Robert Fitzthum
China verstehen – Vom Aufstieg zur Wirtschaftsmacht und der Eindämmungspolitik der USA
Promedia Verlag 2018
221 Seiten, 17,90 Euro
„Wer eine Woche in China lebt, kann ein Buch darüber schreiben. Wer Monate in China verbringt, schreibt vielleicht noch einen Artikel. Wer Jahre hier verbringt, schreibt gar nichts mehr.“ So erklärte mir eine Genossin einmal, warum sie zwar seit Jahrzehnten in China lebt, aber nichts darüber publiziert.
Robert Fitzthum lebt nach Verlagsangaben immerhin seit 2013 in China und hat bei Promedia dennoch ein 221 Seiten starkes Buch unter dem Titel „China verstehen“ herausgebracht. Dieser vielversprechende Titel klingt nach „Chinesisch lernen in 24 Stunden“, es ist aber eher eine Argumentationshilfe für all diejenigen geworden, die der China-feindlichen Berichterstattung in den Medien etwas entgegensetzen wollen.
Die VR China sei, so Fitzthum, keine Bedrohung für Europa – im Gegenteil. Das Land, an dessen Spitze eine Kommunistische Partei steht, habe ein Interesse an einem friedlichen Aufstieg. Und der geht rasant vonstatten. Fitzthum beziffert Chinas Wirtschaftswachstum zwischen 1980 und 2016 mit 9,6 Prozent pro Jahr, das nominale BIP Chinas werde zwischen 2025 und 2030 das der USA überholen. Er geht auf die Widersprüche ein, die mit diesem Wachstum verbunden sind, beschreibt die Erfolge bei der Bekämpfung der absoluten Armut und die Steigerung der Reallöhne wie auch die wachsende Ungleichheit, bei der er mit dem Jahr 2010 eine Trendwende konstatiert.
In ihren ersten Jahren habe die nun seit 40 Jahre durchgeführte Politik der Reform und Öffnung „sehr pragmatisch(e) Antworten auf Mangelsituationen“ geliefert, die „nicht zentral ‚ausgedacht‘“ gewesen seien. Fitzthum legt die verschiedenen Phasen der Entwicklung dar und bezieht sich dabei immer wieder auf auch in Deutschland geschürte China-Ängste. Zu der Frage, welche Absichten wohl hinter den Investitionen chinesischer Unternehmen in Europa stecken könnten, lautet seine einfache Antwort: „Es geht ums Geschäft.“
Fitzthum beschreibt – bedauerlich knapp – die Besonderheiten der chinesischen Wirtschaft, erklärt Rolle und Umfang des Staatseigentums. Staatsbetriebe seien in „kommerzielle“, „strategisch wichtige“ und „öffentliche Dienstleistungen erfüllende“ unterteilt worden. Letztere seien nicht rein marktorientiert, strategische Unternehmen vor allem in militärisch relevanten Bereichen oder in Schwerpunkten der Industrie tätig. Des Weiteren geht er – ebenfalls sehr knapp – auf das Projekt „Neue Seidenstraße“ ein, mit dem China seit 2013 eine neue Entwicklungsstrategie umsetzt, die das Land unabhängiger von den Exporten in die USA machen soll. Mit dem Projekt hat China bereits mit über 80 Ländern Kooperationsverträge abgeschlossen und über 50 Milliarden US-Dollar investiert. Vielleicht auch ein guter Weg, die Dollar-Reserven loszuschlagen, die sich in der Staatskasse aufgrund des Exportüberschusses im Handel mit den USA angesammelt haben. Etwa 20 Prozent der chinesischen Exporte sollen 2018 wieder in die USA gehen – daran haben auch die bisher von der Trump-Regierung verhängten Zölle nichts geändert.
Ein großes Kapitel verwendet Fitzthum auf die geopolitische Strategie der USA. Das ist für eine Argumentationshilfe im Freundeskreis sicher sinnvoll, gerade wenn einem als Kommunist die Rüstungsausgaben der VR vorgerechnet oder die Tibet-Frage beim Weihnachtskaffee vorgehalten wird, das Buch gibt aber z. B. der Behandlung der chinesischen Außenpolitik damit zu wenig Raum.
Der Definitionshoheit darüber, ob die VR China ein sozialistisches Land ist, überlässt Fitzthum den chinesischen Genossen. Er sieht in der Entwicklung Chinas vor allem ein Ergebnis einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik, die die KPCh vor allem in den letzten 40 Jahren durchgeführt hat, und spricht dem Land trotz aller damit verbundenen Probleme das Recht zu, diesen Weg weiter selbst zu bestimmen.