Mit großem finanziellen Aufwand, bunten Bildern und lauter Musik werben zurzeit Guatemalas Parteien für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 06. September. Geld dafür haben sie – dank der korrupten Seilschaften, mit deren Hilfe sie das Land regieren.
Im April deckte die von der UN eingesetzte „Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala“ (CICIG) auf, dass ein kriminelles Netzwerk „La Línea“ Unternehmern im großen Stil die Steuer auf Exporte gegen Schmiergeldzahlungen „erlassen“ und den Staat so um Millionen Steuereinnahmen betrogen hatte. Neben zahlreichen hohen Funktionären der Steuerbehörde war leitender Kopf der Linie der Privatsekretär der damaligen Vizepräsidentin Roxana Baldetti. Dies führte zu den größten Protesten seit Jahrzehnten, monatelang gingen zehntausende Samstag für Samstag im ganzen Land auf die Straße, auch noch als Baldetti im Mai zurücktrat. Drei Viertel aller Politiker in Guatemala finanzieren ihre Wahlkämpfe mit Einnahmen aus korrupten Tauschgeschäften, so ein Bericht der CICIG– für einige tausend Dollar verkaufen sie Posten in den von ihnen kontrollierten Behörden. Etwa 25 Prozent der Wahlkampfkosten werde, so die CIGIC, mit Einnahmen aus Korruption bestritten, weitere 25 Prozent komme aus der organisierten Kriminalität.
Nun, nach neuen Enthüllungen, fordern die Demonstranten den sofortigen Rücktritt des Präsidenten Otto Pérez Molina, der an der Spitze des Netzwerkes „La Línea“ gestanden haben soll. Pérez Molina kann zwar nach dem geltenden Wahlrecht nicht für eine weitere Amtszeit als Präsident gewählt werden, seine Amtszeit würde jedoch noch bis Januar dauern. Unter dem Druck der Proteste erklärten drei Minister ihren Rücktritt.
Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass sich bei den Wahlen eine wirkliche Alternative durchsetzen könnte. In Umfragen führen der Unternehmer und Multimillionär Manuel Baldizón und seine Partei „Demokratische Erneuerung“ (Lider). Auch gegen seinen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahre wegen Geldwäsche eröffnet, es gilt als offenes Geheimnis, dass auch sein Wahlkampf zum Teil von den Drogenkartellen finanziert wird.
In den Umfragen steht Sandra Torres, die Kandidatin der sozialdemokratischen „Nationale Union der Hoffnung“ (UNE), auf Platz zwei, wahrscheinlich wird es also zu einer Stichwahl zwischen Baldizón und ihr kommen. Torres ist die Exfrau von Alvaro Colom, der Guatemala von 2007–2011 regierte und den neoliberalen Kurs, der Guatemala seit Jahrzehnten beherrscht, im wesentlichen fortführte, wenn es auch einige kleine Sozialprogramme in seiner Amtszeit gab. Konkurrenz bekommt sie von einem politischen Quereinsteiger, dem Fernsehkomiker Jimmy Morales, der möglicherweise von dem Unmut über die alten Parteien profitieren und sich als neue Kraft ohne Korruption darstellen kann. Gesellschaftliche Veränderungen sind von Morales, der sich mit rechten Militärs umgibt, nicht zu erwarten.
Die linken Kräfte sind schwach. Die ehemalige Guerillaorganisation Vereinigte Nationale Revolutionäre Guatemalas (URNG), die 1996 einen Friedensvertrag mit der Regierung unterschrieb, tritt unter dem Namen URNG-MAIZ (MAIZ für „Breite Bewegung der Linken“) im Bündnis mit der Mayapartei WINAQ an. Bei den letzten Wahlen kam das von ihnen initierte Wahlbündnis „Breite Front“ auf 3,3 Prozent. Da am 6. September noch einige kleine linke Parteien und Abspaltungen der URNG alleine antreten, befürchten Beobachter, dass die Linke am Ende ohne einen einzigen Abgeordneten dastehen könnte.
Bei den Massenprotesten fordern die Demonstranten nicht nur ein Ende der Korruption, sondern vor allem die Einberufung einer Nationalversammlung, die das Land von unten reformieren und demokratisieren soll. Einige der Protagonisten rufen zum Wahlboykott und fordern, vor Wahlen das Wahlgesetz zu reformieren. Sie setzen offenbar wenig Hoffnung darauf, dass die Wahlen vom 6. September an den Verhältnissen im Land etwas ändern können.