Der Wahlparteitag der Partei „Die Linke“ am letzten Wochenende hat ein bescheidenes Medienecho gefunden. Verständlich, denn die Debatten um strittige Fragen fanden zwar statt, führten aber zumeist zu Mehrheiten, die den Wünschen der Parteiführung entsprachen. Der überwiegende Tenor der Berichte im Blätterwald geht in die Richtung „Die Partei zeigte sich willig wie selten“ oder „diejenigen bei der Linken, die auf Opposition pur setzen, sind nur noch eine kleine Minderheit“.
Viel Verständnis wird für Forderungen der Partei gezeigt, die soziale „Schieflage“ zu korrigieren oder den gesetzlichen Mindestlohn zu erhöhen. Das Rentenkonzept wird von manchen als beachtenswert gelobt. Die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen kennt man mittlerweile von überall her, selbst in Kapitalkreisen finden sich wohlwollende Bemerkungen dazu.
Viel weniger Zustimmung findet man in den Blättern zu den Formulierungen im Programm über Rolle und Aufgaben der Bundeswehr, man bemängelt die EU-kritische Haltung und wirft der Partei eine idealistische Position in der Flüchtlingspolitik vor.
Wenn Sahra Wagenknecht zum Abschluss des Parteitages fordert „dann wollen wir auch regieren“, ist dies die politische Haltung, die allen Anstrengungen zu Grunde liegt. Neue Bedingungen für Regierungsbeteiligungen in Bund und Ländern wurden nicht gestellt, alte wurden zwar bekräftigt, aber bloß nicht mehr als „rote Haltelinien“ deklariert. Dies ist reine Rhetorik, entspricht dem üblichen Gebaren aller anderen Parteien, keine Koalitionsaussagen zu machen und auf einen Wahlausgang zu hoffen, der dann vieles offen lässt. Ob diese Ausrichtung, die zwar einen Politikwechsel fordert, sich aber bei Gelegenheit auch als Regierungswechsel darstellt, von den Mitgliedern der Partei, aber auch bei den Wählerinnen und Wählern Anklang findet, kann mit einem Fragezeichen versehen werden. Die Politik von SPD und Grünen wird zwar kritisiert, man will diese Parteien „nicht aus der Verantwortung entlassen“, aber Verlauf und Ergebnis des Parteitages waren offensichtlich darauf aus, möglichen Koalitionssondierungen nicht den Weg zu verbauen. Da die SPD immer und überall deutlich macht, dass linke Programmatik mit ihr nicht zu verwirklichen ist, und deshalb jegliche Aussage vermeidet, mit den Linken ginge was, musste der Konflikt um eine Regierungsbeteiligung oder nicht auf dem Parteitag der Linken nicht ausgetragen werden. Die eigentlich zu führenden strategischen Debatten und Klarstellungen wurden nicht einmal begonnen.
Unverändert bemühen sich viele in der Partei darum, den Teil der deutschen Geschichte, der sich mit dem Wort DDR verbindet, entweder zu ignorieren oder im Paket von „extremistisch“, „diktatorisch“, „totalitär“ zu diffamieren und dabei Verrenkungen und Anbiederungen zu produzieren. So einer ist der Alt-Grande Gregor Gysi, der sich hinstellt und darüber jammert, dass es nicht leicht gewesen sei, aus der SED die PDS und aus der PDS und der WASG die Partei „Die Linke“ zu machen, abgewertete Lebensbedingungen im Osten nicht hinzunehmen, sondern gegen die Politik „im Westen“ zu vertreten. Die realen Verhältnisse mehr als 25 Jahre später blendet er aus, schlägt ein von allen europäischen Linken zu vertretendes soziales und demokratisches Leitbild vor und macht damit genau das, was auch die anderen bürgerlichen Parteien gebetsmühlenartig vortragen: Eine Vision von Europa muss her, Reformen sind nötig (sagen auch Merkel, Juncker und Macron) und die europäischen Linken sollen zum Gestalter einer zukunftsfähigen EU werden.
Es ist kaum vorstellbar, dass diese Partei den schmerzhaften Spagat zwischen Mitregieren und Widerstand erträgt. Sie wird ihn wahrscheinlich auch im Herbst nicht ausprobieren müssen. Selbst dann nicht, wenn das Wahlergebnis bei der Bundestagswahl rechnerisch wie schon seit 2013 ein Mitregieren erlauben würde. Die Unklarheit in strategischen Fragen bleibt damit ihr Markenzeichen.