Gewalt an der Grenze Venezuelas sorgt nicht für die gewünschten Bilder

Verpatzte Inszenierung

Von Melina Deymann

Großspurig hatte der Putschist Juan Guaidó angekündigt, am vergangenen Samstag „Hilfsgüter“ über die Grenze zu bringen, „komme was da wolle“. Angeblich wollte er damit auch der venezolanischen Armee „eine Möglichkeit bieten, sich auf die Seite der Verfassung zu stellen und den Weg für freie Wahlen zu öffnen“, wie er der „FAZ“ gegenüber fabulierte.

Beides ist nicht gelungen. Die großzügigen „Hilfsgüter“ der USA stehen immer noch auf der kolumbianischen Seite der Grenze, die Soldaten auf der venezolanischen. Sie haben sich nicht dazu verführen lassen, ihre Loyalität aufzugeben und sich auf die Seite des Putschisten und seiner ausländischen Verbündeten zu stellen. Guaidó hatte per Twitter geäußert, die venezolanischen Soldaten hätten die Chance „zu definieren, wie sich an euch erinnert werden wird“. Das haben sie getan. Die „Tagesschau“ meldete am Sonntagabend zur besten Sendezeit zwar desertierte Soldaten – ganze zwölf –, aber auch diese zu hoch gegriffenen Zahl wird nicht ganz das sein, was Guaidó und seinen Verbündeten vorgeschwebt hatte.

Blieb das dritte, eigentliche Hauptziel der Aktionen vom Wochenende: Bilder voller Gewalt zu erzeugen, um ein militärisches Eingreifen der USA in Venezuela zu rechtfertigen. Doch auch die blieben zum größten Teil aus.

Trotz aller Bemühungen, durch Angriffe auf Grenzposten blutige Reaktionen Venezuelas zu provozieren, konnten die daran interessierten Medien nur Bilder in die Welt senden, die Steine und Molotowcocktails werfende „Oppositionelle“ auf der kolumbianischen Seite der Grenze zeigt. Auch die brennenden LKWs mit „Hilfsgütern“ von USAID stehen auf der falschen Seite der Simón-Bolívar-Brücke, dort, in Kolumbien, wurden sie vor dem Anzünden auch geplündert. Freddy Bernal, der Regierungsbeauftragte für das venezolanische Táchira, teilte mit, dass in der Region am Samstag 42 Personen verletzt worden seien, drei von ihnen – darunter zwei Beamte der Nationalgarde – als sie von Oppositionellen lebendig in Brand gesteckt worden seien.

Trotzdem schrien Guaidó und die USA nach Vergeltung. US-Vizepräsident Pompeo sprach von der Gewalt der „Banden des Tyrannen Maduro“ und verkündete, die „Zeit zum Handeln“ sei gekommen. Guaidó bat darum, „sich alle Optionen offen zu halten“.

Die Unterstützung für eine militärische Intervention in Venezuela lässt aus Sicht des Putschisten aber deutlich zu wünschen übrig. Die Schweiz reagierte auf Äußerungen Guaidós, er habe wegen angeblicher Geldschiebereien der venezolanischen Regierung den Schweizer Bundespräsidenten kontaktiert, um Konten sperren zu lassen, mit einem umgehenden Dementi und der Erklärung, es würden grundsätzlich nur Staaten, aber keine Regierungen anerkannt. Außerdem forderte sie die „beteiligten Parteien auf, Zurückhaltung zu üben und eine verfassungskonforme Lösung der politischen Krise zu suchen“.

Am Sonntagabend ließ die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini per Pressemitteilung verbreiten: „Wir bekräftigen unsere Zurückweisung und Verurteilung von Gewalt und allen Initiativen, die die Region weiter destabilisieren können.“ Unterstützung für ein militärisches Eingreifen durch die USA sieht anders aus.

Eine weitere Schlappe mussten die USA und ihr Putschist beim Treffen der Lima-Gruppe am Montag in Bogotá in Kauf nehmen. Die 13 normalerweise streng US-hörigen lateinamerikanischen Staaten und die USA und Kanada, die sich 2017 zusammengefunden haben, um die Bolivarische Revolution zu stoppen, haben sich auf den gemeinsamen Nenner „Keine militärische Intervention“ geeinigt. Stellvertretend für die Teilnehmer stellte der peruanische Außenminister Hugo Zela Martínez fest: „Die Lösung muss absolut friedlich sein.“ Der Einsatz von Gewalt sei keine Lösung für das Problem in Venezuela.

Da hatten die Putschisten also vergeblich für ein sofortige Votum für den Krieg getrommelt. Julio Borges, im Exil lebender Vorsitzender der Partei „Primero Justicia“ und von Guaidó als Botschafter in der Lima-Gruppe bestellt, sprach sich offen dafür aus, „Gewalt anzuwenden“, und der rechte Politikberater Joaquín Villalobos phantasierte davon, dass eine Intervention „schnell, erfolgreich sein und von Millionen von Venezolanern und Lateinamerikanern gefeiert würde“.

Man entschloss sich stattdessen dazu, den Krieg weiterhin mit wirtschaftlichen, medialen und diplomatischen Mitteln zu führen.

Die Sanktionen gegen Venezuela sind jetzt noch einmal verschärft worden. US-Vizepräsident Pence forderte die anwesenden Staaten auf, umgehend in ihren Ländern die Guthaben des staatlichen venezolanischen Ölkonzerns PDVSA einzufrieren und das Vermögen nur Guaidó zur Verfügung zu stellen.

Sollten auch diese Sanktionen nicht zum gewünschten Ergebnis führen, hielt sich die Lima-Gruppe ein Hintertürchen für militärisches Eingreifen offen. Kolumbiens Außenminister Carlos Holmes Trujillo drohte damit, den „Diktator Nicolás Maduro verantwortlich“ zu machen, sollte Juan Guaidó oder seiner Familie bei der Rückreise aus dem kolumbianischen Cúcuta nach Caracas etwas zustoßen.

Ob der Putschist Guaidó so weit gehen würde, neben Gewalt an der Grenze auch noch seine eigene Ermordung zu inszenieren, um die gewünschte Militärintervention zu erzwingen, weiß man natürlich nicht.

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"Verpatzte Inszenierung", UZ vom 1. März 2019



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