. Unterdessen machte die Unterschriftenliste des Berliner Appells im vollbesetzten Saal die Runde.
Für einen guten Abschluss sorgte eine Wortmeldung des 80-jährigen Wiesbadener Alt-Oberbürgermeisters Achim Exner. Was ihm fehle, so der Sozialdemokrat, seien Debatten im Parlament: Im Rathaus, im Bundestag. Entsetzt sei er, dass Boris Pistorius von „Kriegstüchtigkeit“ spreche. Und dann verkündete er unter Applaus im Hinblick auf die geplante Raketenstationierung: „Jeder Vertrag kann auch geändert werden.“
Bundesweite Demo in Wiesbaden:
Gegen Mittelstreckenraketen in Deutschland
29. März, 12 Uhr
Vom Hauptbahnhof zum Kranzplatz