Die Nominierung Franz-Walter Steinmeiers für die Wahl zum Bundespräsidenten sendet eine Reihe von Zeichen. Sie weist zunächst mal auf die politische Schwäche von CDU und CSU. Sie haben nach einem Kandidaten als Alternative zu Steinmeier gesucht, aber keinen gefunden. Gabriels SPD triumphiert.
Außerdem lässt die Nominierung erkennen, dass die Große Koalition weitermachen will. Das ist konsequent, denn ihre Agenda ist beispielsweise beim Thema Freihandelsabkommen nicht abgearbeitet. Auch im letzten Regierungsjahr wird sie das nicht mehr schaffen. Zudem sind die europäischen Probleme womöglich leichter von einer Großen Koalition zu bewältigen.
Im vergangenen Sommer und den folgenden Monaten machte das Thema Flüchtlinge der Regierung Sorgen. Die Angriffe gegen Merkel ließen einen Rechtsruck innerhalb der Regierung befürchten, eine Entwicklung, die die Bindewirkung der Koalition arg strapaziert hat. Offenbar drängt angesichts der Wahlerfolge der AfD der rechte Rand der Union raus aus dem Bündnis mit der SPD. Hier ist vor allem Seehofers CSU zu nennen. Die Nominierung von Steinmeier kühlt solche Phantasien.
Angesichts des Wahlsiegs von Trump, aber mehr noch kurz vorher, sind einige Politiker recht deutlich geworden mit distanzierenden Äußerungen. Insofern ist die Entscheidung für Steinmeier und die Weiterführung der Großen Koalition ein Signal über den Atlantik. Merkels knapper Kommentar zum Ausgang der US-Wahlen pochte auf gemeinsame Werte. Sie nannte Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. „Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“ Solche Sätze darf man schon mal auf die Goldwaage legen, zumal am selben Tag die triumphierenden Texte von Marine Le Pen, Geert Wilders, Orban und anderen als Rechtspopulisten verharmlosten Europäern Bildschirme und Zeitungsseiten füllten.
Schließlich sei Steinmeiers Nominierung ein Zeichen für Stabilität in Zeiten der Unsicherheit, meint Frau Merkel. Da hat sie Recht. Denn er ist allemal verlässlich im Sinne der Herren der Finanzmärkte, Banken und Konzerne. Ihre Sorgen sind seine Sorgen. Mit 37 Jahren wurde er 1993 Schröders persönlicher Referent, dann Chef der Staatskanzlei in Hannover, ab 1998 Staatssekretär und Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt. Als Chef des Kanzleramts war er einer der wichtigsten Akteure bei der Durchsetzung der Agenda 2010. Er hat Kriegsentscheidungen mitorganisiert: Jugoslawien, Afghanistan und andere Kriegseinsätze der Bundeswehr.
Für Sahra Wagenknecht steht Steinmeier als Initiator der sozial verheerenden Agenda-Gesetze für die Zerstörung des Sozialstaates und die immer tiefere soziale Spaltung im Land. Er verkörpere damit genau die Politik, die immer mehr Menschen an der Demokratie verzweifeln lässt.