Zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution

Verraten, niedergeschossen, erdrosselt

Von Patrik Köbele

Auf einer Festveranstaltung des „Rotfuchs“ in Rostock ging Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, auf die Feiern zum 200. Geburtstag von Karl Marx und den 100. Jahrestag der Novemberrevolution sowie die Gründung der KPD ein. Er verband das mit aktuellen politischen Herausforderungen. Im Zusammenhang mit der Novemberrevolution erklärte er unter anderem:

In Vorbereitung des ersten Weltkriegs lernte die herrschende Klasse, wie man Nationalismus entfacht. Sie war sich nicht einmal zu schade, sich dafür die Verteidigung der russischen Ausgebeuteten auf die Fahne zu schreiben. Sie lernte, wie man eine internationale Arbeiterbewegung spalten kann. Sie lernte, wie man eine Arbeiterklasse und eine Arbeiterpartei einbinden kann und dazu Parlamentarismus und Arbeiteraristokratie nutzt. Mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten hatte die SPD die Seite der Barrikade gewechselt und trotzdem das Vertrauen der Klasse und die Verankerung in der Klasse – eine Tragödie, die bis heute nachwirkt.

Nun musste die herrschende Klasse lernen, dass man sich im Krieg mit anderen Imperialisten auch Niederlagen einhandeln kann – nicht so schlimm, die blutigen Stümpfe, die zerfetzten Gedärme, die Toten, das waren ja nicht die Abkömmlinge der herrschenden Klasse, die Lasten kann man abwälzen, nur, wie schafft man es, den wachsenden Erkenntnisprozess der Arbeiterklasse, der Massen über die Ursachen von Krieg und Armut zu missbrauchen, um die eigene Macht zu erhalten? Der Spartakusbund ahnte, was kommen würde, im Oktober 1918, vor der Novemberrevolution, vor dem Ende des Krieges, vor der Abdankung des Kaisers, kurz nachdem die SPD sich wieder hergab, in eine Regierung unter Max von Baden einzutreten, formulierten die Genossen: „Diese erste Regung der Revolution findet aber schon die Konterrevolution auf ihrem Posten. Mit der Einräumung scheinbarer Rechte sucht sie, da die Gewaltmittel versagen, die Bewegung einzudämmen. Parlamentarisierung und preußisches Wahlrecht sollen das Proletariat geneigt machen, weiter zu dulden und so, wenn schon der Raubzug nach außen missglückt ist, der Bourgeoisie die Früchte des Diebstahls am eigenen Volke sichern (…).“

Diese Voraussicht sollte sich bitter bewahrheiten in der blutigen Niederschlagung der Revolution, der Ermordung von Karl und Rosa, der Restauration von Kapitalismus und Militarismus im Zusammenspiel von Freikorps und SPD. Es ist sicher nicht falsch, die Freikorps als eine der Quellen des späteren Faschismus und das Zusammenspiel mit der SPD-Führung als eine der Grundlagen der Liquidierung von zehntausenden Kommunisten und Sozialdemokraten im Faschismus zu bezeichnen.

(…) im Zusammenhang mit der Novemberrevolution wird ja oft von der „Unvollendeten“ gesprochen. Ich bin mit diesem Ausdruck nicht sehr glücklich. Es erinnert an den Komponisten, der die Symphonie nicht fertig komponierte, den Schriftsteller, der sein Buch nicht zu Ende schreiben konnte. Ganz im Gegensatz dazu wurde die Novemberrevolution verraten, niedergeschossen, erdrosselt. Natürlich gelang dies auch, weil große Teile der Arbeiterklasse Illusionen hatte, in die SPD, aber vor allem auch in den Staat. Bereits in der „Kritik des Gothaer Programms“ hatte Marx davor gewarnt. Somit hatte die Novemberrevolution kein umfassendes und von den Massen getragenes Programm zur Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Sie hatte kein Programm, wie diese Macht zu nutzen sei, um den Staat der Kapitalisten zu zerschlagen und ihnen die Quelle ihrer Macht, die Produktionsmittel, zu entreißen.

Das lag vor allem auch daran, dass die Kraft, die diesen Plan hatte, die KPD, zu klein war und erst an der Jahreswende 1918/1919 gegründet wurde. Ja, dafür kann man die Genossinnen und Genossen kritisieren, Lenin hat das getan. Er hatte recht und wir haben recht, wenn wir das wiederholen. Wir müssen aber auch anerkennen, das ist Kritik im Nachhinein und da weiß man es bekanntlich immer besser.

Und wir müssen doch auch erkennen und anerkennen, wie schwierig sicher der Prozess war, zwei mal zu erkennen, dass die eigene Partei ihre Genossinnen und Genossen verlassen hatte, zuerst die SPD und dann auch die USPD, wo Karl, Rosa, Clara und die anderen doch auch wussten, wie wichtig Disziplin, auch Parteidisziplin, ist – so ein Bruch ist nicht einfach.

Er war zu spät und er war notwendig. Das „Zu spät“ ist sicher ein Grund, aus dem es nicht gelang die Arbeiterklasse zum Hegemon mit einer revolutionären Strategie zu machen. Dies ermöglichte der Bourgeoisie, den Junkern mit ihren Freikorps und im Bündnis mit der SPD den Sieg.

Trotzdem war die Gründung der KPD ein Ereignis, das die Welt veränderte, und ein Ereignis, das wir zu Recht feiern und stolz sind auf unsere Tradition. Sie war die Grundlage dafür, dass die KPD sich zur Massenpartei, zur stärksten kommunistischen Partei außerhalb der Sowjetunion entwickeln konnte. Sie war die Grundlage für den heroischen antifaschistischen Kampf und sie war eine Grundlage dafür, dass nach der Befreiung vom Faschismus in einem Teil Deutschlands die Restauration des Kapitalismus verhindert werden konnte, zumindest für 40 Jahre.

(…) Ich komme noch einmal auf die Novemberrevolution und ihre konterrevolutionäre Niederschlagung zurück. Das hatte tatsächlich welthistorische Auswirkungen. Lenin waren sie bewusst Er hatte nicht nur aus militärischen, ökonomischen Gründen darauf gehofft, dass ein sozialistisches Deutschland an die Seite der Sowjetunion treten könne. Er hoffte natürlich auch auf den Gewinn an Erfahrung, Tradition, Geschichte und Bewusstsein, wenn die deutsche Arbeiterklasse der jungen und kleinen Arbeiterklasse, den Bauernmassen der jungen Sowjetunion zur Seite treten würde. Auch das wurde zerstört durch das Bündnis aus Kapital, Junkern, Militär und Führung der SPD.

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"Verraten, niedergeschossen, erdrosselt", UZ vom 2. November 2018



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