Einmal im Jahr gibt es das Klassentreffen des wichtigsten Wirtschaftsverbandes mit den politischen Hauptakteuren: Der „Tag der deutschen Industrie“, diesmal am 20. Juni, wird veranstaltet vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Dazu laden die Wirtschaftsführer die Verantwortlichen der staatstragenden Parteien ein, damit diese sich anhören, wo die Herren – seltener die Damen – der Schuh drückt und was ihrer Meinung nach ihr ausführendes Organ in nächster Zeit zu tun habe. Merkel, Schulz, Dobrindt, Lindner und Özdemir durften auch was sagen und hatten dafür dann jeweils 20 bis 25 Minuten Zeit. Eine solche Veranstaltung ein sehr einleuchtendes Beispiel für das, was „staatsmonopolistischer Kapitalismus“ zu Recht genannt wird.
Der BDI warnt vor negativen politischen Folgen der angeblich rund laufenden Konjunktur. „Die gute Wirtschaftslage ist kein Freifahrtschein zum Ausruhen“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf in Berlin. „Unser Erfolg ergibt sich auch aus einem schwachen Eurokurs, einem moderaten Ölpreis und einer expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Das alles sind Faktoren, auf die wir nur sehr bedingt Einfluss haben.“ Dass gerade die Politik der Bundesregierung alles dafür tut, diesen „Erfolg“ zu sichern, wurde noch nicht mal lobend erwähnt.
Von den Bundesparteien forderte Kempf im Wahlkampf konkrete Konzepte, um den Standort Deutschland angesichts globaler Risiken zukunftsfest zu machen. „Die Haushaltsüberschüsse von Bund, Ländern und Gemeinden geben Spielraum, um mehr in die Zukunft und in Bildung zu investieren.“ Was Zukunftsinvestitionen seien, wurde dann in den einzelnen Punkten des Tagesablaufs deutlich: In der Steuerpolitik müsse sich Deutschland dem verschärften internationalen Steuerwettbewerb stellen. Statt Steuersenkungen nach dem Gießkannenprinzip forderte der BDI Steuerstrukturreformen, notwendig sei eine intensive Diskussion über die zukünftige Finanzierung der Energiewende. Eine Absage erteilte der BDI Ideen für eine Absenkung der Stromsteuer, die ist nämlich eine Verbrauchssteuer, wird an die Endverbraucher umgelegt und interessiert die Industrie nicht.
Behauptet wird, wir lebten immer länger und wir lebten immer besser, was angesichts von Niedrigrenten und Altersarmut unverschämt ist, aber den BDI interessiert, wie sich die industrielle Gesundheitswirtschaft dieses Geschäftsfeld komplett unter den Nagel reißen kann? Weitere wichtige Fragen lauteten: Nehmen uns Roboter die Arbeitsplätze weg? Wäre das so schlimm? Wie kann die deutsche Industrie weiterhin auf internationalen Märkten bestehen? Wie kann man das kreative Potenzial in unserer Gesellschaft freilegen? Deutschlands Wirtschaft ist auf dem Weltmarkt zu Hause. Von Deutschland und Europa fordert der BDI weltweit ein stärkeres Engagement für eine globale Wirtschaftsordnung, die sich durch klare Regeln und Offenheit auszeichnet. Für notwendige Reformen in der EU sollten Änderungen der europäischen Verträge kein Tabu sein, ein eigener Haushalt für die Eurozone und ein Euro-Finanzminister seien notwendig. Madame Merkel und Monsieur Macron haben sofort verstanden und wenige Tage später genau in diese Richtung in Brüssel auf einem EU-Gipfel argumentiert. Der gesamte Fragenkatalog, der selbstverständlich gemeint ist als Aufgabenheft für die staatlich Handelnden, lässt deutlich werden, wohin es nach dem Willen der Kapitalkräfte in den nächsten Jahren gehen soll und wird.