Am Infostand in Athen: Auf Solidaritätsreise mit KNE und SDAJ.

Versprechen und Vorschläge

Von TeilnehmerInnen der Griechenland-Reise der SDAJ

Wir sitzen am Eingang eines Athener Wahllokals. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) ist hier gut verankert, 12 Prozent der Stimmen bekam sie bei der letzten Wahl in diesem Bezirk. „Natürlich, weil wir aktiv sind“, sagt eine Genossin der Kommunistischen Jugend (KNE) dazu, „die andern sieht man nicht am Arbeitsplatz, nie, wenn es ein Problem zu lösen gibt. Die tauchen nur auf, wenn Wahlen stattfinden.“ Vor dem Eingang stehen die Infostände der verschiedenen Parteien, auch hier ist die KKE am stärksten vertreten.

Seit dem 17. September sind wir in Griechenland, eine Delegation der SDAJ von 25 Jugendlichen. Wir wollen uns selbst ein Bild von den Lebensbedingungen der Jugend in Griechenland machen, unsere Solidarität zeigen und aus dem Widerstand hier für unsere Kämpfe in Deutschland lernen.

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 50 Prozent. Die alten Regierungen haben den Mindestlohn unter das Existenzminimum gesenkt. 15 000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Medizinische Versorgung gibt es nur, wenn man sich die Medikamente selbst leisten kann. Das sind die Auswirkungen des Spardiktats der EU und der griechischen Regierung. Auch die Syriza-Anel-Regierung hat dieses Programm mitgetragen. Bei den Wahlen am vergangenen Sonntag ging es nur darum, wer die Politik der Verelendung weiterführt. „Die Märkte machen sich keine Sorgen um die Sparprogramme“, war eine der häufigsten Nachrichtenmeldungen während des Wahlkampfes.

Wir kommen während dieses Wahlkampfes in Athen an. Unserem Hotel gegenüber hat die KKE ein Büro. Die Plakate und Graffiti der Partei sind überall in den Wohnvierteln Athens zu sehen, auf den zentralen Plätzen sehen wir ihre Mitglieder an Infoständen mit den Leuten diskutieren.

Die meisten anderen Parteien präsentieren an ihren Ständen ihre jeweils besondere Erklärung, warum es keine Alternative zum Memorandum gebe. Die konservative Nea Dimokratia ist dafür am teuersten ausgestattet, sie hat Klimaanlage und Großleinwand aufgebaut. Der etwas in die Jahre gekommene Vertreter wirbt mit Stabilität, Hoffnung und fordert harte Arbeit. Die Losungen sind vage, aber an der Regierung hat die ND schließlich gezeigt, was sie damit meint.

Die linke Syriza-Abspaltung „Volkseinheit“ wirbt mit dem Slogan „Das Nein wird siegen“, sie will die Freude über den Sieg des Oxi beim Referendum für sich mobilisieren. Sie wird an der Dreiprozenthürde scheitern. Ihre Hauptforderung ist die Wiedereinführung der Drachme. Wir fragen, wie sie es mit dem Sozialismus halten, sie erklären uns, man müsse zunächst beweisen, dass sie den Kapitalismus schöner machen könnten als andere, um dann zum Sozialismus zu kommen.

Die Regierungspartei Syriza präsentiert sich dagegen revolutionär. Hier läuft „Bella Ciao“ und „El Pueblo Unido“, die Mitglieder am Stand zeigen Hammer und Sichel und nennen sich Kommunisten. Das dritte Memorandum haben sie trotzdem unterzeichnet. Der Syriza-Vertreter erklärt uns, dass es nicht anders ging. Tsipras, hören wir, konnte sich der Verantwortung nicht entziehen. Nun wirbt Syriza mit der Losung „We are gaining for tomorrow“ um eine zweite Chance. Diesmal versprechen sie, die Grauzonen des Memorandums auszunutzen und etwas für die Armen zu tun.

In Patras, der drittgrößten griechischen Stadt, stellt die KKE den Bürgermeister, 60 Prozent der Stimmen erhielt ihr Kandidat bei den letzten Bürgermeisterwahlen. Hier findet die letzte große Wahlkampfveranstaltung der KKE statt. An der Bühne hängt ein Transparent mit dem Wahlkampf­slogan der KKE: „Ihr habt es mit ihnen versucht … Mit der KKE gibt es eine Lösung auf dem Weg des Sturzes des Kapitalismus.“ Generalsekretär Koutsoumbas spricht über die zahllosen Sparmaßnahmen, über die Kämpfe dagegen und über die Verantwortung von Syriza für das dritte Memorandum. Man müsse nicht mit allem übereinstimmen, was die KKE sagt, um sie zu wählen. Aber wer anerkennt, dass die KKE die Interessen und die Rechte der Arbeiter konsequent verteidigt, dass sie gegen die Memoranden und gegen das Kapital kämpft, so Koutsoumbas, der solle die KKE auch bei den Wahlen stärken. Zum Abschluss des Wahlkampfes in Athen organisiert die KKE Demonstrationen aus den Stadtteilen, die zu einer zentralen Kundgebung auf dem Syntagma-Platz zusammenkommen. Der Platz ist voll, ein Meer aus roten Fahnen, und uns fällt auf, dass sehr viele Jugendliche gekommen sind.

5,55 Prozent der Stimmen für die KKE sind es bei dieser Wahl geworden. Die ersten Hochrechnungen sehen wir in einem Parteibüro der KKE. Die Partei hat ihre Mitglieder in jedes Wahllokal geschickt, um den Ablauf zu kon­trollieren. Ständig klingelt das Telefon, hier tragen sie die Ergebnisse zusammen und beginnen mit der Auswertung. Ab und zu kommen Erfolgsmeldungen aus einzelnen Schwerpunktbezirken. Vor allem aber wirken die Mitglieder von KKE und KNE wenig überrascht von den Ergebnissen: Sie kennen die Stimmung an den Arbeitsplätzen und im Stadtteil, sie haben erlebt, dass viele Menschen nach der Enttäuschung über den Kurs der „Linksregierung“ resigniert sind, sie wissen, dass der Kurs der KKE nicht zu schnellen Wahlerfolgen führt. Wir sind überrascht – davon, dass manche Beiträge aus der deutschen Linken zur Wahl in Griechenland die Wahlerfolge als den wichtigsten Maßstab für eine richtige Politik ansehen.

Das Bild, das wir hier von der Arbeit und vom Auftreten der KKE bekommen, will nicht zu den typischen Vorwürfen gegen die KKE passen, die wir aus der deutschen Linken kennen. Wir erleben eine Partei, die tief verankert ist, weil sie überall konsequent für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung eintritt und auch um die allerkleinste Verbesserung kämpft. Wir erleben eine Partei, die dabei nicht nach der Erlaubnis des griechischen Staates fragt und deren Mitglieder in diesem Kampf bereit sind, auch persönliche Risiken einzugehen. Wir erleben sie als eine Partei, die auf die Frage nach der gesellschaftlichen Alternative eine konkrete Einschätzung gibt, dass ein sozialistisches Griechenland möglich ist und wie diese Möglichkeit zu verwirklichen ist.

Ihren Wahlkampf hat die KKE darauf ausgerichtet, dem griechischen Volk diese Einschätzung vorzustellen. Sie erklärt offen, was ihre Auffassungen sind. Darüber können wir als deutsche Linke streiten, daraus können wir lernen – nur eins steht fest: Mit Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten der verschiedenen Richtungen hat das griechische Volk es versucht. Ein Ausweg war nicht dabei.

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"Versprechen und Vorschläge", UZ vom 25. September 2015



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