Lehrer in Simbabwe kämpfen unter schwierigen Bedingungen

Verschleppungen, Haft und Folter

Über 20 Jahre lang litt Simbabwe unter Sanktionen des Westens wegen einer Landreform, die in kolonialen Zeiten geraubtes Ackerland zurück in die Hände der lokalen Bevölkerung gab. Dreieinhalb Jahre nach dem Putsch gegen den langjährigen Präsidenten Robert Mugabe ist Simbabwe auch wegen der neoliberalen Politik der Regierung Emmerson Mnangagwas in desolatem Zustand. Besonders betroffen ist das Bildungssystem. Seit mehr als vier Jahren protestieren und streiken die Lehrerinnen und Lehrer des Landes. UZ sprach mit der Mathematiklehrerin Moreblessing Nyambara, Mitglied der Amalgamated Rural Teachers Union of Zimbabwe (Vereinigte Ländliche Lehrergewerkschaft Simbabwes, ARTUZ), über die Arbeitsbedingungen im Bildungssystem in Simbabwe, staatliche Repression und den Kampf der Lehrergewerkschaften für menschenwürdige Bezahlung.

UZ: Präsident Mnangagwa und andere Regierungspolitiker ließen in den letzten Jahren öffentlich verlauten, die Regierung befinde sich „im Krieg“ gegen die Opposition. Die Zahl der Oppositionsparteien in Simbabwe ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen, trotzdem sind nur vier Parteien im Parlament vertreten. Wie hält die Regierung so erfolgreich die Opposition klein?

Moreblessing Nyambara: Die Zimbabwe African National Union – Patriotic Front (Afrikanische Nationalunion Simbabwes – Patriotische Front, ZANU-PF) setzt traditionelle Chiefs ein, um die Menschen einzuschüchtern. Diese sagen, wenn du jemals für die Opposition stimmst, verjage ich dich aus meiner Gegend. Auf dem Land zündet die Jugendorganisation der ZANU-PF mitunter Häuser von Oppositionellen an. Ihnen und ihren Familien werden Nahrungsmittelhilfen vorenthalten.
Die ZANU-PF gründet selber vermeintliche Oppositionsparteien, um die Wähler zu verwirren. Die im Parlament vertretenen Oppositionsparteien sind tatsächlich Filialen der Regierungspartei, zu der immer wieder prominente Oppositionspolitiker wechseln. Vielleicht werden sie erpresst oder bestochen.

UZ: Haben sich die Arbeitsbedingungen für Lehrer in Simbabwe in den letzten Jahren verschlechtert?

Moreblessing Nyambara: Ja, und zwar furchtbar. 2012 hatten wir mit der Regierung einen monatlichen Mindestlohn in Höhe von 520 US-Dollar vereinbart. Damit sind wir bis 2018 irgendwie über die Runden gekommen. Mit der Einführung des RTGS-Dollars (Real Time Settlement Dollar, Landeswährung Simbabwes bis März 2020) bekamen wir plötzlich nur noch den Gegenwert von 30 US-Dollar pro Monat bezahlt. Wir hatten schon die ganze Zeit für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne demonstriert. Nach diesem harten Schnitt mussten wir viele Demonstrationen und Streiks organisieren. Einige Kollegen konnten sich nicht einmal mehr die Fahrt zur Schule leisten. Lehrer können die Schulgebühren für ihre eigenen Kinder nicht mehr bezahlen!

Bevor ich Simbabwe verließ, hatten meine Klassen jeweils 60 Schüler. In einem Raum von fünf mal sechs Metern. Ich musste täglich 360 Übungshefte korrigieren. Mit Corona wurde alles noch schlimmer. Wir bekommen weder Masken noch Desinfektionsmittel. Die Schüler binden sich irgendeinen Lumpen vor Mund und Nase. Viele Schulen, vor allem im ländlichen Raum, haben nicht einmal fließendes Wasser. Wir kämpfen deshalb auch für sichere Schulen und bessere Infrastruktur.

UZ: Immer wieder werden in Simbabwe protestierende Lehrer verschleppt oder festgenommen und teils gefoltert. Hat die Regierung so viel Angst vor Lehrern, die Gehälter fordern, von denen sie leben können, dass sie zu solchen Mitteln greift?

Moreblessing Nyambara: 2008 wurden Kollegen, darunter der ARTUZ-Präsident Obert Masaraure und ich, wegen eines 275 Kilometer langen Marsches von Mutare nach Harare verschleppt und gefoltert. Masaraure wurde anschließend nackt irgendwo abgesetzt. Sein Gerichtsprozess ist immer noch nicht abgeschlossen.

