Verschleierungstaktik

Wera Richter zum Europaparteitag der Linken

Wer ist der beste Europäer im Land? Nachdem Grüne und SPD darum schon länger wetteifern, ist nun auch die Partei „Die Linke“ an den Start gegangen. Die Messlatte hat wenig mit Europa zu tun, sondern heißt: „Wie hältst du es mit der EU?“

In diesem Wettkampf sind dem Entwurf des Europawahlprogramms der „Demokratischen Sozialisten“ unmittelbar vor ihrem Parteitag in Bonn die Kanten genommen worden. Derer gab es nicht viele. Ein Wunschkonzert für eine bessere EU auf 40 Seiten, garniert mit Worthülsen à la „Das geht anders“, „Das geht mit links“, „So wie es ist, kann es nicht bleiben“. Die Quintessenz: „Es gibt viel Wut und Empörung in der EU – zu Recht. Vieles läuft falsch. Die gute Nachricht: Es muss nicht so bleiben.“

Grundsätzliche Kritik an dem Konstrukt EU, ein nüchterner Blick auf die Ursprünge des Kriegsbündnisses und eine Einschätzung zur führenden Rolle Deutschlands in dem imperialistischen Staatenbündnis sind nur schwer auszumachen. Der Parteivorstand besserte dennoch nach und strich bei zwei Gegenstimmen am Wochenende vor dem Bonner Parteitag die Charakterisierung der EU als „neoliberal, militaristisch, undemokratisch“. Linke-Vorsitzende Katja Kipping – „Weil ich eine glühende Europäerin bin“ – freute sich am Montag vor der Presse über den breiten Konsens.

Die Revision des Wahlprogramms wird flankiert von einem Positionspapier des Präsidenten der Europäischen Linkspartei, Gegor Gysi, der Fraktionsvorsitzenden der Linken im EU-Parlament, Gabriele Zimmer, und den drei Europaministern der mitregierten Bundesländer Berlin, Brandenburg und Thüringen. Der Titel: „Wir sind Europäerinnen und Europäer.“ Der Tenor: „Wir müssen den Menschen Hoffnung geben, wir brauchen positive Botschaften.“ Eine ablehnende Grundhaltung zur EU gehöre nicht dazu, sie sei das falsche Signal im Europawahlkampf.

Das findet auch Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag. Gegenüber der Presse lobt er den Verzicht auf „besonders EU-kritische Passagen“ im Wahlprogramm, denn man dürfe Europa nicht den Rechten überlassen. Genau das tut man aber, wenn man den Charakter der EU bewusst verschleiert.

Die EU steht seit ihrer Gründung für kalten und heißen Krieg. Das ist ihr Zweck. Sie ist ein Instrument der Ausbeutung, der verschärften Konkurrenz und Spaltung in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU und zwischen ihnen. Das ist der Nährboden für Chauvinismus und Rassismus. Wer aus dieser EU etwas Positives macht, überlässt die Wut und Empörung der von Armut und Elend Betroffenen und von sozialem Abstieg Bedrohten und ihre berechtigte Kritik an der EU als Verursacher dieser Verhältnisse tatsächlich den rechten Demagogen.

Insofern wünschen wir den Kommunisten und Friedenskämpfern in der Linkspartei nicht nur Erfolg mit dem Antrag „Für friedliche Beziehungen zu Russland“, sondern auch dabei, die Logik von Bartsch und Co., das Bekenntnis zur EU sei ein Beitrag gegen die Rechtsentwicklung, nicht zuzulassen.

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"Verschleierungstaktik", UZ vom 22. Februar 2019



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