2019 gelang es uns, alle Lehrergewerkschaften und Staatsbeamten zu mobilisieren. Wir haben eine Massendemonstration in Harare organisiert. Wieder wurden viele von uns festgenommen.

Im Mai 2020 wurde ich wieder verschleppt. Wir hatten dagegen protestiert, dass Nahrungsmittelhilfen im Zuge der Corona-Pandemie nur an Mitglieder der Regierungspartei abgegeben worden waren. Im Zuge dessen wurden drei Mitglieder der oppositionellen Partei Movement for Democratic Change (Bewegung für Demokratische Veränderung, MDC) verschleppt, sexuell belästigt und gefoltert. Ich veröffentlichte ein Solidaritätsvideo für die drei Frauen. Eine Woche später wurde ich abgeholt und heftig gefoltert. Sie brachen mein Handgelenk und schlugen mir einen Zahn aus. Heute noch habe ich Gelenkschmerzen. Erst in Deutschland bekam ich eine zahnmedizinische Operation.

Im Juni 2020 gab es weitere landesweite Demonstrationen von ARTUZ. In der Provinz Masvingo wurde die Sekretärin für Geschlechterfragen und Wohlfahrt rechtswidrigerweise festgenommen und anschließend zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt, die später auf zehn Monate reduziert wurden.

UZ: Du sprichst von Sheila Chisirimunhu?

Moreblessing Nyambara: Genau. Sie nahm an einer Demonstration teil, die friedlich verlief und bei der alle COVID-19-Regularien eingehalten wurden. Trotzdem wurde die Demo von der Polizei aufgelöst. Sheila wurde angeklagt, an einer Versammlung teilgenommen zu haben mit dem Ziel, öffentlich zu Gewalt aufzurufen. Ihre Festnahme und Haft verletzt Artikel 59 der Verfassung Simbabwes, der jedem das Recht gibt, friedlich zu demonstrieren und Petitionen zu stellen. Nach 18 Tagen Haft kam sie auf Kaution frei. Ihr Fall schafft eine gefährliche Präzedenz. Seitdem sehen wir, dass täglich Verfechter von Menschenrechten juristisch verfolgt werden. Wir können deshalb nicht still bleiben.

UZ: Sheila ist in Revision gegangen. Wie stehen denn ihre Chancen, zu gewinnen?

Moreblessing Nyambara: Ich glaube, sie wird letztlich freigesprochen. Allerdings ist das Justizsystem sehr schwer einzuschätzen. Die können machen, was sie wollen. Sie nennen es „sending a message“.

UZ: Es gab ja eine kleine Welle internationaler Solidarität mit Sheila. Hat diese Solidarität ihr und dem gewerkschaftlichen Kampf der Lehrer in Simbabwe geholfen?

Moreblessing Nyambara: Die internationale Solidarität kam genau zur richtigen Zeit. Viele Gewerkschaften und Kommunistische Parteien von außerhalb Simbabwes haben sich solidarisch mit uns erklärt. Das hat geholfen, Sheila auf Kaution aus dem Gefängnis rauszubekommen. Die Regierung fürchtet internationale Reaktionen. Wir brauchen mehr davon, die Situation in Simbabwe verschlechtert sich von Tag zu Tag. Wir sind keine Kriminellen, wir sind Lehrer. Wir verdienen keine Gefängnisaufenthalte. Wir verlieren Zeit, weil wir seit über vier Jahren immer über die selben Dinge sprechen müssen. Wir verlieren Unterrichtszeit, weil wir protestieren müssen! Wir verlieren eine ganze Generation. Simbabwe war mal das Land Afrikas mit der höchsten Alphabetisierungsrate. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert, weil schlicht kein Lernen mehr stattfindet. Die Regierung tut lediglich so, als ob.

UZ: Wie kämpft ihr denn jetzt weiter?

Moreblessing Nyambara: Im Moment sind Ferien. Wir haben der Regierung gesagt, lasst uns jetzt verhandeln, damit die Schulen danach wieder unter guten Bedingungen öffnen können. Wir brauchen sichere Schulen und Lehrer, die gut genug bezahlt werden, damit sie sich ihre Arbeit leisten können. Wir brauchen fließendes Wasser, Masken und Desinfektionsmittel in den Schulen. Dafür kämpfen wir. Fünf Millionen Schülerinnen und Schüler haben wir heute in Simbabwe. Wir möchten, dass deren Stimmen bis zum Staatspräsidenten durchdringen, damit wir das Bildungssystem retten können. Wir fahren deshalb eine Online-Kampagne unter dem Hashtag #SaveOurEducationZW.

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"Verschleppungen, Haft und Folter", UZ vom 18. Juni 2021



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